Euro-Krise:Finanzhilfe für Griechenland bröckelt

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Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker spricht vom Ausstieg des IWF aus den Krediten für Griechenland und schreckt damit die Märkte auf. Behielte er recht, müssten die Deutschen mehr zahlen.

Hans-Jürgen Jakobs

Die Front bröckelt, die große Einheit zur Finanzierung der griechischen Staatsschulden: Der Internationale Währungsfonds (IWF) beteiligt sich womöglich bald nicht mehr an den Krediten für Athen. Das ist ein finanzpolitischer Hammer, und es ist kein Nobody, der am Donnerstag diese Information unter die Leute bringt: Es ist Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker, der mit Andeutungen über eine Aussetzung der IWF-Hilfen für Griechenland die europäischen Finanzmärkte aufschreckt.

Erinnerung an die Drachme, aufgenommen in Athen. Die griechische Währung wurde im Jahr 2002 vom Euro abgelöst. Damit begann schleichend die große Krise des Euro. (Foto: AP)

Juncker nahm dabei auch die Europäer in die Pflicht. Wenn der IWF den für Ende Juni geplanten Kredit an das hoch verschuldete Mittelmeer-Land nicht auszahlen würde, so der Politiker, dann müssten eben die Europäer einspringen. Das erklärte der luxemburgische Premierminister etwas barock: "Wenn die Europäer zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Auszahlung vom IWF am 29. Juni nicht operativ gestaltet werden kann, ist die Erwartung des IWF, dass dann die Europäer an die Stelle des IWF treten müssen und den Ausfall des IWF-Finanzierungsanteils auf ihre Kappe nehmen."

Auf Deutsch: Die Probleme in der Euro-Zone werden für die Deutschen womöglich um Einiges teurer. Anfang der kommenden Woche wird die "Troika" - also der Dreibund aus IWF, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) - einen Bericht über die Nachhaltigkeit der griechischen Staatsfinanzen und den Reformerfolg vorlegen.

Dieser Report verheißt aber offenbar wenig Gutes. Der IWF werde seine Kredite für Griechenland nur vergeben, wenn die Refinanzierung für ein Jahr gegeben sei, erklärte Juncker - und er glaube nicht, "dass die Troika zu dem Befund kommen wird, dass die gegeben wird". Das ist noch ein Keulenschlag. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, dass die Zweifel sehr groß sind, dass Griechenland innerhalb der nächsten zwölf Monate seinen Kreditverpflichtungen nachkommen kann. Und Juncker orakelte auch noch, es werde schwierig mit der Lastenübernahme durch Deutschland und andere Euro-Staaten - zum Beispiel wegen des wachsenden Widerstands in den Parlamenten.

Der IWF teilte mit, er habe die EU-Partner um finanzielle Zusicherungen gebeten, da andernfalls Griechenland keine Hilfen mehr zur Verfügung gestellt werden könnten. Der Fonds könne dem hochverschuldeten Euro-Staat kein weiteres Geld leihen, solange er von den EU-Partnern keine finanziellen Zusicherungen erhalte, erklärte eine IWF-Sprecherin in Washington. Es wird offenbar, dass sich die internationale Institution Sorgen um mittelfristige Finanzierungslücken macht. "Wir leihen nie Geld, solange wir nicht sicher sind, dass es keine Lücke geben wird", führte die Sprecherin aus. "Damit schützen wir das Geld unserer Mitglieder."

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Um die gigantische Schuldensituation in den Griff zu bekommen, will der griechische Staat seine Schätze verkaufen. Flughäfen, Wasserwerke und Eisenbahnen kommen unter den Hammer - nur die Inseln bleiben unangetastet. Die Regierung hofft auf Milliarden, aber die Griechen misstrauen diesem Kurs. Ein Überblick über die möglichen Einnahmequellen.

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In der vorigen Woche noch war der IWF durch den Sexskandal seines langjährigen, inzwischen zurückgetretenen Managing Directors Dominique Strauss-Kahn in die Schlagzeilen geraten. Jetzt ist es der mögliche Stopp der Griechenland-Hilfe, der für Aufsehen sorgt.

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"Der Druck auf Griechenland nimmt offenbar zu, weitere Sparmaßnahmen einzuleiten", kommentierte Volkswirt Rainer Sartoris von der Bank HSBC Trinkaus. EZB-Direktoriumsmitglied José Manuel Gonzalez-Paramo betonte dagegen, er gehe davon aus, dass Griechenland die nächste Kredit-Tranche erhalten werde. Und die EU-Kommission verwies ganz offiziell auf die laufende Prüfung der Griechen-Finanzen.

Dem Euro bekamen die Juncker-Bemerkungen kurzzeitig nicht gut. Zunächst hatte das rege chinesische Interesse an den Portugal-Anleihen des europäischen Stabilitätsfonds EFSF noch für einen Kurssprung auf über 1,42 Dollar gesorgt, dann aber verbilligte sich die Gemeinschaftswährung zwischenzeitlich auf 1,4069 Dollar. Gleichzeitig flüchteten viele Investoren in den "sicheren Hafen" Bundesanleihen. Die zehnjährigen Titel zogen stark an. Im Gegenzug fiel die Rendite erstmals seit Januar unter die psychologisch wichtige Marke von drei Prozent. Die Risiko-Aufschläge für zehnjährige griechische Papiere weiteten sich im Vergleich zu den entsprechenden Bundestiteln auf 13,75 Prozent aus. Der Bund-Future, der auf der zehnjährigen Bundesanleihe basiert, war so hoch wie seit viereinhalb Monaten nicht.

Juncker habe die Märkte komplett auf dem falschen Fuß erwischt, erklärte Steven Butler, Chef-Händler bei Scotia Capital in Toronto. "Alle haben auf den Verkaufsknopf gedrückt und dann erst Fragen gestellt." Einige Börsianer hatten zuvor allerdings gewarnt, die anfänglichen Euro-Kursgewinne als Reaktion auf ein mögliches größeres chinesisches Investment in die EFSF-Bonds seien überzogen. "Dass die Nachfrage nach EFSF-Anleihen austrocknen könnte, war nie wirklich ein Risiko", schrieben die Analysten der Commerzbank.

Griechenland hat in den kommenden Wochen einen Finanzbedarf von 13,4 Milliarden Euro. Die IWF-Sprecherin nannte einige Zusicherungen, die nötig seien: Sie beträfen die fiskalpolitischen Pläne der Regierung in Athen wie auch Maßnahmen zur Förderung des Wachstums. Auch gehe es um den Verkauf von Staatsvermögen, "und schließlich darum, welche Finanzen vorhanden sind, inklusive unserer Beiträge", sagte sie.

Angesichts des wahrscheinlich negativen Berichts der Troika kommt es am Freitag in Athen zu einer Sondersitzung aller Parteichefs. Die Sitzung wird von Staatspräsident Karolos Papoulias geleitet; Ministerpräsident Giorgos Papandreou nimmt auch teil. Die größte Oppositionspartei, die Christdemokraten, sagte die Teilnahme ihres Vorsitzenden Antonis Samaras zu. Bereits am Mittwoch hatte die griechische EU-Kommissarin Maria Damanaki gewarnt, ohne die Verwirklichung eines harten Sparprogramms gehe Griechenland pleite - und das Land müsse dann raus aus dem Euro und die alte Währung Drachme wieder einführen.

Die bereits eingeleiteten Reformen werden dem IWF zufolge erst in Jahren ihre Wirkung entfalten. Man müsse "von einer zehnjährigen Anpassung ausgehen", sagte IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard: "Ich wäre überrascht, wenn wir während dieser zehn Jahre sicher sein könnten, dass dies auch wirkt."

© SZ vom 27.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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