Schwarz-gelbe Steuersenkungen:Sieben Milliarden für die Bürger - vielleicht

Zwei Jahre hat es gedauert - jetzt sollen sich CDU und FDP einig sein: Das Wahlversprechen, Steuern zu senken, werde eingelöst, heißt es. Finanzminister Schäuble will sich mit Wirtschaftsminister Rösler auf Entlastungen in Höhe von sechs bis sieben Milliarden Euro verständigt haben. Doch die CSU ist in die Beschlüsse nach eigenen Angaben nicht eingeweiht. Und die SPD kündigt an, die Pläne im Bundesrat blockieren zu wollen. Also zurück auf Anfang?

Die Staatskasse ist leer - doch wen kümmert das: Nach jahrelangem Streit haben sich CDU und FDP auf ein Konzept zur Steuersenkung geeinigt. Durch eine Reduzierung der sogenannten kalten Progression sollen die Steuerzahler jährlich um etwa sechs bis sieben Milliarden Euro entlastet werden, teilte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit. Eine Einigung in der Koalition stehe allerdings noch aus, räumte Schäuble ein.

Denn nach Informationen von sueddeutsche.de spielt der kleinste Koalitionspartner nicht mit. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer dementiert die Meldung. "Mit uns gibt es da keine Einigung", sagte Seehofer am Donnerstag am Rande einer Landtagssitzung in München. Der CSU-Chef reagierte verärgert und nannte Schäubles und Röslers Vorgehen "sehr ungewöhnlich": "So geht es nicht, dass man Fakten in der Öffentlichkeit schafft, die wir dann abnicken sollen. Punkt." Die Koalitionsspitzen treffen sich am Freitag in Berlin.

Seehofer betonte, dass es weder eine Verständigung über Volumen noch Zeitpunkt einer Steuerreform gebe - "außer der Erklärung, die wir im Juli unterschrieben haben". Damals hatten sich die Koalitionsspitzen grundsätzlich darauf verständigt, kleinere und mittlere Einkommen zum 1. Januar 2013 steuerlich zu entlasten und die sogenannte kalte Progression zu mindern. Konkrete Beschlüsse hatte es aber nicht gegeben.

Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt wies die Berichte zurück. "Über die Steuerentlastungen ist noch nicht entschieden", sagte Dobrindt am Donnerstag und fügte hinzu: "Damit wird sich erst morgen die Spitzenrunde der Regierungskoalition befassen." Die CSU lege Wert darauf, dass alle finanzwirksamen Entscheidungen gemeinsam und nicht isoliert behandelt würden - "gerade im Hinblick auf die sich abschwächende Konjunktur".

Laut Schäuble soll der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer angehoben werden, um die kalte Progression zu reduzieren und auf diese Weise vor allem kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Der Finanzminister dämpfte allerdings die Erwartungen: Die Pläne würden "nicht zu dramatischen Entlastungen" bei den einzelnen Steuerpflichtigen führen.

Die kalte Progression tritt ein, wenn Lohnerhöhungen gerade nur ausreichen, um die allgemeinen Preissteigerungen abzudecken, die Steuersätze aber nicht angepasst werden. Vorgesehen ist den Berichten zufolge ein Mechanismus, mit dem alle zwei Jahre die Wirkung der kalten Progression berechnet und gegebenfalls korrigiert wird. Es soll aber keine automatische Anpassung geben, da diese zu verstärkten Inflationstendenzen führen könnte.

SPD erteilt Steuerplänen eine klare Absage

Die Koalition verzichte mit dem Schritt auf Steuermehreinnahmen, die vom Gesetzgeber so nicht gewollt gewesen seien, sagte Schäuble. Mit der zwischen ihm und Rösler getroffenen Entscheidung sei die klare Aussage verbunden, dass die Regierung aus dem Mechanismus einer dauerhaften Steuererhöhung aussteige. Rösler betonte: "Wir starten mit dem Ausstieg aus der Kalten Progression und dem Einstieg in eine dauerhafte Steuergerechtigkeit." Die Belastung wird gesamtstaatlich verteilt auf Bund, Länder und Gemeinden.

German Finance Minister Schaeuble and Economy Minister Roesler hold news conference in Berlin

Wirtschaftsminister Rössler und Finanzminister Schäuble bei einer Pressekonferenz: Offenbar hat sich die Koalition nach langem Streit auf Steuersenkungen geeinigt.

(Foto: REUTERS)

Schäuble begründete den Schritt unter anderem mit gestiegenen Steuereinnahmen und der guten Haushaltsentwicklung angesichts der positiven wirtschaftlichen Entwicklung. Die Neuverschuldung des Bundeshaushalts werde im laufenden Jahr deutlich unter 30 Milliarden Euro liegen und damit klarer als erwartet unter den Annahmen. "Das ist eine höchst erfreuliche Entwicklung", sagte Schäuble.

Die Vorschläge dürften allerdings hinter den Plänen zurückbleiben, mit denen Schwarz-Gelb 2009 die Bundestagswahl gewonnen hatte. Selbst die FDP nahm in den vergangenen Wochen Abstand von allzu radikalen Kürzungsplänen, weil die Finanzkrise den Spielraum massiv einschränke. Die Liberalen waren im Wahlkampf fast ausschließlich mit der Forderung nach Steuersenkungen angetreten und hatten so mehr als 14 Prozent der Stimmen gewinnen können.

Weil die Steuerpläne allerdings im Bundesrat noch scheitern können, richtet sich der Blick jetzt auf die Opposition. Sicherlich wolle sich niemand "vorwerfen lassen, dass er sich schleichend bereichern will", sagte Rössler. Wenn die SPD das Entlastungsangebot nicht annehme, müsse sie dies vor dem Bürger vertreten: Dann könnten die Sozialdemokraten ja zeigen, "ob sie noch einen Rest an Arbeitnehmerpartei in sich tragen".

Die SPD hat unterdessen bereits angekündigt, die Pläne im Ländergremium, in dem Schwarz-Gelb keine Mehrheit hat, blockieren zu wollen. "Wer angesichts enormer finanzieller Risiken durch Euro-Rettung und schwächelndes Wirtschaftswachstum jetzt Steuersenkungen von sechs bis sieben Milliarden Euro verspricht, handelt unverantwortlich", sagte der Vorsitzende Sigmar Gabriel und warnte vor "Steuersenkungen auf Pump".

Finanzminister Schäuble wolle sich wohl die Zustimmung der FDP für die Euro-Rettungspakete kaufen. "Die Bürgerinnen und Bürger werden diesen Kuhhandel zwischen Union und FDP durch höhere Kita-Beiträge, weniger Lehrer und Polizisten in den Ländern und Gemeinden bezahlen müssen", betonte Gabriel. Schwarz-Gelb verstoße damit gegen die Schuldenbremse in der deutschen Verfassung, "die wir gerade den Krisenstaaten in Europa empfehlen". Für die SPD habe der Abbau der Neuverschuldung und die Einhaltung der Schuldenbremse absoluten Vorrang.

Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erteilte den schwarz-gelben Steuerplänen eine klare Absage. "Wir brauchen in der aktuellen Lage keine Steuersenkungen", erklärte Steinmeier mit Blick auf die Euro-Krise. "Wer die Turbulenzen in Europa nutzt, um mal so eben nebenbei sieben Milliarden Steuersenkungen zu verkünden, der handelt unverantwortlich." Es sei doch mit den Händen zu greifen, "dass dies ein Geschenk für die siechende FDP und ihre Klientel ist, um sie von weiteren Irrwegen in der Europapolitik abzuhalten".

Auch Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn erklärte: "Steuerentlastungen auf Pump sind das falsche Signal." Stattdessen sollten zusätzlich vorhandene Mittel in die Energiewende und den ökologischen Umbau der Wirtschaft gesteckt werden.

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