Barrierefreiheit:Eine Frage der Planung

Michael Held

Michael Held ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Terragon Investment GmbH. Das Unternehmen ist ein Projektentwickler von barrierefreien Wohn-, Senioren- und Pflegeimmobilien.

(Foto: Terragon)

In Deutschland fehlen etwa 1,6 Millionen barrierefreie Wohnungen. Oft wird argumentiert, dass deren Bau zu teuer sei. Michael Held entwickelt barrierefreie Immobilien und sagt: Das stimmt nicht immer.

Interview von Lars Klaaßen

In Deutschland fehlen 1,6 Millionen barrierefreie Wohnungen, Tendenz steigend. Doch die sind Grundvoraussetzung für eine stärkere ambulante Versorgung der Pflegebedürftigen und damit auch für eine finanzielle Entlastung der Kommunen. Michael Held, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Terragon Investment GmbH, erläutert, wie die Kosten minimiert werden können.

SZ: Herr Held, viele Investoren klagen über Quoten für Barrierefreiheit im Wohnungsbau, die vorgeschrieben werden. Das treibe die Kosten in die Höhe. Sie sehen das anders?

Michael Held: Barrierefreies Bauen ist keine Frage der Kosten, sondern vielmehr der Konzeption und Planung. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie von uns, die wir gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund erstellt haben. Die Untersuchung analysiert die Mehrausgaben für barrierefreies Bauen im Vergleich zum konventionellen Bauen anhand eines exemplarischen Wohnungsneubauprojektes und kommt zu dem Ergebnis: Barrierefreiheit macht nur gut ein Prozent der Gesamtbaukosten aus. Analysiert wurden im Rahmen der Studie "Barrierefreies Wohnen im Kostenvergleich" insgesamt 140 Kriterien für barrierefreies Bauen nach der DIN 18040-2. Bei 130 Kriterien zeigte sich, dass Barrierefreiheit nicht mit Mehrkosten verbunden ist, sondern allein mithilfe einer intelligenten Planung erreicht werden kann.

Ist das eine rein abstrakte Berechnung?

Nein, Grundlage der Untersuchung war das Musterprojekt eines fünfgeschossigen Wohnungsneubaus in Berlin mit insgesamt 20 Wohnungen und 1500 Quadratmetern Wohnfläche. Bei einer auf vollständige Barrierefreiheit ausgelegten Variante ergeben sich Mehrkosten in Höhe von 21,50 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Das entspricht 1,26 Prozent der reinen Baukosten pro Quadratmeter Wohnfläche. Bei einer Wohnung mit 75 Quadratmeter Wohnfläche würden sich die Mehrkosten für eine vollständige Barrierefreiheit auf rund 1600 Euro belaufen. In einer zweiten, kostengünstigeren, aber immer noch barrierefreien Variante sind es sogar nur 9,20 Euro - also 0,54 Prozent - pro Quadratmeter Wohnfläche. Bezogen auf die Gesamtinvestitionskosten belaufen sich die Mehrkosten auf 0,83 Prozent beziehungsweise 0,35 Prozent in der zweiten Variante.

Bei akkurater Planung ist alles bestens?

Es gibt darüber hinaus Handlungsbedarf seitens der öffentlichen Hand. Unsere Studie ergab nämlich auch, dass die Kosten für die Barrierefreiheit im Neubau weitaus günstiger sind. Die durchschnittlichen Aufwendungen für den altersgerechten Umbau im Bestand im Rahmen des KfW-Programms "Altersgerechter Umbau" beliefen sich laut einer Untersuchung von Prognos auf 19 100 Euro pro Wohnung. Mit diesem Aufwand wurde nur eine Verringerung der Barrieren erreicht, aber keine Barrierefreiheit. Durchschnittlich wurde das KfW-Programm "Altersgerechter Umbau" für jährlich 25 000 Wohnungen wahrgenommen. Im Jahr 2011 wurde ein Spitzenwert von 43 310 Wohnungen erreicht. Deshalb sollte das KfW-Programm "Altersgerecht Umbauen" auf den Neubau ausgeweitet werden - etwa mit einem Zuschuss von 2500 bis 5000 Euro pro Wohnung. Damit ließe sich Barrierefreiheit nach vorne bringen. Nicht nur Senioren und Menschen mit Handicaps profitieren davon. Nutzer aller Altersklassen und in allen Lebenslagen haben dadurch mehr Komfort.

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