Finanzberater:Drücker, Übersetzer, Kundenversteher

Für viele Verbraucher sind Finanzberater die Buhmänner der Krise. Ein Problem der Branche: Es ist nicht geklärt, wer für den Job überhaupt qualifiziert ist.

M. Zydra

Die Finanzkrise hat viel Misstrauen geschürt im Verhältnis zwischen Bankkunden und Finanzberater. Eigentlich sollte man annehmen, dass dieser Vertrauensverlust die Kreditinstitute animiert, es künftig besser zu machen. Doch der Gewerkschafter Mark Roach sieht dafür keine Anzeichen. "Der Verkaufsdruck mit Zielvorgaben ist immer noch enorm, wie uns Betriebsräte bestätigen, und es wird verkauft, was verkauft werden soll - und das ist nicht immer das Beste für den Kunden", sagt der Gewerkschaftssekretär in der Bundesverwaltung Verdi, Fachgruppe Banken. Zudem hätten Banken aus Kostengründen die Weiterbildungsausgaben gekürzt. "Mitunter darf nur einer aus der Abteilung hingehen, der muss dann den Kollegen später zwischen Tür und Angel berichten, was er gelernt hat", sagt Roach.

Beratung, Foto: istock

Finanzberater sind im Zuge der Finanzkrise besonders in die Kritik geraten. Besonders schlimm: Es gibt kein einheitliches Qualifikationsniveau.

(Foto: Foto: istock)

Sein Befund verstört, denn alles scheint so weiterzulaufen wie vor der Krise. Dem Bankberater kann man da kaum einen Vorwurf machen, denn der Fehler liegt im System. Banken verdienen nur dann, wenn sie Produkte verkaufen. "Die Bankkaufleute sind eigentlich ordentlich ausgebildet, doch der Verkaufsdruck macht alles zunichte", sagt Roach.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) plant einen Gesetzesentwurf, der die Qualifikation von Finanzberatern einheitlich regeln soll. Bislang gibt es keine vorgeschriebene Mindestqualifikation für den Beraterjob. Auch die Weiterbildung ist nicht geregelt. "Vor allem bei Strukturvertrieben wie AWD und MLP müssen gar keine Qualifikationen vorgewiesen werden", bemängelt Roach. Dabei benötigten freie Berater eine grundsätzlich höhere Qualifikation, sagt Ulf Niklas, Sprecher der Bundesinitiative der Honorarberater. "Schließlich treten sie am Markt eigenständig auf, haben keine Expertenabteilung im Hintergrund und müssen den Kunden auch selbst überzeugen."

Risiko in einfachen Zahlen

Doch welches Qualifikationsniveau für Finanzberater stellt sicher, dass der Kunde eine gute Dienstleistung erhält? Reicht die Banklehre, muss es ein Fachwirtabschluss sein oder gar ein Certified Financial Planner (CFP), der als Königsabschluss in dieser Fachrichtung gilt? Die CFP-Ausbildung kann alles in allem 20.000 Euro kosten und stellt enorme Anforderungen. Kaum vorstellbar, dass dieser Abschluss von der Mehrheit der Kandidaten zu schaffen ist. Und vielleicht muss es ja auch gar kein CFP sein.

"Der Finanzberater ist kein Vermögensverwalter, es ist viel zu aufwendig, ihn so auszubilden, dass er alle Finessen der Portfoliotheorie kennt", sagt Andreas Hackethal, Professor an der Goethe Business School des House of Finance in Frankfurt. Sein Rat: Der Berater solle Übersetzer für den Kunden sein und vor allem eine wichtige Frage klären. "Wie viel Risiko bist du bereit aufzunehmen, wie viel Geld willst du riskieren?", sagt Hackethal, der auch fordert, dass nicht der Berater die Produkte für den Kunden auswählt. "Die Produktauswahl soll zentral über die Bank geschehen."

Dafür müsse man Fonds, Zertifikate und andere Wertpapiere in verbindliche Risikoklassen unterteilen. "Ob in rot und grün oder mit Zahlen von eins bis zehn - die Komplexität der Finanzwelt muss so standardisiert werden, dass der Kunde sofort versteht, welches Verlustrisiko er trägt", sagt Hackethal, der nicht glaubt, dass eine hochqualifizierte Ausbildung der Berater-Kunden-Beziehung nützt. "Selbst wenn der Berater die Produkte komplett versteht, er wird das Fachwissen schlussendlich dem Kunden nicht verständlich machen können." Der Finanzberater solle vor allem Kundenversteher sein.

Mindestqualifikation gefordert

Ein Trend in Deutschland ist die Honorarberatung. Hier bezahlt der Kunde seinen Finanzberater direkt mit einem Stundenhonorar, im Gegenzug werden dem Kunden die Provisionen gutgeschrieben, die fließen, wenn er beispielsweise einen Fonds kauft. Honorarberatung hebelt den grundsätzlichen Interessenskonflikt zwischen Kunden und Berater aus. Die Branche wächst, doch nun gibt es aufgrund des Erfolgs auch die ersten Probleme. "Derzeit gesellen sich immer mehr Vermittler im Pseudo-Honorarberatergewand unter uns Honorarberater", sagt Niklas.

Deutlich werde das, wenn ein Kunde von einem anderen Honorarberater komme und den Begriff Nettotarif - das sind die Produktkosten abzüglich der Provisionen - zum ersten Mal höre. "Dann liegt die Schlussfolgerung nahe, dass ein Vermittler einfach Honorarberater auf sein Türschild schreibt und doppelt abkassiert - das Honorar und die Provision", sagt Niklas.

Schon allein deshalb fordert die Bundesinitiative der Honorarberater einen Bezeichnungsschutz und eine gesetzlich geregelte Mindestqualifikation für Honorarberater. "Bis dahin gilt es, sich vom Honorarberater schriftlich im Beratungsvertrag zusichern zu lassen, dass keinerlei Provisionen oder andere Vergütungen von dritter Seite angenommen werden", empfiehlt Niklas.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: