Merkel rüffelt Krankenkassen:Zusatzbeiträge - ab jetzt Chefsache

Lesezeit: 2 min

Ärger um den Acht-Euro-Obolus: Die Kanzlerin stänkert, Ministerin Aigner redet vom Rechtsverstoß, aber die Kassen bleiben stur. Sie spielen den Schwarzen Peter zurück.

Eigentlich wollten sie den Sturm der Entrüstung bremsen. Die gemeinsame Pressekonferenz mehrerer Krankenkassen am Montag diente vor allem einem Zweck: Je mehr Kassen sich als bedürftig outen, desto glaubwürdiger ist die Forderung nach Zusatzbeiträgen. Soweit die Theorie.

Ab Februar wollen die DAK und eine Reihe anderer Krankenkassen Zusatzbeiträge erheben - die Politik ist verärgert. (Foto: Foto: dpa)

Die Realität sieht anders aus. Verärgert nimmt die Politik das Gebaren der Kassen zur Kenntnis. Selbst die Kanzlerin ist deutlich verstimmt.

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion habe Angela Merkel angekündigt, man werde sich genau anschauen, was die Kassen da machen, berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf Teilnehmer der Sitzung. "In anderen Fällen wäre das ein Fall für das Kartellamt", habe die Kanzlerin gesagt.

Unverständnis zeigte Merkel demnach vor allem dafür, dass gleich mehrere Kassen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, den Zusatzbeitrag von acht Euro zu erheben, obwohl die Situation der Kassen, vor allem ihre Rücklagen, sehr unterschiedlich seien.

Kritisch habe sich Merkel auch mit Äußerungen von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) auseinandergesetzt. Es habe keinen Sinn, immer wieder mit Vorschlägen für die Einführung einer Kopfpauschale voranzupreschen, sagte Merkel laut Teilnehmern. Sie verwies auf die 2011 geltende Schuldenbremse. "Dann soll Herr Rösler mal schauen, wie er das haushaltsneutral hinbekommt", wurde Merkel zitiert.

Nachteile für Geringverdiener

Wut und Ärger ziehen sich quer durch die schwarz-gelbe Koalition. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hält die spontane Einführung gar für rechtswidrig.

"Der Zusatzbeitrag darf nicht schon zum 1. Februar 2010 eingefordert werden", sagte sie der Rheinischen Post. "Eine Krankenkasse muss ihre Mitglieder spätestens einen Monat, bevor der erste Beitrag fällig wird, auf die Erhöhung hinweisen." Die DAK zum Beispiel hatte angekündigt, ab Februar acht Euro extra nehmen zu wollen. "Die Informationspolitik der Kassen ist nicht akzeptabel", so Aigner.

Und die Kassen? Spielen den Ball zurück ins Feld der Politik. Birgit Fischer, die Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Kasse Barmer GEK, sagte, derzeit entstünde der Eindruck, als sei dies eine Entscheidung der Krankenkassen. "Das ist es nicht", sagte die ehemalige SPD-Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen der Zeitung Neues Deutschland. "Man lässt die Versicherten in die Situation hineinlaufen, hält die Krankenkassen unter Druck und forciert gleichzeitig ein neues Finanzierungssystem als Lösung, die Kopfpauschale." Das sei Stimmungsmache auf dem Rücken der Patienten.

Für Ärger sorgt zudem, dass Geringverdiener besonders unter den Zusatzbeiträgen leiden werden. Das Bundesfinanzministerium habe bestätigt, dass die Beiträge genauso wie die normalen Kassenbeiträge als Sonderausgabe steuerlich absetzbar seien, berichtet die Berliner Zeitung.

Davon profitierten aber nur diejenigen, die nennenswert Steuern zahlen. Für sie reduziere sich dadurch der Zusatzbeitrag. Wer keine oder nur wenig Steuern zahle, bleibe dagegen auf dem vollen Betrag sitzen.

© sueddeutsche.de/dpa/apn/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: