Steueraffäre:Die Steuerhinterzieher schlagen zurück

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Dem einen reichen die erstrittenen Millionen nicht - die anderen wollen jetzt ebenfalls Geld: Bis zu 30 Steuerhinterzieher verklagen ihre Bank in Liechtenstein.

Uwe Ritzer

Exakt 175 Seiten umfasst das Urteil samt Begründung des Fürstlichen Landgerichts zu Vaduz in Liechtenstein. Er werde den umfangreichen Richterspruch mit seinem Mandanten "in aller Ruhe und sehr sorgfältig analysieren", sagt der Münchner Rechtsanwalt Bernhard Gimple.

Banken in Liechtenstein: Kläger werfen der Ex-LGT-Tochter vor, sie nicht umgehend darüber informiert zu haben, dass einer ihrer Mitarbeiter im Jahr 2002 Kundendaten gestohlen hatte. (Foto: Foto: ddp)

Eine wichtige Entscheidung habe besagter Mandant, der deutsche Steuersünder Elmar S., allerdings bereits getroffen. Die 7,3 Millionen Euro plus Zinsen, die ihm das Vaduzer Gericht als Schadenersatz zugesprochen hat, sind dem Immobilienkaufmann aus Bad Homburg zu wenig. Elmar S. wird daher Berufung gegen das Urteil einlegen.

Umgekehrt sieht die beklagte Fiduco Treuhand AG, eine ehemalige Tochtergesellschaft der Liechtensteiner Fürstenbank LGT, nicht ein, weshalb sie S. überhaupt Schadenersatz zahlen soll.

Daher hat auch sie gegen das Urteil Berufung angekündigt. Voraussichtlich vom kommenden Herbst an wird der Fall S. in zweiter Instanz vor dem Fürstlichen Obergericht in Vaduz neu aufgerollt.

Dabei wird es allerdings nicht bleiben, denn auf die Justiz des kleinen alpinen Fürstentums rollt aus Deutschland eine Klagewelle zu - eine Gruppe von Anwälten bereitet derzeit nach eigenen Angaben bis zu 30 Klagen vor. Inzwischen hat eine zweite deutsche Steuersünderin Schadenersatzklage gegen die LGT-Treuhand-Nachfolgerin Fiduco eingereicht. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung handelt es sich um eine Frau aus Köln. Dem Vernehmen nach fordert sie 395.000 Euro Schadenersatz. Der Prozess soll am 23. Februar beginnen.

Der Rechtsanwalt der Frau, Christian Merz, will zu den genauen Umständen des Falles keine Angaben machen. Merz arbeitet für die Konstanzer Kanzlei Wagner und Joos, die sich ihrerseits mit zwei Liechtensteiner Rechtsanwaltsbüros zu einer Allianz zusammengeschlossen hat. Gemeinsam bereiten die Juristen, zu denen auch der frühere Liechtensteiner Justizminister Heinz Frommelt zählt, derzeit die Klagen vor.

"Diese Fälle stehen alle unmittelbar vor dem Vermittlungsverfahren", sagt Merz. Ein solches Verfahren muss nach Liechtensteiner Recht einem Schadenersatzprozess zwingend vorausgehen. Es dauert erfahrungsgemäß vier bis sechs Wochen. Da Einigungen als unwahrscheinlich gelten, könnte es somit bereits noch in diesem Frühjahr zu weiteren Schadenersatzprozessen in Liechtenstein kommen.

So unterschiedlich die Fälle in Details auch sind, in einem zentralen Punkt ähneln sie sich: Die Kläger werfen der Ex-LGT-Tochter vor, sie nicht umgehend darüber informiert zu haben, dass einer ihrer Mitarbeiter im Jahr 2002 Kundendaten gestohlen hatte. Der Mann heißt Heinrich Kieber und er verkaufte das Material sechs Jahre später für viereinhalb Millionen Euro an den Bundesnachrichtendienst (BND), der die Daten-CD umgehend an die Finanzbehörden weiterleitete. In der Folge flogen Postchef Klaus Zumwinkel, Elmar S. und viele andere Bundesbürger als Steuersünder auf.

Elmar S. gab das Vaduzer Landgericht nun dahingehend recht, dass die LGT ihn tatsächlich "pflichtwidrig zu spät vom Datendiebstahl informiert und ihm dadurch eine strafbefreiende Selbstanzeige" beim deutschen Fiskus nicht mehr möglich gewesen sei. Als Schadenersatz sprach das Gericht Elmar S. inklusive Zinsen etwa jene 7,5 Millionen Euro zu, die er im Zuge eines Prozesses vor dem Landgericht Bochum als Geldauflage bezahlen musste.

Dort wurde Elmar S. wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Zugleich stellte das Vaduzer Gericht jedoch auch fest, dass Steuern samt Nach- und Strafzahlungen prinzipiell nicht im Nachhinein als Schadenersatz geltend gemacht werden können. Damit sei aber auch die Bochumer Geldauflage für S. nicht schadenersatzfähig, argumentiert die LGT-Treuhand-Nachfolgerin Fiduco. Zudem habe man erst im Februar 2008 einen Zusammenhang zwischen dem Datenklau von 2002 und dem Fall von Elmar S. erkannt.

Elmar S. werde seine Berufung mit "individuellen Pflichtverletzungen bei der damaligen LGT Treuhand" begründen, sagt sein Anwalt Gimple. Nämlich in einem aus der Sicht von Elmar S. zentralen Punkt: Er wirft der damaligen LGT Treuhand vor, sie habe sein Geld auch in sogenannten schwarzen Fonds, beispielsweise auf den Cayman Islands, und in luxemburgischen Zero Bonds angelegt.

Diese sind in Deutschland nicht zugelassen oder extrem hoch besteuert. S. behauptet, die LGT-Treuhand-Mitarbeiter hätten ihn diesbezüglich nicht korrekt aufgeklärt und beraten, mithin also ihre Pflichten verletzt. Das Gericht stellte sich in diesem Fall auf die Seite der LGT-Treuhand/Fiduco. Ihr könne "keine Pflichtwidrigkeit, insbesondere keine Verletzung irgendeiner Aufklärungs- oder Beratungspflicht vorgeworfen werden", entschieden die Richter in Vaduz.

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