Debatte um Euro-Anleihe:Zinserhöhung durch die Hintertür

Lesezeit: 2 min

Irland kann mehr, Griechenland ebenso wenig: Die Zinsen für die Kredite sind zu hoch. Aber wenn die geplante Euro-Anleihe eingeführt, zahlt Deutschland mehr Zinsen.

Markus Zydra

Wem würden Sie eher ihr Geld leihen, Deutschland oder Irland? Bei Menschen mit ausgeprägtem Sicherheitsbedürfnis dürfte die Wahl auf Deutschland fallen, und das weniger aus patriotischen Gründen. Vielmehr gebietet das die Vorsicht. Deutschland ist aufgrund seiner wirtschaftlichen Kraft schlichtweg kreditwürdiger als Irland.

Zinsunterschiede sollen nach dem Willen einiger EU-Politiker erst verwischt und dann eingeebnet werden: Es geht um die Einführung der Euro-Anleihe. (Foto: ag.ddp)

Das sehen die Finanzmärkte auch so. Dort drückt man die Furcht der Kreditgeber in höheren Zinsen aus. Irland muss für einen zehnjährigen Kredit 8,2 Prozent bezahlen und Deutschland für dieselbe Laufzeit nur 2,8 Prozent. Diese unterschiedlichen Zinssätze wären völlig in Ordnung, wenn Irland sie bezahlen könnte. Doch der irische Staat kann nicht mehr - genauso wenig wie Griechenland und Portugal. Deshalb sollen die Zinsunterschiede nach dem Willen einiger EU-Politiker erst verwischt und dann eingeebnet werden: Es geht um die Einführung der Euro-Anleihe.

Das läuft technisch so ab: Die noch zu gründende Europäische Schuldenagentur klopft bei den Finanzmärkten wegen eines Kredits an. Weil die EU als Ganzes kreditwürdiger ist als Griechenland oder Irland, würden die Kreditzinsen der Euro-Anleihe unter denen der beiden angeschlagenen Staaten liegen. Die Reputation der Europäischen Union soll die Bonität der Pleite-Kandidaten verbessern. Das klingt gut, hat aber auch seinen Preis: Weil Deutschland allein kreditwürdiger ist als die gesamte EU, würden im Gegenzug die Kreditzinsen für Deutschland steigen.

Alle haften für alles

Der Effekt: Euro-Staaten, die über Jahre hinweg geprasst anstatt gespart haben, würden durch niedrigere Zinsen belohnt. Staaten wie Deutschland, die ihre Finanzen einigermaßen im Griff gehabt haben, würden bestraft. In den vergangenen Wochen sind die Zinsen für Bundesanleihen schon deutlich angestiegen - das ist Ausdruck der Besorgnis an den Finanzmärkten, auch Deutschland könne sich finanziell übernehmen. Vor allem deshalb ist die Bundesregierung gegen diesen Vorschlag.

Es gibt aber auch schwerwiegende juristische Bedenken. "Eine Euro-Anleihe hat nur dann den gewünschten Effekt, wenn die kreditwürdigen Staaten gesamtschuldnerisch haften", sagt Gernot Griebling, Anleiheexperte der Landesbank Baden-Württemberg. Gesamtschuldnerisch bedeutet: Deutschland und andere finanzstarke Länder mit einer sehr guten Bonitätsnote bürgen für die Rückzahlung der Euro-Anleihe.

"Allerdings regelt Artikel 125 der EU-Vertrags, dass kein Mitgliedsland für die Schulden anderer Mitglieder haften darf", sagt Griebling. Die Euro-Anleihe müsste demnach erst in neues EU-Recht gegossen werden. Das würde Jahre dauern, wobei kaum jemand davon ausgeht, dass Deutschland dem zustimmen würde.

Offen wäre dann auch noch der Verteilungsschlüssel einer möglichen Euro-Anleihe. Stellen wir uns vor, die Europäische Schuldenagentur besorgt sich an den Finanzmärkten einen Kredit von zehn Milliarden Euro. Wer würde wie viel Geld erhalten? Irland drei Milliarden und Griechenland fünf? Würde Deutschland für den eigenen Bedarf separat weiterhin eigene Bundesanleihen begeben? "Es wäre riskant, erst ein neues Einnahmeinstrument zu schaffen und erst dann über die Verteilung der Mittel zu diskutieren", sagt Kornelius Purps, Anleiheexperte der Unicredit.

Größter Befürworter einer gemeinsamen Anleihe ist Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker. Er schlug vor, dass eine Europäische Schuldenagentur noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen solle. Die Anleihe werde dabei so gestaltet, dass hoch verschuldete Mitgliedsländer einen starken Anreiz verspürten, ihren Schuldenberg möglichst rasch abzubauen. Wie das geschehen soll ist allerdings unklar.

Grundsätzlich gilt: Bei einem einheitlichen Zinssatz haben die finanziell angeschlagenen Staaten weniger Anreiz zu sparen. Erst hohe Zinsen üben den notwendigen Druck aus. "Theoretisch ist die Einführung von Euro-Anleihen der richtige Weg. Sie ist allerdings untrennbar verbunden mit einer gemeinsamen Fiskalpolitik. Dafür ist die Zeit wohl politisch noch nicht reif", sagt Purps. Der Hintergrund: Die 16 Euro-Länder verfügen zwar über eine gemeinsame Währung und einen gemeinsamen Leitzins, aber nicht über eine gemeinsame Steuer- und Haushaltspolitik.

© SZ vom 07.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: