Hamburg:Singles und Manschettenknöpfe

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In den "Creative Blocks" in der Hamburger Hafencity soll eine ganz besondere Mischung von Wohn- und Arbeitsformen entstehen.

Von Sabine Richter

Hamburgs jüngster Stadtteil Hafencity ist für viele Superlative gut. Hier stehen ein aufsehenerregendes Konzerthaus, die teuersten Wohnungen der Stadt, viele prämierte Bürogebäude und von 2021 an das größte Einkaufszentrum der Stadt. Auch der neue Baublock am Baakenhafen, größtes Hafenbecken der Hafencity, wird etwas Außergewöhnliches werden. "Creative Blocks" nennen die städtischen Planer das Projekt, das in gut zwei Jahren fertiggestellt sein wird und eine ungewöhnliche Vielfalt an Wohn- und Arbeitsformen auf relativ engem Raum (26 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche) bietet.

Wie dieses Gebäudeensemble am Wasser aussehen wird, wurde im Rahmen eines Architekturwettbewerbs in Kooperation mit der HafenCity Hamburg GmbH und der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen entschieden. Die Entwürfe der drei Architekturbüros aus Frankfurt, Köln und Kopenhagen, die das Rennen gemacht haben - KSP Jürgen Engel Architekten Braunschweig, WERK Arkitekter, Kopenhagen und Büro kister scheithauer gross architekten und stadtplaner, Köln/Leipzig - haben jeweils sehr eigenwillige Architektursprachen entwickelt, die die unterschiedlichen Nutzungen betonen.

"Produkte mit Seele und Geschichte, kein unbezahlbarer Luxus, darauf kommt es uns an."

Es handelt sich um drei Gebäude mit insgesamt 178 Wohnungen, etwa ein Drittel davon öffentlich gefördert. In dem einen plant die Hamburger Garbe Immobilien-Projekte GmbH 46 Eigentumswohnungen mit zwei Zimmern und 45 bis 80 Quadratmeter Größe. Zielgruppe des Co-Living-Projekts sind Singles, die allein leben wollen, sich aber auch eine nachbarschaftliche Gemeinschaft wünschen. Dafür wird es auf den Etagen und im Erdgeschoss des Hauses besondere Angebote geben. Sieben Wohnungen teilen sich jeweils ein großes Wohnzimmer mit Balkon zum Wasser, geplant ist auch ein Yogaraum, ein schallisoliertes Musikzimmer, eine Bibliothek sowie ein Gästeappartement, das von jedem Bewohner zusätzlich angemietet werden kann. Die Bauherren denken an zehn bis 15 Prozent der Gesamtfläche, die Käufer ohne Aufschlag nutzen können. Die Wohnungen sollen ab circa 200 000 Euro zu haben sein.

"Wir hatten lange überlegt und mit vielen Freunden und Geschäftspartnern gesprochen, welches Angebot in der Hafencity fehlen könnte und sind so auf dieses Konzept gekommen," sagt Fabian von Köppen, Geschäftsführer der Garbe Immobilien-Projekte GmbH. Für Studenten und Senioren gebe es genügend gute Angebote, aber nicht für Singles oder auch Berufspendler, die sich in normalen Mietshäusern leicht isoliert oder als Fremdkörper fühlen. Das Hamburger Immobilien-Unternehmen wird auch ein zweites Gebäude in dem Ensemble bauen, das ebenfalls ein ungewöhnliches Nutzungskonzept vorsieht. In den oberen Stockwerken wird es frei finanzierte und geförderte Wohnungen geben, die unteren Geschosse ähneln aber einer großen Markthalle. Hier sollen sich auf 3000 Quadratmetern zehn bis zwölf kleine Manufakturen ansiedeln, die dort produzieren und ihre Produkte im Rahmen von Veranstaltungen und Sonderausstellungen präsentieren und auch verkaufen können. Besucher sollen den Handwerkern bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen können, für Hamburger und Touristen soll es Führungen geben. Mieter und Ideengeber ist die kleine Uhrenmanufaktur Fischer& Cie., die handgefertigte Uhren zu Preisen von 4000 bis 15 000 Euro herstellt. "Grundsätzlich ist es kostenintensiv, sich im Luxusumfeld bekannt zu machen. Klassische Werbung funktioniert im Manufakturumfeld nicht, daher muss man probieren, mit guten Ideen seine Kunden zu adressieren", sagt Geschäftsführer Axel Kmonitzek. Derzeit werden passende Bewerbungen gesichtet. "Produkte mit Seele und Geschichte, kein unbezahlbarer Luxus, darauf kommt es uns an", sagt Kmonitzek. "Das können handgefertigte Manschettenknöpfe, Schuhe, Anzüge oder kaltgeschleuderter Honig sein. Attraktive Konzepte die sich ergänzen und Synergien herstellen". Dafür kann er sich auch vorstellen, die ohnehin überschaubare Miete quer zu subventionieren.

Zwischen diesen beiden Nutzungsschwerpunkten wird die Baugemeinschaft "HalbInsulaner" ein ebenfalls ungewöhnliches Wohn-Arbeitsprojekt umsetzen. Dahinter stecken 26 Architekten und andere Freiberufler aus den Bereichen Kreativwirtschaft, Architektur, Wohnen und Medien, die in dem auffallend weißen Gebäude (Werk Arkitekter) ihre Büros oder Gewerbeeinheiten haben und nebenan mit ihren Familien wohnen.

Dazu gehören auch Kerstin Heyroth und Ralf Kürbitz, zwei der vier Initiatoren und Geschäftsführer der Baugemeinschaft. Die beiden Architekten werden mit ihrer Familie in eine 115 Quadratmeter große Wohnung ziehen, das 130 Quadratmeter große Architekturbüro mit vier bis fünf Mitarbeitern wird direkt Tür an Tür liegen. "Natürlich wird da auch mal am Küchentisch ein Projekt besprochen", sagt Kürbitz. Dass Arbeit und Freizeit dann nicht mehr zu trennen sind, sieht er nicht als Problem: "Es ist wichtig, dass es eine Bürotür gibt, die man zumachen kann - unser Privatleben ist privat. Wir empfinden es aber als Bereicherung für unsere Familie, wenn wir so kurze Wege zwischen Arbeit und Wohnen haben, dass derjenige, der in den typisch-selbständigen Randzeiten wie Abends oder am Wochenende noch etwas zu arbeiten hat, trotzdem ins Familienleben eingebunden bleiben kann."

Die HalbInsulaner wollen sich über die Hausgemeinschaft hinaus auch für die Nachbarschaft des Quartiers öffnen. Dazu dient das "KreaTiefgeschoss", eine über drei Geschosse reichende, 300 Quadratmeter große Gemeinschaftsfläche an der Öffnung zur Elb-Promenade, die auch den Bewohnern des Stadtteils offen stehen soll. Die Ideen dafür sind vielfältig und könnten von Flohmärkten, über Sportkurse, Geburtstagsfeiern, Kinoabende bis hin zu Kochevents reichen. Auch die Gewerbetreibenden sollen die Fläche nutzen dürfen.

Im Herbst 2018 sollen die Bautrupps anrücken, im ersten Halbjahr 2020 soll das Projekt fertig sein. Die Garbe Immobilien-Projekte GmbH will 75 Millionen Euro investieren, die Baugemeinschaft knapp 19 Millionen Euro.

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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