Europa unterstützt Griechenland:Viel Furor, viel Unwissen

Lesezeit: 2 min

Warum nur die ganze Empörung über die Griechenland-Hilfe? Ein solches Verhalten ist ärgerlich, denn auch Deutschland wird am Ende profitieren.

Cerstin Gammelin

Der deutsche Steuerzahler hat Angst, dass sein Geld in Griechenland verlorengehen könnte. Im populären Furor wird unterstellt, dass der einst als lässig und lebensfroh geltende, aber seit einigen Monaten als faul verschriene Grieche seinen ohnehin sonnigen Lebensabend mit deutschem Steuergeld finanzieren könnte, oder dass die öffentlich Bediensteten weiter üppige Gehälter erhalten, finanziert von den vielen Milliarden Euro, die die Bundesregierung bald an die Regierung in Athen überweisen wird.

Der Bund der Steuerzahler regt sich auf. Und überall im Lande sind sich Politiker, egal ob auf der Regierungsbank oder in der Opposition, nicht zu schade, die Ressentiments fleißig zu bedienen.

Sie ignorieren dabei nicht nur, dass die Realität mit den Klischees wenig zu tun hat. Viel schlimmer ist, dass die deutsche Politik bisher versagt bei der Aufgabe, die Bundesbürger sachlich zu informieren. Nicht einer aus der Regierungsspitze erklärt ruhig und ausführlich, wie es wirklich steht um das hochverschuldete Griechenland, um die gemeinsame Währung, um die Verantwortung Deutschlands in der Gemeinschaft und um deutsche Interessen.

Das Schweigen der Regierung dröhnt mittlerweile so unüberhörbar laut durch Europa, dass sich der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker genötigt sah, die aufklärerische Aufgabe zu übernehmen und wie ein Kanzler zu werben.

Juncker sprach aus, was Angela Merkel bisher verschwieg. Kurz und bündig erklärte er im Radio, dass kein europäischer Steuerzahler, und schon gar kein deutscher, Angst um sein Geld haben müsse. Für den Fall, dass die Regierung in Athen überhaupt um Geld bitte, erhalte Griechenland Darlehen, die ganz normal mit Zinsen zurückgezahlt werden müssen.

Das Verfahren kennt jeder, der schon mal eine Wohnung gekauft oder ein Haus gebaut hat. Die Bundesregierung dürfte an einem solchen Kredit sogar verdienen, da sie das Geld am Markt zu weit besseren Konditionen aufnehmen kann, als sie es dann an Athen weiterverleihen würde.

Zudem ist es keineswegs so, dass nur die Deutschen Geld leihen könnten. Nein, alle Länder mit der gemeinsamen Währung werden helfen, die Last wird nach einem fairen Schlüssel verteilt. Frankreich, Italien und Spanien werden im Notfall ebenfalls viele Milliarden Euro überweisen, obwohl deren Unternehmen bedeutend heftiger unter der Krise leiden, obwohl dort viel mehr Menschen ihren Job verloren haben, obwohl sie das Geld am Markt zu schlechteren Konditionen aufnehmen müssen.

Und warum erklärt die Bundesregierung nicht endlich, dass sie keineswegs selbstlos an Finanzhilfen denkt? Deutsche Kredite für Griechenland helfen auch der deutschen Wirtschaft. Griechenland ist für hiesige Unternehmen ein wichtiger Markt. Die Hellenen kaufen ebenso gerne deutsche Waren ein wie Bundesbürger auf den Inseln Urlaub machen. Kein Geld, kein Geschäft - so einfach ist die Wahrheit.

Nicht zu vergessen sind die Interessen deutscher Banken. Vor allem Landesbanken haben kräftig in griechische Papiere investiert, insgesamt sollen es 30 Milliarden Euro sein. Würden diese Papiere plötzlich wertlos, stünden die gerade vor Jahresfrist mit vielen Milliarden Steuergeld geretteten Institute wieder am Abgrund. Niemand schließt aus, dass sie erneut staatlich gestützt werden müssten.

Es ist gefährlich, dass die Politik dem populistischen Geplapper zu Hause nicht entschieden widerspricht. Einige europäische Staaten schauen bereits irritiert auf das große Deutschland in ihrer Nachbarschaft, dessen Bürger so gut leben, dessen Unternehmen so viel exportieren und wo dennoch das Geschrei ums Geld am größten ist. Sie wundern sich, dass die Kanzlerin zwar die Märkte zu beruhigen versucht, nicht aber ihre eigenen Bürger. Höchste Zeit, dass Merkel den Steuerzahlern ihre falsche Angst nimmt.

© SZ vom 15.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: