Attac: Bankentribunal:"Es gibt klare Verantwortliche"

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Banker auf der Anklagebank: Bei einem Tribunal in der Berliner Volksbühne verurteilt Attac die Schuldigen der Finanzkrise - Objektivität ist dabei kaum zu erkennen.

Cornelius Pollmer, Berlin

Die Gerichtsverhandlung beginnt mit einem Grußwort. Jutta Sundermann spricht zu den "lieben Freundinnen und Freunden" und derer sind es 800, die am Wochenende in die Berliner Volksbühne gekommen sind. Die Globalisierungskritiker von Attac haben ein Bankentribunal ausgerufen, sie wollen jenen den Prozess machen, die sie verantwortlich halten für die Finanzkrise. "Es ist an der Zeit, zu streiten und diesen Streit in die Gesellschaft zu tragen", sagt Attac-Mitgründerin Sundermann.

Ein Theater wie die Volksbühne scheint ein idealer Ort zu sein für solch ein Tribunal. Anders als in den Vereinigten Staaten, wo sich die führenden Banker des Landes vor einem Ausschuss des Senats verantworten müssen, erheben in Deutschland "leider weder Volksvertretungen noch Gerichte Anklage", sagt der Jurist Wolfgang Lieb in seiner Eröffnungsrede. "Anscheinend muss das Volk selbst anklagen." Berechtigt fühle man sich durch das Grundgesetz, alle Macht gehe schließlich vom Volke aus. Das Handeln einiger Verantwortlicher erfülle die Tatbestände der Erpressung, der Hehlerei und des Betrugs, führt er aus. Der Prozess hat noch gar nicht begonnen, da geht die Unschuldsvermutung schon über Bord: Man wolle sich gegen die "neofeudale Herrschaft" wehren, sagt Lieb.

Vorurteile bestätigt

Die neofeudalen Herrschaften allerdings sind abwesend. Attac hatte Vorladungen verschickt, an Ex-Kanzler Gerhard Schröder und seine Nachfolgerin Angela Merkel, an Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Hans Tietmeyer, den Kurator der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft". Sie alle würden ein System repräsentieren und festigen, das Reiche reicher und Arme ärmer mache, kritisieren die Globalisierungsgegner. Attac-Leute und Wissenschaftler, etwa der Politologe Elmar Altvater, vertreten die "zivilgesellschaftliche Anklage", die Beschuldigten werden von Pflichtverteidigern vertreten, etwa von Wolfgang Kaden, Ex-Chefredakteur des Manager Magazins.

Parlamentarier und Wissenschaftler fungieren als Zeugen, als Richter unter anderem der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach. Über Beweisaufnahmen, Anhörungen und Diskussionen sollen sie zu einem Urteil finden. Oder das eigene Vorurteil bestätigen.

Objektivität ist kaum zu erkennen, das Bemühen darum bisweilen schon. Das geht auch in Ordnung, weil ein fairer Prozess nicht das eigentliche Ziel dieses Tribunals ist. Es soll vielmehr den Blick auf Zusammenhänge der Krise freigeben, jenseits der beliebten wie folgenlosen Empörung über "die da oben". Ökonomische Alphabetisierung steht auf dem Programm oder, wie es die Musikerin Dota im Abendprogramm formuliert: "Es geht nicht um ein Stück vom Kuchen, es geht um die ganze Bäckerei."

Wenig überraschendes Urteil

So eine Betriebsinspektion birgt Gefahren. Die Anklage droht immer wieder, in altlinke Verschwörungstheorien abzurutschen. Und trotz der klugen und straffen Programmierung des Tribunals ist es freilich nicht zu leisten, in so kurzer Zeit das komplexe Ungeheuer Finanzkrise detailliert aufzuarbeiten. Mancher Referenten verliert sich daher in Allgemeinplätzen, Motto: Zukunft ist für alle gut. Andere lassen das große Ganze links liegen und führen - pars pro toto - Stellvertreterdiskussionen. In seinen schwächsten Momenten gerät das Tribunal zur Bühne für ohnehin meinungseinige Sprüche- und Sich-auf-die-Schulter-Klopfer. Besonders dann aber, wenn die Öffentlichkeit aus dem Gerichtssaal und zur Gruppenarbeit verwiesen wird, entstehen Diskussionen, die zumindest Bewusstsein schaffen - etwa für die Folgen der Krise in den Entwicklungsländern.

So überrascht am Ende auch das Urteil kaum: "Die Jury kommt zu der Überzeugung, dass die Finanzkrise nicht wie eine Naturgewalt über die deutsche Wirtschaft hereingebrochen ist. Es gibt klare Verantwortliche." Sie werden, natürlich, noch einmal genannt und mit Forderungen adressiert: Termingeschäfte auf Lebensmittel sollen verboten, Steueroasen abgeschafft, Großbanken zerschlagen werden. Eine Finanztransaktionssteuer gehöre eingeführt, die Ausgaben der Bundesregierung für Entwicklungshilfe müssten erhöht werden. Hauptziel sei es, die Transparenz der Finanzmärkte zu erhöhen, um Kontrolle ausüben zu können.

Sonst bleibt es womöglich bei der Beobachtung, die der Kabarettist Georg Schramm dem Publikum schilderte: Mittlerweile sei es so, dass die Menschen mehr Angst vor ihrem Anlageberater hätten als vor Al Qaida.

© SZ vom 12.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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