Krankenkassen:Rücklagen im Gesundheitssystem so hoch wie nie

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Es wäre ein einmaliger Überschuss in der Geschichte der Bundesrepublik: Auf bis zu 27 Milliarden Euro könnten die Rücklagen im Gesundheitssystem steigen. Doch trotz der immensen Reserven werden die Versicherten wohl leer ausgehen - vorerst.

Guido Bohsem

Die Rücklagen im Gesundheitssystem werden in diesem Jahr noch einmal kräftig steigen. Davon geht der Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) fest aus. "Wir rechnen damit, dass die positive Einnahmeentwicklung weitergeht", sagte die GKV-Vorsitzende Doris Pfeiffer am Freitag. Auf eine konkrete Summe wollte sie sich allerdings nicht festlegen. Die schwarz-gelbe Koalition geht von einem kräftigen Plus von bis zu 35 Prozent aus. Damit würden die Finanzreserven im Gesundheitsfonds und bei den Kassen auf knapp 27 Milliarden Euro steigen.

Geht es nach dem Willen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), soll in den kommenden zwei Jahren alles so bleiben, wie es ist. (Foto: dpa)

Eine derartige Finanzrücklage wäre einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. Zwar hat es in der Vergangenheit schon Überschüsse gegeben. Ein derartig hoher Betrag hat sich jedoch niemals angesammelt. Die Entwicklung ist der nach wie vor günstigen Konjunktur und der niedrigsten Arbeitslosigkeit seit mehr als 20 Jahren zu verdanken. Ein großer Teil der Überschüsse kommt zustande, weil die Koalition den Beitrag Anfang 2011 um 0,6 Punkte auf 15,5 Prozent des Bruttolohns angehoben hat. Zudem wurde ein Sparpaket für die Pharmabranche in Kraft gesetzt und der Ausgabenanstieg bei Krankenhäusern gedämpft.

Weder in diesem noch im kommenden Jahr werde eine Kasse ihrer Einschätzung nach Zusatzbeiträge erheben müssen, sagte Pfeiffer. Dies könne auch für 2014 gelten. Voraussetzung sei aber, dass es keinen dramatischen Konjunktureinbruch in Folge der Euro-Krise oder üppige Wahlgeschenke der schwarz-gelben Koalition zu Lasten der Krankenkassen geben werde. "Ich kann derzeit keine dramatischen Bilder zeichnen. Das will ich auch gar nicht", sagte Pfeiffer.

Trotz dieser ungewöhnlich positiven Lage widersprach Pfeiffer allen Forderungen nach einer Entlastung der Beitragszahler. Für eine generelle Beitragssenkung seien die Rücklagen nicht groß genug. Derzeit kämen die Versicherer lediglich 29 Tage mit dem angesammelten Kapital aus, also keinen ganzen Monat.

In Kreises des Spitzenverbandes wurde darauf verwiesen, dass die Finanzreserven unter den Kassen äußerst ungleich verteilt sei. Manchen ginge es trotz der guten Rahmenbedingungen nicht gut. Deshalb könne die von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) geforderte Abschaffung der Praxisgebühr auch dazu führen, dass ein oder zwei große Kassen Zusatzbeiträge einführen müssten. Mit der Gebühr nehmen die Versicherer etwa zwei Milliarden Euro im Jahr ein.

Andere Kassen hingegen würden eine solche Einnahmekürzung locker überstehen, hieß es. Darunter zählen die Techniker sowie die Hanseatische Krankenkasse und die IKK Gesund Plus. Deren Überschüsse waren zuletzt so hoch, dass sie nach Einschätzung des Bundesversicherungsamtes (BVA) über den gesetzlich erlaubten Höchstgrenzen lagen. Das BVA hatte die drei Kassen deshalb aufgefordert, eine Prämie an ihre Mitglieder auszuschütten oder die Leistungen für die Versicherten auszuweiten. Ansonsten würden sie dazu gezwungen, hatte BVA-Präsident Maximilian Gaßner gesagt. Nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes bleibt dies aber eine leere Drohung: "Diese Geschichte wird im Sand verlaufen", hieß es.

Geht es nach dem Willen des Verbandes, soll in den kommenden zwei Jahren alles so bleiben, wie es ist. Erst wenn die Überschuss-Situation auch im Jahr 2014 anhalte, müsse man sich überlegen, wie man damit umgehe, sagte Pfeiffer. Bis dahin würden die Kassen das Geld sehr sicher, wenn auch zu niedrigen Zinsen, anlegen.

© SZ vom 09.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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