Finanznot der Krankenkassen:Operation gelungen, Versicherung pleite

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Die Finanzlage vieler gesetzlicher Krankenkassen erodiert. Was Versicherte beachten müssen, wenn sie wegen der Zusatzbeiträge von ihrem Recht eines Anbieterwechsels Gebrauch machen wollen.

Andreas Jalsovec

Bei Dörte Elß laufen die Drähte heiß. Die Gesundheitsexpertin der Verbraucherzentrale Berlin steht am Dienstag seit zehn Uhr morgens per Telefonhotline den Versicherten der zahlungsunfähigen City BKK Rede und Antwort. "Wir hatten zuletzt sehr viele Anfragen verunsicherter Kassenkunden", sagt Elß.

Die Reform des Gesundheitswesens gleicht, um im Bild zu bleiben, einem riskanten Eingriff am offenen Herzen (hier eine Bypass-Operation an der Medizinischen Hochschule Hannover): Patienten, Kassen, Kliniken, Mediziner, Apotheken und Pharmabranche sollen sparen und gleichzeitig immer mehr leisten.  (Foto: ddp)

Einerseits wüssten viele der oft älteren Versicherten nicht, wie sie eine neue Krankenkasse finden und wie der Wechsel funktioniert. Andererseits beschwerten sich noch immer viele, dass sie "von anderen Kassen abgewimmelt werden"; manchen passiere das schon zum zweiten oder dritten Mal.

Deutschlands Krankenversicherte erleben derzeit turbulente Zeiten. Das gilt nicht nur für die Mitglieder der City BKK. Deren Kasse schließt zum 1. Juli - und sie müssen sich nun zwangsweise eine neue suchen.

Andere Versicherte hingegen dürften sich bald freiwillig auf die Suche nach einer neuen Kasse machen. Denn viele gesetzliche Versicherungen müssten in den kommenden Jahren Zusatzbeiträge von bis zu 70 Euro im Monat erheben - das kündigte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung jetzt an. Nicht wenige Patienten fühlen sich daher alleingelassen mit ihren Fragen.

Warum zum Beispiel erheben immer mehr Kassen zusätzliche Beiträge?

Die Versicherer hätten Mehrkosten für Ärzte, Kliniken oder Medikamente zu schultern, sagt die Chefin des Kassenverbands, Doris Pfeiffer. Daher seien Zusatzbeiträge von 50 bis 70 Euro "denkbar und auch von der Politik gewollt". Hintergrund: Die Kassen dürfen den Einheitssatz von 15,5 Prozent nicht anheben. Daher bleibt ihnen nur der Zusatzbeitrag, wenn sie mit den Einnahmen aus dem regulären Beitrag nicht auskommen. Er wird zusätzlich zum normalen Beitrag fällig. Den Aufschlag müssen allein die Versicherten tragen, Arbeitgeber oder Rentenversicherer bleiben verschont. Familienversicherte, also Kinder oder Ehepartner, sind davon aber befreit. Geringverdiener oder Hartz-IV-Bezieher bekommen einen Sozialausgleich.

Wie hoch ist der Zusatzbeitrag?

Das kann jede Kasse selbst festlegen. Theoretisch gibt es nach oben keine Grenze. Allerdings scheuen sich die Kassen, ihren Mitgliedern immer mehr Geld abzuverlangen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Versicherte dann die Kasse wechseln. Das hat auch die City BKK in die Pleite getrieben. Derzeit erheben bundesweit 13 Kassen Zusatzbeiträge. Der höchste monatliche Aufschlag liegt bei 15 Euro.

Kann man problemlos wechseln, wenn die Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt?

In diesem Fall haben Versicherte ein Sonderkündigungsrecht: Sie können bis zu dem Zeitpunkt kündigen, zu dem der Zusatzbeitrag erstmals fällig wird. Die Kündigungfrist beträgt zwei Monate. Kommt der Beitrag etwa zum 1. Juni, können Versicherte bis zum 1. August wechseln. Die Kasse schickt eine Kündigungsbestätigung. Mit der beantragt man die Aufnahme beim neuen Versicherer.

Muss jede andere Kasse jeden Bewerber nehmen?

Ja - und zwar ohne Einschränkung. Das machte auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr jetzt im Fall der City BKK klar: "Die Gesetzeslage ist eindeutig: Kein Versicherter darf von einer anderen gesetzlichen Kasse abgelehnt werden." Dennoch werden vor allem ältere und kranke Versicherte immer wieder von anderen Kassen abgewiesen, weil sie vergleichsweise hohe Kostenrisiken darstellen. "Solche Fälle gibt es nicht erst seit der Pleite der City BKK", sagt Kai Vogel, Krankenkassenexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Vor allem ältere Versicherte wüssten oft nicht, dass gesetzliche Kassen jeden aufnehmen müssen, "egal wie alt sie sind oder welche Krankheit sie haben". Verbraucherschützerin Elß rät den Versicherten, sich gar nicht erst auf Diskussionen einzulassen: "Man sollte sich einen Mitgliedsantrag besorgen, ihn ausfüllen und abgeben. Dann muss einen die Kasse auch aufnehmen."

Wie findet man die richtige Kasse?

Versicherte sollten nicht nur darauf achten, ob die Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt; wichtig ist auch, sich zu überlegen, welche Leistungen man braucht. Zwar sind 95 Prozent aller Leistungen bei den gesetzlichen Kassen gleich. Manche Versicherungen schreiben in ihrer Satzung aber Zusatzleistungen fest.

© SZ vom 18.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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