Recherche:"SZ-Magazin"-Artikel löst Betriebsprüfung bei Facebooks Dienstleister aus

A 3D plastic representation of the Facebook logo is seen in this illustration in Zenica

Facebook hat Ärger wegen der Arbeitsbedingungen seiner Content-Moderatoren.

(Foto: REUTERS)
  • Das Berliner Amt für Arbeitsschutz prüft, unter welchen Bedingungen die sogenannten Content-Moderatoren bei der Bertelsmann-Tochter Arvato Beiträge bei Facebook löschen.
  • Auslöser für die Untersuchung war eine Recherche: Mehrere Mitarbeiter hatten im SZ-Magazin schwere Vorwürfe gegen ihren Arbeitgeber erhoben.

Die Stadt Berlin untersucht die Arbeitsbedingungen bei Facebooks deutschem Dienstleister für das Löschen von Nutzerbeiträgen, der Bertelsmann-Tochter Arvato. Die Behörde prüft, ob Arvato sich ausreichend um die psychische Gesundheit seiner Mitarbeiter kümmert und sich an das Arbeitszeitrecht hält.

In einer unangekündigten Betriebsprüfung befragten zwei Mitarbeiter des Berliner Amts für Arbeitsschutz (LAGetSi) Ende Februar Beschäftigte und nahmen Unterlagen mit, berichtet der Spiegel. Das deckt sich mit laufenden Recherchen des SZ-Magazins, dessen Reporter mit dem Amt und Mitarbeitern von Arvato in Kontakt stehen.

Im SZ-Magazin hatten Mitarbeiter anonym schwere Vorwürfe gegen ihren Arbeitgeber erhoben. Sie müssen verstörende, von Nutzern gemeldete Inhalte wie Enthauptungsvideos und Kinderpornographie im Akkord abarbeiten und in kürzester Zeit entscheiden, ob Texte, Fotos und Videos entfernt werden müssen. Die Mitarbeiter beklagten ausnahmslos, nicht ausreichend auf diese Tätigkeit vorbereitet und psychologisch nicht angemessen betreut zu werden.

"Ausreichender Anfangsverdacht"

Die Veröffentlichung des Artikels löste die Prüfung durch das LAGetSi aus. "Normalerweise werden wir aktiv, wenn sich Mitarbeiter einer Firma bei uns beschweren", sagte Harald Henzel, Sprecher des Amtes auf Nachfrage der SZ. "Doch in diesem Fall haben die im Magazin beschriebenen Arbeitsbedingungen einen ausreichenden Anfangsverdacht dargestellt, der uns zu einer Untersuchung veranlasst hat."

Auch der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun hatte sich nach Veröffentlichung des Artikels Ende Dezember an das Amt gewandt und in einem Brief eine Untersuchung der Arbeitsbedingungen bei Arvato gefordert. Der Bericht gebe Anlass zu dem Verdacht, dass Arvato im Auftrag von Facebook "nachhaltig und systematisch gegen das Arbeits- schutzgesetz verstößt..

Arvato suche nach den Quellen, berichten Mitarbeiter

Das Amt war nach der Veröffentlichung zu einem ersten, vereinbarten Termin bei dem Dienstleister Arvato erschienen. Beim zweiten Mal kamen die Prüfer unangemeldet. Arvato und Facebook hatten die Vorwürfe der Mitarbeiter zurückgewiesen. Arvato verweist auf umfassende Betreuungsangebote für sein Personal. So könne man etwa auch "außerhalb der Arbeitszeiten" psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Ehemalige und derzeitige Mitarbeiter von Arvato widersprechen dieser Darstellung und berichten von gestiegenem Druck und systematischer Suche nach den Quellen des Artikels.

Der Leiter des LAGetSi sagte am Freitagnachmittag auf Nachfrage der SZ: "Bislang gibt es keinen Anlass für ordnungsbehördliches Handeln." Dies sei aber kein Freispruch für die Firma. Man prüfe weiterhin eingehende Vorwürfe, die über die bisher geprüften Unterlagen hinausgehen. Ehemalige und derzeitige Mitarbeiter von Arvato hatten sich kürzlich bereiterklärt, mit dem LAGetSi zusammenzuarbeiten, um die Arbeitsbedingungen der sogenannten Content-Moderatoren in dem Unternehmen untersuchen zu lassen. Allerdings konnte das Amt ihnen bislang keinen geeigneten Ansprechpartner nennen, mit dem die teils traumatisierten Personen vertraulich sprechen können. Man arbeite an einer Lösung, sagte der Leiter der Behörde, Robert Rath am Freitag.

Neue Eskalationsstufe im Justizministerium

Ein Bild von den Arbeitsbedingungen durften sich trotz mehrmaliger Anfragen weder ein Vertreter des Bundesjustizministeriums machen, noch die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Renate Künast.

Für das Ministerium ist eine neue Eskalationsstufe erreicht: Justizminister Heiko Maas legte vor Kurzem einen Gesetzentwurf vor, der soziale Netzwerke in Deutschland zu mehr Transparenz verpflichten soll. Der Entwurf ist umstritten, rückt aber zum ersten Mal die extreme Arbeitsbelastung der sogenannten Content-Moderatoren von Internetfirmen in den Fokus. Laut dem Entwurf müssten Firmen wie Facebook unter anderem offenlegen, wie sie mit ihren Content-Moderatoren umgehen: Wie sie geschult werden und auch, wie ihre psychologische Betreuung aussieht.

Aufmerksam auf die Arbeitsbedingungen bei Arvato wurden auch die Mitarbeiter des Ministeriums eigenen Angaben zufolge durch die Recherchen des SZ-Magazins.

Lesen Sie hier den ganzen Artikel, der die Prüfung auslöste:

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