Studie:Alte Bauten, neues Leben

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Bei alten Häusern sollte man genau hinschauen, bevor man sich zum Kauf entschließt. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Heruntergekommene Häuser oder hoher Leerstand: Manche Einfamilienhaus-Siedlungen aus der Nachkriegszeit haben große Probleme. Doch es geht auch anders.

Von Joachim Göres

Etwa 5,7 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser wurden zwischen 1950 und 1979 gebaut. Noch heute wohnen viele Menschen in einem Gebäude aus dieser Zeit, mit kleinen Räumen, steilen Treppen, schlechter Dämmung und veralteter Haustechnik. Die Wüstenrot-Stiftung hat nun eine neue Untersuchung über Einfamilienhäuser aus den Fünfziger- bis Siebzigerjahren veröffentlicht, die zeigen soll, wie man mit solchen Immobilien und Quartieren umgehen kann.

Zum Beispiel Wulfen. Von 1963 an entstand dort am Rande des Ruhrgebiets eine komplett neue Stadt für 18000 Bewohner, mit einem hohen Anteil von Einfamilienhäusern. Inzwischen gehört der Stadtteil Wulfen-Barkenberg zu Dorsten, es gibt noch 8000 Einwohner, 40 Prozent der Wohnungen in der angrenzenden Großsiedlung stehen leer. Schulen und Kindergärten wurden abgerissen, Läden haben dicht gemacht, das Image ist schlecht. Das hat auch Folgen für diejenigen, die hier zum Beispiel aus Altersgründen ihr Haus verkaufen wollen: Die Nachfrage hält sich in Grenzen.

Wo Schulen und Läden zugemacht werden, wandert die Jugend ab, Immobilien verlieren an Wert

Die Stadt Dorsten entwickelte eine Strategie, um Barkenberg wieder attraktiver zu machen. Dabei konnte sie auf zahlreiche engagierte Einwohner zählen. So hat beispielsweise eine Bürgerinitiative das von der Schließung bedrohte Hallenbad in Eigenregie weitergeführt. Eine Aktionsbörse wurde gegründet, um die Gemeinschaft und die gegenseitige Unterstützung der Bewohner zu fördern. Plätze und Gemeinschaftsflächen wurden neu gestaltet, um mehr Treffpunkte zu schaffen. Zudem soll die energetische Sanierung der mit Nachtspeicheröfen ausgestatteten Häuser in Angriff genommen werden - eine Geldfrage. Was die hoch verschuldete Stadt hier tatsächlich fördern kann, bleibt offen.

In Osterholz-Scharmbeck bei Bremen hat sich der Landkreis Osterholz Verbündete für ein besonderes Projekt gesucht: Die Kreissparkasse stellte ein Einfamilienhaus aus den Sechzigerjahren kostenlos zur Verfügung, Handwerksbetriebe und Architekten erstellten ehrenamtlich ein Umbaukonzept für seniorengerechtes Wohnen. Seit der Eröffnung dieses Musterhauses im Jahr 2013 haben sich mehr als 2500 Hausbesitzer darüber informiert, was sie mit wenig Aufwand verändern können, um möglichst lang in ihren vier Wänden wohnen zu können.

Gleichzeitig hat die Stadt zur Aufwertung eines Wohngebietes einen "Bildungscampus für lebenslanges Lernen" geschaffen. Dafür wurde ein Gebäude umgebaut; heute befinden sich darin die Volkshochschule und eine Begegnungsstätte. Dazu kamen zwei Neubauten: eine Oberschule und ein Medienzentrum mit Bibliothek, Archiv und Mensa. Mit dem Angebot sollen speziell Jüngere in den Stadtteil gelockt werden. Die Stadt setzt bei ihrer Strategie den Schwerpunkt auf die Innenentwicklung und Sanierung, die Zahl der Neubauten ist gering.

In Aalen in Baden-Württemberg entstand ab 1958 die sogenannte "Triumphstadt" als Werksiedlung der Firma Triumph Miederwaren. Sechs unterschiedliche Bautypen bestimmten das Gesamtbild der insgesamt 580 Wohneinheiten. Hier lebten einst knapp 2000 Einwohner, heute sind es nur noch 1400. Das Aussehen des Quartiers hat sich mit den Jahren natürlich gewandelt, durch neue Farben, Türen, Fenster, Rollläden und Vordächer. Aus Vorgärten wurden nicht selten Parkplätze, einige Häuser wurden aufgestockt. Um dennoch eine gewisse Einheitlichkeit zu wahren, hat die Stadt einen Gestaltungsplan aufgestellt und den Bebauungsplan geändert. Nicht ohne Grund zeigt man sich großzügig - in der ursprünglichen Form sind die Häuser wegen ihrer knapp bemessenen Grundrisse gerade für junge Familien oft nicht attraktiv. Je nach Gebäudetyp gibt es unterschiedliche Optionen, die Aufstockungen, Eingangsvorbauten und Wintergärten ermöglichen. Für Kaufinteressenten besteht damit Rechtssicherheit in der Frage, welche Veränderungen erlaubt sind.

Das löse aber nicht alle Probleme in der Triumphstadt, wie Christina Simon-Philipp und Josefine Korbel, die Autorinnen der Wüstenrot-Studie, betonen: "Das Nahversorgungsangebot schwindet, es gibt einen Mangel an öffentlichen Grünflächen und Treffpunkten. Bislang liegt kein integriertes Entwicklungskonzept vor."

Ein Hauptproblem bei den Häusern der Fünfziger- bis Siebzigerjahre bleibt der hohe Sanierungsstau. In Stade-Hahle etwa gibt es 1500 Wohneinheiten aus dieser Zeit. Dort hat die Stadt ein Reihenmittelhaus mit 85 Quadratmetern Wohnfläche erworben, um es zu modernisieren. Interessierte können dabei Einblick in die "gläserne Baustelle" nehmen, über Filme im Internet und per Bautagebuch verfolgen, wie ein Effizienzhaus 55 mit einer Pelletheizung entsteht. Die Sanierung kostet 80 000 Euro, davon sind 15 000 Euro Fördermittel. Die Verbraucherzentrale Stade bietet dazu eine kostenlose Energieberatung für Hausbesitzer an und unterstützt sie bei der Beantragung von Fördergeldern.

Nach Ansicht der Autorinnen hängt der Erfolg der Modellprojekte vor allem vom Einsatz der Kommunen ab. Bewusstseinsbildung und Kommunikation seien die wichtigsten Bausteine der Programme, so das Fazit der Autorinnen. "Auch wenn wenige finanzielle und personelle Kapazitäten zur Verfügung stehen, können mit Engagement und Kreativität beispielgebende Initiativen ins Leben gerufen werden. So kann es gelingen, bestehende Strukturen zu stabilisieren, Immobilienwerte zu erhalten, Wohnquartiere zu verjüngen, die Infrastrukturauslastung zu verbessern und die nachhaltige Siedlungsentwicklung voranzubringen."

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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