Bundesbank: Causa Sarrazin:Der voreilige Herr Präsident

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Der Fall Sarrazin beschäftigt die Juristen und der Bundespräsident bittet die Regierung um eine Stellungnahme. Zugleich wächst die Kritik. War Wulff zu schnell mit seinen Äußerungen?

Erst hat der Fall Sarrazin die Politiker und die Leitartikler beschäftigt, nun interessieren sich für ihn auch die Juristen. Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung geht es um zwei Fragen: Hat sich die Bundesregierung zu sehr in die Belange einer eigentlich unabhängigen Institution eingemischt? Und wie ist nun der formale Fortgang im Abberufungsprozess von Thilo Sarrazin, den der Bundesbank-Vorstand nun anstrebt?

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Ein Regierungssprecher wies Spekulationen zurück, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe die Frankfurter Notenbanker unter Druck gesetzt: "Wir haben auf die Unabhängigkeit der Entscheidung des Bundesbankvorstandes hingewiesen", sagte der Sprecher. Die Meinungsbildung innerhalb der Regierung und im Bundesbankvorstand sei jederzeit strikt getrennt verlaufen.

Das Präsidialamt bestätigte den Eingang des Ersuchens und forderte bei der Bundesregierung eine Stellungnahme an. Denn es ist unklar, ob Bundespräsident Christian Wulff überhaupt zuständig ist. "Die Frage ist schwierig zu beantworten, weil es bisher keinen Präzedenzfall gibt", sagt Michael Müller, Anwalt bei der Frankfurter Arbeitsrechtskanzlei Groll & Partner der Süddeutschen Zeitung. Das Bundesbankgesetz sieht die Entlassung eines Vorstands gar nicht vor.

Dass Wulf eingeschaltet wurde, ist eine Hilfskonstruktion, da der Präsident die Vorstände ernennt. Der Bundesbank-Vorstand will deshalb die Entscheidung auf eine möglichst breite Basis stellen und die Bundesregierung mit ins Boot holen, die aber mit dem formalen Vorgang eigentlich nichts zu tun haben möchte. Juristen verweisen auf einen Grundgesetz-Artikel, wonach alle Verfügungen des Präsidenten von der Bundesregierung gegengezeichnet werden müssen. Tut sie dies, wäre eine Entlassung juristisch schwerer angreifbar.

Es gilt als ziemlich sicher, dass sich der Bundespräsident für die Entlassung Sarrazins ausspricht. Zwar nicht im Bundesbankgesetz, aber in den Arbeitsverträgen der Vorstände steht ein Passus, in dem von der Möglichkeit einer Entlassung im Fall von "Verfehlungen" die Rede ist. Außerdem existiert ein Verhaltenskodex für Vorstandsmitglieder, der sie verpflichtet, "alles dafür zu tun, um das Ansehen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Bundesbank aufrechtzuerhalten". Hier sehen Juristen die Möglichkeit, eine Entlassung zu begründen.

Dem steht jedoch das grundgesetzlich geschützte Recht auf Meinungsfreiheit entgegen, auf das sich Sarrazin berufen dürfte, außerdem darauf, dass er seine umstrittenen Äußerungen als Privatmann gemacht hat. Die Bundesbank dagegen dürfte argumentieren, dass Äußerungen eines Vorstands stets auf sein Amt durchschlagen. Beobachter gehen davon aus, dass Sarrazin zur Not klagen wird. Es geht um Gehaltsansprüche aus dem Vertrag, der bis 2014 läuft, um eine mögliche Abfindung, die sich Top-Führungskräfte häufig für den Fall einer Trennung in den Vertrag schreiben lassen, schließlich um Pensionsansprüche.

"Geradezu befangen"

Derweil gibt es zunehmend Vorwürfe gegen Merkel und Wulff, die öffentlich Sorge geäußert hatten, dass das Ansehen der Bundesbank und Deutschlands durch die umstrittenen Äußerungen von Sarrazin Schaden nehmen könnte. Trotz der Unanbhängigkeit des Instituts mahnte Merkel die Notenbanker, dass das Renommee der Bundesbank als "Aushängeschild für das ganze Land" nicht weiter leiden dürfe. Wulff legte nach und forderte rasches Handeln, "damit die Diskussion Deutschland nicht schadet".

Aus der CDU regt sich nun Kritik am Vorgehen des Bundespräsidenten: "Die Unabhängigkeit der Bundesbank ist ein hohes Gut. Die Politik darf keinesfalls Druck auf den Vorstand ausüben, um bestimmte Entscheidungen herbeizuführen" sagte der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg, Handelsblatt Online.

Auch der renommierte Arbeitsrechtler Christian Oberwetter sieht das Vorpreschen des Staatsoberhauptes kritisch: "Wulff ist in diesem Fall die neutrale Prüfungsstelle. Seine Äußerungen lassen ihn geradezu befangen erscheinen", sagte Oberwetter der Nachrichtenagentur Reuters.

Der Bundespräsident hätte sich nach Ansicht des Juristen in dieser Sache besser zurückgehalten, um keine Zweifel an seiner Neutralität aufkommen zu lassen. Ohnehin sei fraglich, ob ein Rauswurf Sarrazins wegen dessen Thesen zur mangelnden Integration von Ausländern eine belastbare Grundlage für eine Abberufung lieferten: "Meiner Meinung nach hat sich Sarrazin im Rahmen der zulässigen Meinungsäußerung bewegt", sagte Oberwetter.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/aum/hf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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