Crowdfunding:Schatten über dem Schwarm

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Die Menge machts: Wenn viele in ein Projekt investieren, profitieren auch viele vom Immobilienboom. Risiken werden dabei oft ausgeblendet. (Foto: Photoshot/Visum)

Die Finanzierungsform ist längst in der Immobilienbranche angekommen. Immer mehr Projektbetreiber suchen online private Investoren. Was den Anlegern dabei oft nicht klar ist: Sie gehen hohe Risiken ein.

Von Simone Gröneweg

Das Internet macht vieles einfacher, auch die Suche nach Geldgebern. Deshalb stellen immer mehr Plattformen ihre Projekte online vor. Wer will, kann sich dann mit wenigen Klicks finanziell beteiligen. Crowdfunding oder Schwarmfinanzierung nennt sich die Methode. Der Vorteil des Prinzips: Wenn eine Menge Leute kleine Beträge geben, kommt eine große Summe zusammen. Ursprünglich wollte man auf diese Weise vor allem Start-ups und soziale Projekte fördern, mittlerweile hat aber auch die Immobilienbranche diese Methode entdeckt.

Plattformen wie iFunded, Exporo, Home Rocket, Rea Capital, Zinsbaustein, Bergfürst oder Zinsland werben online Geld für Immobilienprojekte ein. Im ersten Halbjahr 2017 seien auf diese Weise 45,8 Millionen Euro zusammengekommen, heißt es in einer Untersuchung der Plattform iFunded. Deutlich mehr als im Vorjahr, denn 2016 sammelte die Branche im kompletten Jahr 41 Millionen Euro für Immobilienprojekte ein.

"Wie sicher solche Beteiligungen sind, wird sich in den nächsten Jahren zeigen."

Die Investoren können auch an Gewinnen beteiligt werden, weshalb man auch von Crowdinvesting spricht. Ohne Risiko ist das Ganze allerdings nicht. Immer wieder müssen Anleger um ihr Geld fürchten. So stellten die Entwickler von Luvebelle - so heißen im Bau befindliche Mikroapartments in Berlin - einen Insolvenzantrag. Die Nachricht hat einen Schatten auf die Branche geworfen.

Allerdings spielt Crowdinvesting in dieser Branche bisher keine große Rolle. "Das ist eigentlich eine zu vernachlässigende Größe im Bereich der Immobilienfinanzierung", sagt Steffen Sebastian, Professor an der IREBS International Real Estate Business School. Im Jahr 2016 sind Schätzungen zufolge Immobilienkredite in Höhe von mehr als 150 Milliarden Euro ausgegeben worden. "Kapital ist ausreichend vorhanden", schlussfolgert er. Die Branche sei nicht auf das Geld aus dem Netz angewiesen. Dennoch interessieren sich Immobilienentwickler für den neuen Geldkanal. Und so werden immer mehr Beteiligungen an Pflegeheimen, Handelsimmobilien und vor allem Wohnimmobilien online offeriert. Meist wird das Kapital gegen Zinsen geliehen, die Mindesteinlage beträgt in der Regel 500 Euro. Im Durchschnitt sei den Anlegern in den vergangenen Monaten eine Verzinsung von 5,72 Prozent in Aussicht gestellt worden, schreibt iFunded. Die Provision zahlt der Emittent.

Fast alle Projekte liegen unter der Marke von 2,5 Millionen Euro. Aus gutem Grund: Der Gesetzgeber hat ihnen einen besonderen Status gewährt. Bleiben die Emittenten unter dieser Summe und investiert jeder einzelne Anleger maximal 10 000 Euro, müssen Anbieter lediglich ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) vorlegen. Das beschreibt das Projekt auf drei Seiten, inklusive Kosten und Risiken. Ansonsten präsentieren die Plattformen die Immobilien meist im Anzeigenformat auf ihren Seiten. Der Nutzer erfährt unter anderem, wie hoch die Gesamtinvestitionskosten sind, die Laufzeit und das Finanzierungsziel. Innerhalb einer festgelegten Zeitspanne können Interessenten Geld geben. Kommt nicht ausreichend Kapital für ein Projekt zusammen, erhalten die Investoren ihren Anteil zurück. Wird das Finanzierungsziel erreicht, ist der Anleger dabei und trägt das Risiko. Meist handelt es sich nämlich um sogenannte Mezzanine-Finanzierungen. "Das bedeutet, der Emittent schließt damit eine eventuelle Finanzierungslücke. Das Eigenkapital des Projektentwicklers wird ergänzt", erklärt ein Sprecher des Zentralen Immobilien-Ausschusses (ZIA). In den überwiegenden Fällen werden also Nachrangdarlehen vergeben. Im Falle einer Insolvenz erhalten damit zunächst die Banken und andere Gläubiger ihr Geld zurück, die Crowd steht hinten an.

"Das dürfen die Zeichner nicht ausblenden", sagt Peter Barkow, Geschäftsführer der Finanzierungsberatung Barkow Consulting. Grundsätzlich seien die Deutschen eher vorsichtig bei Investitionen, aber sobald jemand mit einer festen Verzinsung werbe, wähnten sich viele Privatanleger auf der sicheren Seite. "Wie sicher solche Beteiligungen sind, wird sich in den nächsten Jahren zeigen", meint Barkow.

Bisher floss das gesammelte Geld zum größten Teil in Neubauprojekte, der Rest ging an Sanierungs- oder Revitalisierungsprojekte und in reine Bestandsimmobilien. Neubauten bergen größere Risiken. Dazu gehören etwa ausbleibende Genehmigungen oder schlechtere Verkaufspreise als prognostiziert. Hinzu kommt, dass der Immobilienmarkt derzeit boomt. "Der Test für die Anbieter steht noch bevor", meint Finanzierungsexperte Barkow. Interessant sei, wie sich die Projekte im nächsten Abschwung am Immobilienmarkt halten würden. "Dann zeigt sich, ob das Rendite-Risiko-Verhältnis stimmt", sagt er.

Der Gesetzgeber beobachtet die Branche bereits verstärkt, denn Verbraucherschützer fordern eine bessere Regulierung. Die Branche hält dagegen. "Wir sehen keine Notwendigkeit für eine verschärfte Regulierung, schließlich geben die Plattformen auch heute schon genügend Projekt-Informationen auf ihren Websites preis", meint Jamal El Mallouki, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Crowdfunding. Den Insolvenzantrag der Luvebelle-Initiatoren kommentiert der Verband auf seiner Seite unter anderem dahingehend, dass Crowdinvesting weiterhin eine attraktive und effiziente Möglichkeit sei, um ein Anlage-Portfolio aufzubauen.

Die Plattformen verweisen angesichts der Kritik auf ihre Auswahlverfahren. "80 bis 90 Prozent der Anfragen sortieren wir aus", meint iFunded-Geschäftsführer Michael Stephan. Ähnlich sieht es bei der Plattform Exporo aus, die in diesem Jahr schon 57 Millionen Euro zusammengebracht hat. Immobilienexperten im eigenen Haus prüfen die Wirtschaftlichkeit, Finanzierung und das Marktumfeld der Projekte. "Von etwa 20 bis 25 Projektanfragen pro Woche schaffen es nur ein bis zwei Projekte auf die Plattform", sagt der Vorstandsvorsitzende Simon Brunke. Beide Anbieter würden gern mit größeren Volumina online gehen und dafür eine stärkere Regulierung in Kauf nehmen. "Wir streben das an und werden zeitnah auch Projekte über 2,5 Millionen Euro online anbieten", sagt Brunke. Man befinde sich im finalen Abstimmungsprozess mit der Finanzaufsicht.

Die Plattform iFunded hat den Schritt in die regulierte Anlagenwelt schon gemacht. Das sei kein so einfacher Prozess, sagt Stephan. "Wir wollten aber als Ergänzung auf der Anlegerseite auch den semiprofessionellen Markt bedienen, dazu gehören Family Offices oder Stiftungen als Investoren", begründet er die Maßnahme. Mit dem Projekt "Eisenzahnstraße" nahe dem Berliner Kurfürstendamms präsentiert iFunded nun das größte Crowdinvesting-Projekt Deutschlands. Das Volumen beträgt zehn Millionen Euro. Das Projekt ist in Form einer klassisch besicherten Anleihe aufgelegt. Risiken gehen die Anleger natürlich trotzdem ein, das Interesse war aber wohl groß. Im Durchschnitt sollen private Investoren bisher mehr als 25 000 Euro gegeben haben.

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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