Diskriminierung:Vor der Tür

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Vermieter dürfen sich ihre neuen Mieter aussuchen. Aus Gründen, die mit der Herkunft der Bewerber zusammenhängen, dürfen sie aber nicht ablehnen. (Foto: Lukas Schulze/dpa)

Wer Ausländer nur wegen ihrer Herkunft als Mieter ablehnt, muss mit Strafen rechnen. Das Antidiskriminierungsgesetz gilt auch für das laufende Mietverhältnis.

Von Andrea Nasemann

Fast 70 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich bei der Wohnungssuche diskriminiert. Dies ergab eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2015. Tatsächlich werden diese Bewerber häufiger abgelehnt. Das Allgemeine Antidiskriminierungsgesetz (AGG), das seit August 2006 gilt, verlangt zwar, dass Vermieter niemanden bei der Wohnungssuche und im Mietverhältnis diskriminieren dürfen. In der Praxis allerdings wissen nach wie vor viele Vermieter nichts von den Regeln. Schließland landen auch nur wenige Verfahren vor Gericht.

Grundsätzlich darf ein Vermieter bei der Vergabe der Wohnung laut Gesetz den Bewerber nicht wegen seiner Rasse, ethnischen Herkunft, Religion, Behinderung, sexuellen Identität oder seines Alters ablehnen. Für private Kleinvermieter gelten aber nicht so strenge Regeln wie für große Unternehmen. Bei Eigentümern, die nicht mehr als insgesamt 50 Wohnungen vermieten, kommt das AGG nur eingeschränkt zur Anwendung. Solche private Vermieter müssen nur die Diskriminierungsmerkmale "Rasse" und "ethnische Herkunft" beachten.

Wird ein Bewerber bei der Vergabe der Wohnungen ausgeschlossen oder schon nicht zur Besichtigung oder Eintragung in Bewerberlisten zugelassen, kann dies eine Benachteiligung im Sinne des AGG sein. Der Mieter kann dann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen, wenn der Vermieter keine guten Gründe für sein Verhalten ins Feld führen kann. Der Benachteiligte muss seinen Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend machen. Ausgenommen vom Antidiskriminierungsgesetz sind Vermietungen zwischen Privatleuten, zwischen denen ein besonderes Nähe- und Vertrauensverhältnis besteht, zum Beispiel bei der Vermietung von Wohnraum unter Angehörigen auf demselben Grundstück.

Für Vermieter kann ein diskriminierendes Verhalten richtig teuer werden. So wollte in einem Fall ein Paar eine angebotene Mietwohnung besichtigen. Nachdem ein Termin vereinbart worden war, sollte die Hausmeisterin die Interessenten durch die Wohnung führen. Doch diese wimmelte die Bewerber nach einem Blick auf deren Hautfarbe mit den Worten ab: "Die Wohnung wird nicht an Neger, äh.....Schwarzafrikaner und Türken vermietet." Dies habe die Hausverwaltung so angeordnet. Die fatale Aussage zeigte Folgen: Die Mietinteressenten verklagten den Hausverwalter auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Kläger erhielten vor dem Oberlandesgericht Köln Recht. Den Mietinteressenten sei allein wegen ihrer Hautfarbe die Wohnungsbesichtigung und damit auch die Anmietung der Wohnung verweigert worden. Die Hausmeisterin habe die Menschenwürde der Mietinteressenten und damit ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt. Insbesondere die Bezeichnung "Neger" werde allgemein als abwertend und eindeutig diskriminierend empfunden. Der Verwalter haftete für Verhalten und Äußerungen der Hausmeisterin und musste als Schadenersatz die Fahrtkosten sowie 2500 Euro pro Person als Schmerzensgeld an das Paar bezahlen (Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 19. Januar 2010, 24 U 51/09).

Allerdings ist die Tatsache, dass ein Bewerber eine Wohnung nicht bekommen hat, für sich noch nicht diskriminierend. Anders ist der Fall, wenn der Vermieter Ausländern nachweisbar wahrheitswidrig erklärt, dass die Wohnung bereits vergeben sei. Es verstößt allerdings nicht gegen das Diskriminierungsverbot, wenn ein genossenschaftlicher Vermieter nur bei finanziell schwachen Personengruppen eine Mietsicherheit verlangt (Amtsgericht Kiel, Urteil vom 11. August 2011, 108 C 24/11). Diskriminierte Mietbewerber können Schadenersatz und Schmerzensgeld geltend machen. Sie haben aber keinen Anspruch auf Abschluss des Mietvertrags.

Das Diskriminierungsverbot bezieht sich auf das gesamte Mietverhältnis, also nicht nur auf das Inserat, den Mietvertrag, sondern auch auf die Haus- und Nutzungsordnung. Ein Verstoß würde daher vorliegen, wenn Familien mit Kindern wegen der Kinder nach der Hausordnung das Treppenhaus öfter putzen müssten als die übrigen Mieter.

Auch wer nur bestimmten Mietern gegenüber Mieterhöhungen ausspricht, kann damit gegen das AGG verstoßen. Der Fall: Der Käufer hatte ein großes Mietshaus in Berlin-Kreuzberg erworben. Danach erhöhte er gleich die Miete. Dies hatte zur Folge, dass viele der Mieter von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machten und ihre Wohnung kündigten. Allerdings kündigten nicht alle Mieter: Ein türkischer Mieter kündigte nicht, ebenso wenig wie einige andere Mieter deutscher, mitteleuropäischer und arabischer Herkunft. Der Vermieter versandte daraufhin ein weiteres Mieterhöhungsschreiben nur an den türkischen Mieter und zwei weitere Mieter arabischer und türkischer Herkunft. Der Vermieter gewährte den Mietern außerdem unterschiedliche Räumungsfristen. Daraufhin gingen die benachteiligten Mieter vor Gericht und erhielten vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg Recht (Urteil vom 19. Dezember 2014, 25 C 357/14). Der Vermieter, so das Gericht, habe gegen das Verbot der Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft verstoßen. Die Mieter erhielten jeweils eine Entschädigung in Höhe von 15 000 Euro. Die Begründung des Gerichts: Der kausale Zusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und dem Merkmal "ethnische Herkunft" sei bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Herkunft anknüpfe oder durch diese motiviert sei. Dabei sei es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund - die Herkunft - das ausschließliche Motiv für das Handeln sei. Ausreichend sei vielmehr, dass das Merkmal "Bestandteil eines Motivbündels" sei, welches die Entscheidung beeinflusst habe. Eine bloße Mitursächlichkeit genüge (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Dezember 2013, 8 AZR 838/12).

"Vermieter sollten im Streitfall sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der Mieter vortragen können", sagt Gerold Happ, Geschäftsführer des Eigentümerverbandes Haus & Grund Deutschland. Solche sachlichen Gründe können zum Beispiel sein, dass ein Bewerber die geforderte Miete nicht bezahlen kann, dass er Tiere halten will oder die Wohnung teilgewerblich nutzen möchte. "Am besten sollte der Vermieter immer einen Zeugen mit zum Bewerbungsgespräch mitnehmen, der nicht Vertragspartner ist. Zeuge kann zum Beispiel auch der angestellte Sachbearbeiter eines professionellen Vermieters sein", sagt Happ. Anbieter sollten sich nicht in ein persönliches Gespräch verwickeln lassen und sich ausschließlich zu Umständen äußern, welche die Wohnung selbst betreffen.

Grundsätzlich muss zunächst der Mieter alle Tatsachen und Indizien beweisen, die auf eine Diskriminierung schließen lassen. Erst dann ist es Sache des Vermieters darzulegen, dass er nicht diskriminiert hat. Die Höhe der Entschädigung hängt von der Art und Schwere der Diskriminierung ab. Der Vermieter sollte jede Absage dokumentieren und diese für die Zeit möglicher Schadenersatzansprüche drei Jahre lang aufbewahren.

© SZ vom 13.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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