Reden wir über Geld: Ingrid Steeger:"Ich habe um 100 Euro gebettelt"

Die Schauspielerin Ingrid Steeger wurde bekannt mit der Sendung "Klimbim" - mittlerweile lebt sie von Hartz IV. Ein Gespräch über die Kunst zu lügen, ihren ermordeten Steuerberater und ihr Verhältnis zu Männern.

Alexander Hagelüken und Hannah Wilhelm

Ingrid Steeger, 63, ist schmal und klein. "Ich bin eher ein Floh als eine Dame", stellt sie gleich klar. Bekannt wurde sie einst durch Auftritte in "Schulmädchenreport"-Filmen und in der ARD-Comedy-Serie "Klimbim". In den neunziger Jahren spielte sie dann in Dieter Wedels "Der große Bellheim". Mindestens so viele Schlagzeilen wie mit ihren Rollen machte sie mit ihren Beziehungen: mit Udo Jürgens, den Schauspielern Jean-Paul Zehnacker und Bernd Seebacher, dem US-amerikanischen Umweltschützer Tom LaBlanc - und mit Dieter Wedel. Seit kurzem ist Steeger wieder in den Medien - denn ihr ist das Geld ausgegangen. Zeit für ein Gespräch.

Ingrid Steeger (rechts) und die inzwischen verstorbene Elisabeth Volkmann posierten vor fünf Jahren im Rahmen des Theaterstücks 'Die Klimbim Familie lebt'.

Ingrid Steeger (r.) und die inzwischen verstorbene Elisabeth Volkmann posierten vor fünf Jahren im Rahmen des Theaterstücks Die Klimbim-Familie lebt.

(Foto: dpa)

SZ: Ingrid Steeger, reden wir über Geld.

Ingrid Steeger: Aber ich hab doch gar keins mehr. Das wissen Sie doch.

SZ: Sie beziehen Hartz IV.

Steeger: Ich habe 18.000 Euro Mietschulden. Wir waren von 2004 bis 2006 noch mal mit der "Klimbim"-Familie auf Tour. Dann sind Elisabeth Volkmann und Horst Jüssen gestorben, Peer Augustinski bekam einen Schlaganfall. Alleine konnte ich das ja nicht spielen. Tot ist tot. Dann war alles wie abgerissen, keine Aufträge mehr. Irgendwann habe ich bei meiner Bank um 100 Euro gebettelt. Aber ich habe nichts mehr gekriegt. Die Leute sagen alle, ich sei Kult, aber vom Kult kann ich nicht leben. Jetzt gerade habe ich wieder etwas verdient.

SZ: Womit?

Steeger: Mit Talkshow-Auftritten. Das habe ich gemeldet und nun krieg ich gerade kein Hartz IV mehr. Das ist ja auch richtig so. Ich freue mich, wenn ich das Sozialamt anrufen kann und sagen kann: Ich verdiene gerade wieder Geld.

SZ: Kamen Sie mit dem Hartz-IV-Satz von 359 Euro aus?

Steeger: Ja. Ich brauche nicht viel. Ich kaufe Essen bewusster ein, Kleider habe ich noch genug, eine Freundin schneidet mir umsonst die Haare. Traurig war, dass ich meine Wohnung aufgeben und in ein kleines Appartement ziehen musste. Ich musste viele Möbel herschenken, mich von vielen Dingen trennen.

SZ: Sie wirken trotz allem optimistisch.

Steeger: Ich habe mich eine Zeit gehen lassen und viel geweint. Ach, jetzt könnte ich schon wieder heulen. Aber ich denke, es muss weitergehen. Ich denke zum ersten Mal an morgen. Ich plane und bemühe mich um Auftritte - auch das zum ersten Mal in meinem Leben. Ab Februar spiele ich eine Komödie in Kassel.

SZ: Wo ist Ihr ganzes Geld hin?

Steeger: Meine Männer waren dem Geld zugetan. Ich habe immer für zwei gearbeitet, außer in meiner Beziehung mit Dr. Dieter Wedel. Immer bin ich zu den Männern gezogen - und dann ist es nichts geworden. Mein letzter Ehemann, der amerikanische Indianer, hat mir erzählt, dass es seiner Familie so schlecht geht. Da habe ich Geld geschickt. Das war der überflüssigste Mann in meinem Leben. Und er war sehr aggressiv.

"Mein Steuerberater wurde ermordet"

SZ: Warum haben Sie ihn geheiratet?

Steeger: Eine befreundete Fotografin sollte die Hochzeitsbilder machen - gegen Bezahlung natürlich. Als ich dann absagen wollte, sagte sie: Wenn du das tust, kann ich meine Miete nicht bezahlen. Also hab ich ihn geheiratet. Und natürlich hatte ich Hoffnung.

SZ: Was haben Sie denn so verdient in Ihrem Leben?

Steeger: Ich weiß es nicht.

SZ: Sie müssen doch Steuererklärungen gemacht haben.

Steeger: Die habe ich nur unterschrieben, die Summen habe ich mir nicht angesehen. Das ist furchtbar schiefgegangen. Ich hatte Pech mit einer Beraterin. Ich hab immer Geld überwiesen und am Ende kam raus, dass ich trotzdem hohe Steuerschulden hatte. Leider hatte ich ihr Handeln nicht hinterfragt. Ich bin dann zu einem anderen Steuerberater - der war kompetent, wurde aber ermordet.

SZ: Wie bitte?

Steeger: Na der, den der Schauspieler Günther Kaufmann angeblich umgebracht haben soll. Tja. Das war mein erster guter Steuerberater. Ich habe dann meine Lebensversicherung aufgelöst und bis zum Frühjahr 2010 die Steuerschulden abgestottert.

SZ: Hatten Sie je Angst, dass es nicht reichen könnte?

Steeger: Nein, das Telefon klingelte ja immer irgendwann, früher kam immer Geld rein. Da habe ich einmal im Fernsehen über so eine Creme geredet, und schon gab es 50.000 Mark. Gut, da gehen noch Steuern ab. Und die Gebühren für Agenturen und Anwälte. Ach, ich bin so viel betrogen worden in meinem Leben. Wissen Sie, die Menschen riechen es, wenn man gutgläubig ist. Vor allem die Männer. Ich war mit einem Großwildjäger in Kenia zusammen, der baute ein Apartmenthaus und brauchte 120.000 Mark. Er schickte mich zur Bank, ich sollte mein Konto abräumen. Da habe ich zum Glück das erste Mal in meinem Leben auf den Bankmenschen gehört und das Geld nicht abgehoben. Der Großwildjäger war vielleicht sauer! Aber der war eh nicht interessant, der hat immer nur Micky-Maus-Hefte gelesen. Von dem konnte ich nichts lernen. Dr. Wedel war zwar dominant und cholerisch, aber lernen konnte ich da was.

SZ: Warum nennen Sie ihn immer Doktor Wedel?

Steeger: Weil ich so stolz darauf war. Er ist Doktor der Philosophie. Am Anfang habe ich einen Bogen um ihn gemacht, weil ich dachte: nicht schon wieder ein schwieriger Mensch.

SZ: Hat es Sie gestört, dass er noch eine andere Frau hatte?

Steeger: Ich war sehr eifersüchtig auf die Uschi, mittlerweile verstehen wir uns aber blendend. Aber ich war auch ganz froh, so hatte ich immer mal Zeit für mich und mein eigenes Leben. Aber nach fünf Jahren bin ich dann gegangen.

"Ich habe auf dem Ofen geschlafen"

SZ: Waren immer Sie es, die ging?

Steeger: Ja. Bis auf den Indianer. Der ist nach Amerika abgehauen, zum Glück.

SZ: Wann verlassen Sie Partner?

Steeger: Meine Grenze ist sehr weit hinten. Aber wenn sie erreicht ist, dann ist's vorbei.

SZ: Wie sind Sie aufgewachsen?

Steeger: Wir waren ausgebombt in Berlin und hatten eine Ein-Zimmer-Wohnung. Für fünf Personen. Meine Eltern haben sich nicht vertragen, das ist noch zärtlich ausgedrückt. Wir hatten kein schönes Zuhause. Ich hatte nie ein eigenes Bett. Ich habe entweder auf dem Ofen geschlafen oder zwischen meinen streitenden Eltern. Da bekam ich viel mit, was ich nicht mitbekommen wollte. "Die Elenden" von Victor Hugo war damals mein Lieblingsbuch. Dieses arme Mädchen, mit der habe ich mich immer verglichen, damals. Und kennen Sie das Lied: "Es steht ein Soldat am Wolgastrand"? Der Text! "Hast du dort oben vergessen auf mich? Es sehnt doch mein Herz auch nach Liebe sich. Du hast im Himmel viel Engel bei dir! Schick doch einen davon auch zu mir." Da kommen mir heute noch die Tränen. Mein Vater hat uns immer verboten, Platten oder Radio zu hören. Er hat so kleine Zeichen gemacht, um zu kontrollieren, ob wir das Radio in seiner Abwesenheit anmachten.

SZ: Um Gottes willen, hatte er nichts anderes zu tun?

Steeger: Nein. Und er hat uns verprügelt. Mit 18 bin ich ausgezogen.

SZ: Ein dominanter Vater also - haben Sie sich deshalb immer so dominante Partner gesucht und sind nie glücklich geworden?

Steeger: Natürlich. Ich habe gelernt, zu gehorchen. Wenn ich gehorcht habe, wurde ich nicht verprügelt. Und ich habe gelernt zu lügen. Ich bin drei Jahre zur Handelsschule gegangen und hatte so schlechte Noten in Buchführung. Da habe ich meinem Vater einfach erzählt, es gäbe keine Zeugnisse. Warum sollte ich mich verprügeln lassen?

SZ: Es muss eine riesige Umstellung gewesen sein, als Sie dann plötzlich mit "Klimbim" berühmt wurden ...

Steeger: ... ja, plötzlich waren alle so nett zu mir! Ich meine: Männer waren schon immer nett zu mir. Aber das war was anderes. Ich war bekannt. Damit konnte ich nicht umgehen. Ich habe dann eigentlich nur geschwiegen.

SZ: Und dann?

Steeger: Ich kam mit dem "Klimbim"-Regisseur zusammen, Michael Pfleghar. Ich war sein Eigentum. Er war streng mit mir. Ich habe mehr geweint bei den Dreharbeiten als gelacht. Er hat die Komik aus mir herausgeprügelt. Ich habe mich noch während der "Klimbim"-Zeit von ihm getrennt. Später hat er sich dann erschossen, er hat Rauschgift genommen.

"Es war mir so peinlich"

SZ: Sie waren oft traurig in Ihrem Leben, nein?

Steeger: Die Trauer gehört zu den ganzen Trennungen dazu. Ich hätte gerne eine längere Beziehung, aber es waren nicht die richtigen Männer für ein Leben. Wissen Sie, was ich niedlich finde? Wenn ich zwei alte Menschen Hand in Hand die Straße entlanggehen sehe. Das rührt mich. Die sehen oft beide gar nicht mehr so gut aus. Aber wenn man zusammen alt wird, spielt das ja überhaupt keine Rolle. Nun gut, aber das werde ich nun wohl nicht mehr erreichen.

SZ: Vielleicht verlieben Sie sich wieder.

Steeger: Ich möchte es nicht. Es wiederholt sich doch nur alles. Und jetzt nicken Sie nicht so, Sie können das nicht wissen, Sie sind noch so jung.

SZ: Ihre Männergeschichten klingen einfach so, als hätten sie sich wiederholt.

Steeger: Ja. Erst sind sie freundlich, sie reden nett. Und dann ...

SZ: Bereuen Sie?

Steeger: Nein. Ich habe eben immer die verwöhnt, die ich liebte. Es waren alle so freundlich zu mir, wenn ich was gegeben habe, wissen Sie? Ich habe vieles falsch gemacht, ich bin selbst schuld an meiner Misere. Aber ändern kann ich es nicht. Nur die Gegenwart und die Zukunft, die kann ich ändern.

SZ: Und nun haben Sie nichts mehr. Sind die Menschen jetzt auch noch nett?

Steeger: Es war mir so peinlich, ich hätte es gerne verschwiegen. Aber ich muss sagen: So viele helfen mir. Mhm, eigentlich habe ich eher das Gefühl, mehr Freunde zu haben als früher.

SZ: Wurmt Sie das Alter?

Steeger: Die Krankheiten. Ich hatte eine Schleimbeutelentzündung im Knie. Im Krankenhaus habe ich mir eine Infektion zugezogen. Ich hab Glück, dass mein Bein noch dran ist. Aber man hat mir dort meinen einzigen Schmuck geklaut.

SZ: Was war das für Schmuck?

Steeger: Eine Goldkette mit einem Anhänger, ein gelber Saphir mit Brillanten, umrahmt in Herzform. Die hatte ich mir selbst gekauft. Die Ringe, die mir die Männer geschenkt haben, habe ich Freundinnen gegeben. Will ich denn jeden Tag dran erinnert werden? Nein. Die Freundinnen haben sich immer gefreut.

SZ: Das können wir uns vorstellen.

Steeger: Jetzt habe ich gar nichts mehr. Aber das stört mich eigentlich auch nicht.

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