Urteil:BGH untersagt Facebook "Freunde finden"-Funktion

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Facebook vor Gericht (Foto: Dimitrov)

Facebook darf die E-Mail-Adressen seiner Nutzer nicht für die Anwerbung neuer Kunden nutzen.

Von Wolfgang Janisch

So ganz naiv ist der aufgeklärte Nutzer sozialer Netzwerke ja längst nicht mehr. Dass es das oberste Anliegen von Facebook sei, seinen Mitgliedern den Weg zu öffnen, "mit den Menschen in deinem Leben in Verbindung zu treten", wie der Werbeslogan nahelegt: das glaubt ohnehin niemand mehr. Doch in seinem an diesem Donnerstag verkündeten Urteil findet der Bundesgerichtshof (BGH) eine ziemlich ernüchternde - und damit realistische - Formulierung für die so nett klingenden Freunde-finden-Einladungen des Netzwerks: Das Versenden solcher Mails an Nichtmitglieder von Facebook "ist eine wettbewerbsrechtlich unzulässige, weil belästigende Werbung", sagte der Senatsvorsitzende Wolfgang Büscher.

Der Rechtsstreit geht auf eine Klage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen zurück - auf der Grundlage der Geschäftsbedingungen des Jahres 2010. Um Kontakte zwischen seinen Nutzern und möglichen Zugängen anzubahnen, lud Facebook seine Nutzer bei der Registrierung dazu ein, ihre Mailadressen importieren lassen - mit dem freundlich klingenden Hinweis: "Das Durchsuchen Deines E-Mail-Kontos ist der schnellste Weg, Deine Freunde bei Facebook zu finden." Laut BGH war das irreführend - weil daraus nicht klar genug hervorging, dass mithilfe der Kontaktdaten auch noch nicht registrierte "Freunde" angeschrieben werden sollten. In einem zweiten Schritt wurden dann die Einladungsmails versandt, denen später "Erinnerungsmails" folgten.

Es handle sich doch "um den Wunsch des Nutzers, ein Netzwerk aufzubauen", sagt der Anwalt

Die damals üblichen Freunde-finden-Mails sind laut BGH unzulässig, weil nach deutschem Wettbewerbsrecht - das auch für Facebook gilt - Werbemails ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung nicht erlaubt sind. Facebook-Anwalt Thomas von Plehwe hatte in der Karlsruher Verhandlung noch mit der so altruistisch klingenden "Philosophie" des Unternehmens zu argumentieren versucht: Bei der Freunde-finden-Mail "handelt es sich um den Wunsch des Nutzers, sein Netzwerk aufzubauen". Soll heißen: Facebook stellt nur die technische Infrastruktur zur Verfügung, die Einladungsmail werde hingegen vom nach Freunden suchenden Nutzer ausgelöst. Dem hat der BGH nun ausdrücklich widersprochen: "Der private Charakter, dass Nutzer ihren Freundeskreis erweitern wollen, tritt hinter der Werbung zurück", erläuterte Büscher.

Darin steckt eine grundlegende Aussage: Das Werben der Plattform um neue Mitglieder - kaschiert als individueller Kontaktwunsch - ist ein kommerzielles Geschäft und unterliegt damit den werberechtlichen Einschränkungen. "Es geht maßgeblich darum, aus geschäftlichen Interessen neue Mitglieder für das Netzwerk zu gewinnen", hatte Verbraucher-Anwalt Peter Wassermann argumentiert.

In Berlin läuft derzeit bereits noch ein Verfahren gegen Facebook

So klar die Aussage im Grundsatz ist, so ungewiss ist freilich, was daraus für die aktuelle Praxis von Facebook und anderer Plattformen folgt. Facebook hat seine Bedingungen inzwischen geändert, neu registrierte Nutzer haben nun mehr Einfluss darauf, an wen Einladungen verschickt werden. Zwar dürften Einladungsmails an Nichtnutzer nach wie vor rechtlich äußerst problematisch sein, jedenfalls dann, wenn sie von Facebook vorformuliert sind. Was aber beispielsweise für das Hochladen der Adressdateien von Neukunden gilt, werden wohl erst weitere Prozesse klären. Im Karlsruher Fall war die Verbraucherinformationen zur Nutzung der abgesaugten Adressen ziemlich undurchsichtig - inzwischen ist sie nach Einschätzung der Verbraucherschützer transparenter, wenngleich noch nicht klar genug.

Ohnehin dürfte die juristische Auseinandersetzung um die sozialen Netzwerke erst am Anfang stehen. In einem derzeit beim Landgericht Berlin anhängigen Verfahren spielt ebenfalls die kommerzielle Natur des Netzwerks eine Rolle. Die Verbraucherzentrale hat Facebook wegen der Werbeaussage "Facebook ist und bleibt kostenlos" verklagt - weil die Verbraucher für ihren Facebook-Account zwar nicht in Euro, aber eben mit ihren Daten bezahlten. In dem Prozess wird es zudem darum gehen, ob Voreinstellungen wie etwa der aktivierte Ortungsdienst auf einem Nutzeraccount zulässig sind. Oder auch um eine Klausel, welche die Datenweitergabe an die USA zulässt. So dürfte bei Facebook und Co. ein juristischer Kreislauf bevorstehen, wie man ihn etwa von den Gefechten um das Kleingedruckte der Banken kennt: Die Verbraucherschützer klagen, die Gerichte verurteilen, die Unternehmen bessern halbherzig nach. Woraufhin die Verbraucherschützer wieder klagen.

© SZ vom 15.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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