Youtube:Dieses Start-up sucht Videos, die niemand sehen will - und verdient Millionen

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Auf Youtube sucht Jukin Media nach Videos, die kaum jemand anklicken wollte - und erreicht damit eine Milliarde Abrufe pro Monate. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Die Youtube-Clips von Jukin Media werden eine Milliarde Mal pro Monat abgerufen, doch die ursprünglichen Eigentümer gehen leer aus.

Von Michael Moorstedt

Das erste Video, das auf Youtube hochgeladen wurde, zeigt einen der Mitgründer, wie er vor einem Elefantengehege Nonsens erzählt. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Seit Herbst 2015 gibt es den kostenpflichtigen Service Youtube Red, in der kommenden Woche starten dort die ersten selbst produzierten Serien und Spielfilme, bestückt mit jenen hausgemachten Stars, denen Millionen Menschen folgen.

Das führt dazu, dass Youtube kaum noch von herkömmlichen Fernsehsendern unterscheidbar ist. Der Erfolg bringt auch Nachteile mit sich. Es gibt einfach zu viel Zeug im Netz. Die Theorie des "Long Tail", nach der jedes virtuelle Kulturgut sein Publikum findet, wenn es nur lange genug online steht, greift nicht mehr. Mehr als die Hälfte aller Videos auf Youtube wird nur 500-mal oder weniger aufgerufen. Es gibt noch immer ein Netz, das unsichtbar ist.

Aus Ramsch will Jukin Media Gold machen

Nun gibt es aber Medienunternehmen, die auch diese Inhalte noch zu Geld machen wollen. In den Räumen des Start-ups Jukin Media suchen ein paar Dutzend Klickarbeiter sämtliche Social-Media-Kanäle nach Videos ab, die sich niemand ansehen will. Sie durchforsten den Bodensatz des Web 2.0 nach verwertbaren Szenen: ein Typ im Hamsterkostüm, der auf einer Geburtstagsparty ausrutscht, ein Akkordeon spielender Mops.

Jukin Media bezahlt seine Angestellten also für das, was der Rest der arbeitenden Bevölkerung vor dem strengen Auge der Chefs eher verheimlicht. Haben sie einen vielversprechenden Clip gefunden, kontaktieren sie die Nutzer, die ihn ursprünglich hochgeladen haben, und lassen sich gegen einen eher geringen Betrag die Urheberrechte überschreiben. Meist bewegt sich der irgendwo zwischen 50 und ein paar Tausend US-Dollar.

Eine Milliarde Aufrufe pro Monat

"Accidental Creators", nennt Jukin-Gründer Jonathan Skogmo diese Menschen, die im vermeintlich richtigen Augenblick auf den Record-Knopf gedrückt haben. Eine Milliarde Aufrufe haben die Youtube-Kanäle von Jukin Media laut eigenen Aussagen pro Monat, kaum eines der Videos dauert länger als zwei Minuten. Das Kalkül ist einfach: Keine Nische ist klein, kein Malheur abseitig genug, als dass sie nicht irgendwo auf der Welt auf Resonanz stoßen würden.

Mit viel Glück gehen die Videos viral, wie man sagt. Sie werden auf Tumblr und auf Twitter geteilt, irgendwann wird ein Buzzfeed-Redakteur darauf aufmerksam, und schon wird das Video im Morgenmagazin ausgestrahlt. Von den Werbeeinnahmen, die dann sprudeln, sehen die Originalfilmer nichts mehr. Inzwischen wird Kritik an dem Geschäftsmodell laut. Start-ups wie Jukin würden auch noch den letzten Rest des wilden, ungezügelten Raums, der das Internet einmal war, kommerzialisieren.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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