Banken und Versicherungen:Zwei gute Nachrichten

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Europaweit soll kein Finanzprodukt mehr unbeaufsichtigt bleiben. Die Europäische Union bekommt eine neue Finanzaufsicht. Erstaunlicherweise wird sie nicht nur stark sein, sondern auch noch schlank und effizient.

Cerstin Gammelin

Die Europäische Union bekommt eine zentralisierte Finanzaufsicht. Das ist an sich schon eine unerhört gute Nachricht. Denn erstmals machen die 27 Mitgliedsstaaten einen gewaltigen Schritt, um ihre finanzpolitische Kleinstaaterei zu beenden.

Unter verschärfter Beobachtung: Die Skyline des Frankfurter Finanzviertels. (Foto: REUTERS)

Die zweite gute Nachricht ist für all jene bestimmt, die stets vor einer Superbehörde gewarnt haben. Die neue Finanzaufsicht wird schlank und effizient sein. Drei Aufsichtsagenturen für Banken, Versicherungen und Wertpapierhändler und ein zentrales Frühwarnsystem sollen dafür sorgen, dass europaweit kein Finanzprodukt, kein Finanzinstitut und kein Finanzplatz mehr unbeaufsichtigt bleiben werden. Damit erfüllen die Europäer exakt ihr Versprechen im Kreise der G 20, den 20 mächtigsten Volkswirtschaften.

Noch wichtiger als der Beschluss an sich ist jedoch das Signal, das die Europäer senden. Es hat eine historische Bedeutung. Die 27 Mitgliedsländer, die von Großbritannien bis Polen höchst unterschiedliche Interessen verfolgen, geben nationale Kompetenzen zugunsten einer europäischen Aufsicht auf. Das war bisher undenkbar. Die Länder haben sich verpflichtet, künftig Informationen über Grenzen hinweg auszutauschen und die Aufseher tief in die Bücher grenzüberschreitend tätiger Institute schauen zu lassen. Sie haben akzeptiert, dass die Aufseher Richtlinien erlassen dürfen.

Banken werden überprüft

Künftig wird es so sein, dass in Frankfurt, London, Wien oder Sofia die gleichen Regeln gelten. Die Staaten haben zugestimmt, dass die Aufseher auch prüfen dürfen, ob die Finanzinstitute die gemeinsamen Richtlinien einhalten.

Schon das allein ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum heutigen Stand der Aufsicht. Denn bisher haben die Institute - und auch die nationalen Aufseher - jede Information wie ihren Augapfel gehütet. Dass nach Ausbruch der globalen Finanzkrise so viele große Banken und Versicherungen plötzlich am Rand des Abgrundes standen, lag auch daran, dass beinahe überhaupt keine Informationen ausgetauscht wurden.

Daran waren nicht nur die Banken schuld, sondern auch die nationalen Aufsichtsbehörden. Das beste Beispiel dafür ist die Hypo Real Estate. Die nationale Aufsicht wusste wenig, war aber großzügig. Der europäische Aufseher wird künftig keine Rücksicht mehr nehmen und genau hinschauen, wovon mit Sicherheit auch die Kunden profitieren werden.

Lizenz zum Durchgreifen

Von historischer Bedeutung ist auch der lange Zeit am heftigsten umstrittene Teil der Finanzaufsicht. Die drei europäischen Agenturen sollen mit dem Recht ausgestattet werden, an den nationalen Behörden vorbei Weisungen geben zu dürfen. Bei andauernden Streitigkeiten zwischen nationalen Aufsehern oder Mitgliedsstaaten oder im akuten Notfall dürfen die Europäer Institute anweisen, ganz konkrete Maßnahmen zu treffen, etwa ihr Eigenkapital zu erhöhen oder Produkte vom Markt zu nehmen. Sie dürfen auch riskante Geschäfte stoppen, um zu verhindern, dass das risikoreiche Geschäft eines Institutes für ganz Europa oder sogar global bedrohlich wird.

Sicher, über einen Umweg haben sich die Mitgliedsländer ein entscheidendes Mitspracherecht bei diesem Durchgriff gesichert. Deren Finanzminister müssen nämlich zunächst beschließen, dass ein Notfall vorliegt - was ihnen im Zweifel Spielraum für nationale Entscheidungen verschafft. Trotz dieses Kompromisses ist eines klar: Die Zeit der nationalen Aufseher neigt sich dem Ende zu. Es geht kein Weg daran vorbei, künftig eng mit den drei Aufsichtsagenturen zu kooperieren. Solche Alleingänge wie etwa ein deutsches Verbot von Leerverkäufen wird es absehbar nicht mehr geben.

Aus Sicht von Banken, Versicherungen und Börsen ist die Zentralisierung ein lange überfälliger Schritt. Schließlich betreiben die Institute ihr Geschäft schon längst grenzüberschreitend. Für sie war es bisher eher lästig bis kostentreibend, in 27 Mitgliedsstaaten auch 27 nationale Regelwerke beachten zu müssen. Auch damit ist nun Schluss.

© SZ vom 07.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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