Ankauf von Altgold:Wenn Omas Ketten viel wert sind

Gold Goldschmuck Geldanlage Ankauf von Altgold

Beim Verkauf von Schmuckstücken erleben Eigentümer oft Überraschungen

(Foto: iStockphoto.com)

In der Goldstube von Hans Zöbelein geht es ein bisschen zu wie an den großen Börsen dieser Welt: Schneller Geldgewinn und große Enttäuschung liegen nahe beieinander. Denn oft ahnen die Kunden nicht, was ihre Ringe und Ketten aus dem Schrank wert sind.

Von Pia Ratzesberger

Wer vor der Hausnummer 63 in der Münchner Schellingstraße steht, könnte meinen, hier habe gerade eine Bar eröffnet. Mehr als ein Dutzend Menschen drängen sich auf dem Gehsteig, während ein Kellner Kaffee und Wasser an die wartenden Gäste verteilt. Männer blicken auf ihre Armbanduhren, junge Mädchen tippen auf ihren Handys, der Türsteher blickt stur über die Köpfe hinweg. Nur eines will nicht ins Bild passen: Jeder der Wartenden hat einen kleinen rosa Zettel in der Hand. Nur damit darf man über die Schwelle treten.

Dahinter, im Inneren eines kleinen Ladens, hängen Seesterne von der Decke und eine Stereoanlage spielt leise Gitarrenmusik. Auf der Theke von Hans Zöbelein stehen allerdings keine Häppchen und keine Drinks, sondern: Schmuck und Gold. Seit mehr als 30 Jahren führt der Diplom-Ingenieur seine "Goldstube24" für den Ankauf und Verkauf von Edelmetall.

Weil die Kunden manchmal lange warten müssen, lässt Zöbelein von den Kellnern der Osteria gegenüber hin und wieder Getränke vor seinem Laden servieren. "Meine persönliche Happy Hour", sagt der 60-Jährige, während er ein feingliedriges Armband auf die Waage legt. Durch das System mit den rosa Zetteln, auf denen Nummern aufgedruckt sind, will er Chaos vor seinem Laden vermeiden - jeder kommt der Reihe nach dran.

2400 Euro statt 100 Euro

Hausfrauen in Polo-Hemden, Mädchen mit glitzernden Ohrringen und ältere Herren mit Hut, sie alle stehen hier vor der Ladentheke. Die meisten kommen wegen Erbschaften, bringen Armkettchen und Colliers von der verstorbenen Großmutter mit. Dabei haben sie oft keine Ahnung, was der Schmuck wert ist: "Gestern war eine Dame mit Armbändern aus den 60er Jahren hier. Richtig schwere Teile, 2400 Euro bekam sie raus. Die ist mir fast vom Stuhl gefallen", erzählt Zöbelein. Erwartet hatte die Frau nur 100 Euro.

Andere dagegen erträumen sich hohe Summen und müssen dann hören, dass der so wertvoll erscheinende Erbschmuck nichts wert ist. In der kleinen Goldstube geht es ein bisschen zu wie an den großen Börsen dieser Welt: schneller Geldgewinn und enttäuschte Hoffnungen liegen nahe beieinander. Von drei bis immerhin 200 000 Euro sei schon alles dabei gewesen, sagt Zöbelein.

Natürlich gibt es auch Kunden, die anderes im Sinn haben, als Großmutters Schmuckkästchen zu verkaufen. Ein hagerer Mann mit Sonnenbrille betritt den Laden, wortlos blättert er 10 000 Euro auf den Tisch. Innerhalb von Minuten hat er die Scheine gegen Barren eingetauscht - bis zum Wert von 10 000 Euro ist das nach dem Geldwäsche-Gesetz legal, bei allen Beträgen darüber muss der Händler die Daten des Käufers aufnehmen. Einmal hat ein Kunde 165 Krügerrand-Münzen in einem Wanderrucksack mitgebracht, erzählt Zöbelein. Das ist ihm bis heute in Erinnerung geblieben.

Leichte Beute für Betrüger

Auch an diesem Tag hat einer einen großen Rucksack dabei. Krügerrand hat er nicht zu verkaufen, aber einige Ketten und einen grauen Klumpen, etwa halb so groß wie ein Ei. Zöbelein überprüft den Brocken mit seiner Lupe, die er wie einen Talisman an einem langen Band um den Hals trägt. Er greift zum Bohrer, an der Stelle beginnt es zu glitzern - was so unscheinbar aussieht, ist zusammengeschmolzenes Zahngold. Der Mann ist Zahntechniker, er sei, wie jedes Jahr, extra aus Spanien hergeflogen, erzählt er. Dort wohnt und arbeitet er mittlerweile, doch wenn er Freunde in München besucht, besucht er meist auch Zöbelein. Zwischen unzähligen Fotos und Postkarten prangen an der Ladenwand hinter ihm die Worte: "Wenn du dich mit Schmuck nicht auskennst, kenn' den Händler."

Wer offensichtlich keine Ahnung vom Wert seines Goldes hat, ist für Betrüger leicht zu täuschen. Ein Weißgoldring wird dann zum Silberring, der Preis im Laden liegt plötzlich weiter unter dem zuvor am Telefon vereinbarten. "Manche nennen immer nur Beträge 'bis zu'. Doch wenn mir jemand bis zu 300 Euro verspricht, können das am Ende eben genauso nur 100 Euro sein", sagt Zöbelein. Ein beliebter Trick sei, vom Ankaufspreis die Mehrwertsteuer abzuziehen, die aber gar nicht erhoben werde. Andere rechtfertigen den niedrigeren Preis im Laden, indem sie behaupten, der am Telefon genannte Betrag sei der Preis für reines Gold gewesen - für 585er Gold gebe es nun entsprechend weniger.

Security vor der Tür

Zöbelein rät seinen Kunden, selbst mitzudenken und mitzurechnen. Schon eine einfache Briefwaage reiche, um den ungefähren Wert seines Goldes mit Hilfe des aktuellen Goldpreises zu bestimmen (wie Sie den Wert Ihres Goldschmuckes selbst berechnen können, lesen Sie hier). Dann empfiehlt es sich, eine Runde in der Stadt zu drehen und verschiedene Händler um ein Angebot zu bitten. Am Ende landeten die meisten natürlich bei ihm, sagt Zöbelein feixend, während er das eben angekaufte Zahngold in einen seiner unzähligen Behälter einsortiert.

Bei einem größeren Goldankauf notiert Zöbelein immer die Nummer des Personalausweises, um sich vor Hehlerware zu schützen. Wenn auffälliger Schmuck gestohlen wurde, erfährt er das von der Polizei. Doch die meisten Betrüger würden sowieso von der Security vor der Tür abgeschreckt werden, meint Zöbelein. Probleme mit Diebesgut habe er fast nie.

Für den Zahntechniker aus Spanien hat sich die Anreise auch diesmal gelohnt. Auf dem Kassendisplay steht nun ein vierstelliger Betrag: "Grün oder lila?", fragt Zöbelein und hält 100-Euro- und 500-Euro-Scheine bereit. Die Zählmaschine rattert. Manche haben zum ersten Mal in ihrem Leben einen 500-Euro-Schein in der Tasche, wenn sie den Goldladen verlassen - für Zöbelein ist das Papier Alltagswerkzeug.

Ja, gibt der 60-Jährige zu, ein wenig verliere man den Bezug zum Geld schon. Wahrscheinlich auch, weil der Diplom-Ingenieur so viel mehr an das Gold als an das Papiergeld glaubt: "Für eine Unze haben Sie schon im alten Rom eine Toga bekommen und heute ist es ein Maßanzug. Daran hat sich nichts geändert", sagt Zöbelein. Geld könne man drucken, Gold müsse man erst einmal finden. Das sei eben der große Unterschied.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: