Banken: Neuer Mut zum Risiko:Finanzmüll - frisch verpackt

Lesezeit: 2 min

Krise? Pah! Die Banken entwickeln schon wieder hochriskante Wertpapiere. Dabei hatten die vor eineinhalb Jahren das Desaster an den Finanzmärkten ausgelöst.

Markus Zydra

Deutschlands oberster Finanzaufseher Jochen Sanio hat sie als "Finanzmüll" bezeichnet, die komplexen, aus amerikanischen Hypothekenkrediten geschnürten Wertpapiere, deren Verkauf die Welt in die größte Finanzkrise seit dem Jahr 1929 geführt hat: Collateralized Debt Obligations nennt man sie im Fachjargon, kurz CDOs.

Als wäre nichts gewesen: Wieder setzen die Banken auf riskante Papiere. Im Bild: New York (Foto: Foto: Reuters)

"Das ist kein Voodoo"

Da mag die Nachricht überraschen, dass genau dieser Finanzmüll derzeit gesiebt und neu verpackt wird, um ihn dann den Finanzmärkten in veränderter Façon ein zweites Mal anzubieten. "Das ist kein Voodoo", zitiert die Nachrichtenagentur AP die Expertin Sue Allon, Chefin von Allonhill, einer Firma, die Investoren bei der Analyse fauler Kreditpakete unterstützt. "Das ist nur Mathematik."

Angesichts dieser Erklärung sollte man zweifeln, dass Erleichterung die angemessene Reaktion darstellt. War es nicht der blinde Glaube an mathematische Modelle, der die Spekulanten auf die falsche Spur führte? Sollte nicht der gesunde Menschenverstand Einzug halten in die irrationale Finanzwelt? Doch stattdessen setzt die Branche genau ein Jahr nach der Lehman-Pleite auf alte Rezepte. "Das ist schon ein bisschen wie Deja-vu" , sagt Herbert Kaufman, Ökonom an der Arizona State University.

Der globale Finanzsektor ist dabei, sich zu erholen. Starke Banken haben die schwachen Geldhäuser geschluckt, die Zentralbanken pressen billiges Geld ins System und halten den Rettungsschirm zusammen mit den Regierungen weiter aufrecht. Die Banken können Risiken eingehen, ohne die Risiken zu tragen. Unter solchen Bedingungen lässt sich gut spekulieren, das haben die letzten Jahre gezeigt. Mittlerweile erwarten Kreditinstitute wieder Profite, manche weisen ihn bereits aus, weil die Bilanzvorschriften entsprechend gelockert wurden. In Großbritannien und den USA werden wieder die ersten Boni für besondere Leistungen an das Management ausbezahlt. Die Börsen steigen, die Rohstoffmärkte boomen - man wird das Gefühl nicht los, dass alles beim Alten geblieben ist.

Das belegt auch ein anderes Beispiel. Vor einigen Wochen erst warnten die britische Finanzaufsicht FSA und ihr amerikanisches Pendant SEC vor bestimmten Indexfondsprodukten. Indexfonds, auch Exchange Traded Funds (ETF) genannt, sind eigentlich eine sichere Sache, zumindest im Hinblick auf die zu erwartenden Gewinne oder Verluste. Steigt der Leitindex Dax um zehn Prozent, so steigt abzüglich der Verwaltungskosten auch der Wert des Dax-ETF um zehn Prozent.

Auch die Ratingagenturen mit dabei

Dieses Prinzip hatte Gültigkeit, bis sich in diesem Jahr Finanzingenieure daran machten, die Papiere aufzupeppen. Sie wurden beispielsweise mit einem doppelten Hebel ausgestattet. Das bedeutet: Investoren konnten bei einem zehnprozentigen Anstieg des amerikanischen Aktienindex S&P das Doppelte, nämlich 20 Prozent verdienen - so dachten sie zumindest. Weil die Konstruktion komplizierter war als gedacht, fielen Anleger allerdings aus allen Wolken, als sie plötzlich über Wochen Verluste machten, obwohl der Aktienindex S&P gestiegen war. Alles nur Mathematik also?

Die Neuverbriefungen von Hypothekendarlehen, "Re-Remics" genannt (Re-Securitization of Real Estate Mortgage Investment Conduits), wurden in den vergangenen Jahren häufig durchgeführt. Doch das war in der Vor-Lehman-Welt, der Ruf der Finanzingenieure ist dahin, trotz des offenkundig wieder gewachsenen Selbstbewusstseins.

Aufgrund der Krise meinen Experten nämlich, den Wert des Giftmülls nun besser bestimmen zu können. Sie zerlegen die CDOs in einen guten - potentiell sicheren Part - für Pensionsfonds und einen schlechten, stark ausfallgefährdeten Teil, der Hedgefonds angeboten wird.

Es wird wieder Geld verdient auf die alte Weise, denn auch die Ratingagenturen sind mit an Bord, um das Ganze zu bewerten. "Diese Verbriefungen neu zu verpacken, ist sehr riskant", räumt Expertin Allon ein. Man könne nicht genau sehen, wie hoch der Wert ist, zumal die Häuserpreise ja weiter fallen könnten. Sie warnt: "Je undurchsichtiger das neue Paket ist, desto wahrscheinlicher hat man es mit der Kreativität übertrieben."

© SZ vom 17.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lehren aus dem Crash
:"Die Krise hat alle traumatisiert"

Ein Jahr nach Lehman: Wie die großen internationalen Ökonomen heute über die Fehler der Vergangenheit denken - und was sie für die Zukunft empfehlen.

N. Piper

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: