Einzelhandel:Die Mitte ist in Mode

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Neben Wohnungen sind auch Läden in den Zentren der Metropolen sehr begehrt. Vor allem internationale Ketten drängen nach Deutschland. Abseits der gefragten Innenstädte sieht die Lage indes ganz anders aus.

Von Stefan Weber

Rechteckiger Grundriss, gute Deckenhöhe - die Anforderungen an eine Ladenfläche sind oft ähnlich denen an einen Schuhkarton. Aber es gibt mindestens drei weitere Kriterien, die die Sache sehr viel komplizierter machen als bei einer Verpackung für Wanderstiefel: Die Immobilie soll sich in einer guten, stark frequentierten Lage befinden, maximal 500 Quadratmeter groß sein und über eine gut einsehbare Fensterfront verfügen. Wenn auch diese Bedingungen erfüllt sind, sprechen Händler und Immobiliendienstleister von einer "idealen Ladenfläche". Das Verzwickte ist nur: Solche Perlen sind knapp. Und wenn eine im Angebot ist, stürzen sich viele darauf. Zumindest in Metropolen wie Hamburg, München oder Berlin.

"Gut geschnittene Ladenflächen in den Eins-a-Lagen dieser Städte sind so stark gefragt, dass die Mieten dort weiter steigen dürften - obwohl bereits ein sehr hohes Niveau erreicht ist", prognostiziert Karsten Burbach, Handelsexperte beim Immobiliendienstleister CBRE. Nach Recherchen des Immobilienspezialisten JLL sind die Mieten in den zehn bedeutendsten deutschen Einzelhandelsstandorten 2014 um durchschnittlich 3,1 Prozent gestiegen. Dieser Trend soll sich fortsetzen, wenngleich in geringerem Tempo. JLL rechnet im ersten Halbjahr 2015 mit einem weiteren Anstieg um 0,6 Prozent.

Je näher die Deadline rückt, umso größer wird der Druck: Am 24. Dezember müssen alle Geschenke besorgt sein. (Foto: Stephan Rumpf)

Vor allem international tätige Ketten sind nach Beobachtung von Burbach auf der Suche nach guten Standorten. Etwa 40 Prozent der global tätigen Einzelhändler, die CBRE kürzlich nach ihren Expansionsplänen befragt hat, gaben an, in diesem Jahr in Deutschland neue Geschäfte eröffnen zu wollen. Dabei wirken die guten wirtschaftlichen Rahmendaten und die ausgeprägte Konsumlust der Deutschen wie ein Magnet vor allem auf ausländische Modeanbieter. Die schon heute hohen Mieten in den begehrten Eins-a-Lagen großer Städte - Spitzenreiter ist München mit 370 Euro pro Quadratmeter vor Berlin mit 310 Euro - sind für viele kein Hindernis. Sie können es sich leisten. Denn im Modebusiness werden üblicherweise sehr viel üppigere Margen erwirtschaftet als in vielen anderen Branchen. Die Folge ist ein brancheninterner Wettlauf um die begehrten Standorte. "Es kommt immer wieder vor, dass Verträge über dem Spitzenmietniveau abgeschlossen werden und so zunehmend auch andere Bekleidungshändler aus den Toplagen vertrieben werden", sagt Burbach.

Nach Zahlen von CBRE nimmt die Dominanz der Modebranche in den Toplagen immer weiter zu. Gut 40 Prozent der Neuanmietungen an diesen Standorten entfielen 2014 auf Bekleidungshändler. Einschließlich der Anbieter von Schuhen und Lederwaren betrug der Anteil sogar mehr als 50 Prozent. Aktivster Mieter in den Eins-a-Lagen war im vergangenen Jahr der niederländische Lingerie-Anbieter Hunkemöller mit 18 neu eröffneten Stores. Auf Expansionskurs in Deutschland waren auch die polnische Modegruppe LLP mit dem Konzept Reserved und das britische Schuhlabel Office Shoes. Zur Überraschung vieler Branchenkenner haben inzwischen jedoch auch Drogerieketten Geschäftsmodelle entwickelt, die ihnen offensichtlich auch in teuren Eins-a-Lagen ein Auskommen bescheren. So gehörten 2014 Rossmann (14 neue Standorte) und dm (zehn neue Läden) zu den besonders expansiven Filialisten.

SZ-Grafik (Foto: N/A)

CBRE registrierte im vergangenen Jahr knapp 3000 Vermietungen von Handelsflächen. Das waren zwar geringfügig weniger als im Rekordjahr 2013, aber sehr viel mehr als in den davorliegenden Jahren. Bedingt durch seine Marktgröße führte Berlin erneut das Ranking der aktivsten deutschen Einzelhandelsstädte an. Viele internationale Anbieter betrachten die Hauptstadt als Sprungbrett nach Deutschland; hier eröffnen sie ihre Pilotstores.

Wenn es um Flächen in Eins-a-Lagen geht, interessieren sich Händler zunehmend auch für Standorte außerhalb der Metropolen. Das zeigen überdurchschnittlich viele Vermietungen in Wiesbaden, Regensburg, Krefeld und Aachen. Die hohe Flächennachfrage ist überraschend. Schließlich klagten in einer Umfrage des Handelsverbandes HDE 60 Prozent der Ladenbetreiber über sinkende Kundenfrequenzen. Selbst viele Geschäfte in den Toplagen der Metropolen verzeichnen immer weniger Besucher. Schuld daran ist nicht etwa mangelnde Konsumlust. Die gute Konjunktur, ein stabiler Arbeitsmarkt sowie niedrige Zinsen sorgen dafür, dass die Menschen in Deutschland mehr denn je bereit sind, Geld auszugeben. Aber jeder dritte Verbraucher, so hat das IFH Institut für Handelsforschung herausgefunden, kommt inzwischen seltener ins Stadtzentrum, weil er stattdessen im Netz einkauft. Das wird künftig noch stärker der Fall sein. HDE erwartet, dass in ein paar Jahren etwa 20 Prozent des Geschäfts im deutschen Einzelhandel über das Internet laufen werden. Aktuell sind es etwa neun Prozent. In einigen Branchen, etwa bei Büchern, Elektronikartikeln und auch vereinzelt bei Mode, ist der Anteil schon heute deutlich höher.

Wenn trotzdem vielerorts neue Läden eröffnet werden, so ist das für CBRE-Manager Burbach ein Indiz dafür, dass Online- und stationärer Handel stärker zusammenwachsen. Tatsächlich haben viele Internet-Verkäufer und Versandhändler erkannt, dass es sinnvoll sein kann, Kunden die Ware an ausgewählten Standorten zu präsentieren. Gleichzeitig intensivieren stationäre Händler ihre Aktivitäten im Netz und werden zu Multichannel-Verkäufern.

Auch für ausgesuchte Flächen in Eins-b-Lagen gibt es nach wie vor eine gute Nachfrage - allerdings von anderen Interessenten als in den Toplagen. Der Untersuchung von CBRE zufolge dominierten hier 2014 Gastronomieanbieter wie Ginyuu, Kuhbar oder L'Osteria sowie Einrichtungshäuser wie BoConcept das Feld. Vorteil der Ladenflächen der zweiten Kategorie: moderate Mieten und eine vielerorts immer noch ordentliche Frequenz. Gleichwohl gibt es zunehmend Lagen, für die sich niemand interessiert. "Der strukturelle Leerstand wird größer. Es gibt vermehrt Standorte, an denen sich kein Handel mehr betreiben lässt", beobachtet Burbach. Zunehmend schwierig werde es vor allem für viele Städte in der Provinz sowie für Orte, die im unmittelbaren Einzugsgebiet der Metropolen liegen - insbesondere dann, wenn die Kommune zu wenig unternehme, um sich zu profilieren. Oder die Kunden gar mit hohen Parkgebühren, schlechter Wegführung und Ignoranz gegenüber Themen wie Vandalismus und Sauberkeit geradezu aus der City vertreibe.

© SZ vom 10.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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