Smartphone-Sicherheit:Heimlich lauschen per Bewegungssensor

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Nicht nur das Mikrofon birgt ein Risiko: Forscher haben jetzt gezeigt, dass man Gespräche auch über vermeintlich harmlose Smartphone-Sensoren abhören kann. Und diese sind wesentlich einfacher anzuzapfen.

Von Helmut Martin-Jung, München

Misstrauische Zeitgenossen machen das schon lange so: Wenn sie etwas wirklich Vertrauliches zu besprechen haben, müssen die Handys der Teilnehmer in den Kühlschrank. Das könnte auch gegen den neuesten Trick helfen, mit dem sich Smartphones als Wanzen benutzen lassen: über das Gyroskop.

Was das ist, wissen zwar die wenigsten Handynutzer, die Funktion allerdings kennen sie, zum Beispiel von Spielen, bei denen man das Handy neigen oder kippen muss. Denn das winzig kleine Bauteil tut dasselbe wie ungleich größere Geräte, die man zum Beispiel in der Fliegerei oder in der Raumfahrt verwendet: Mit dem Kreiselinstrument stellt man die Lage und Neigung eines Körpers im Raum fest.

Eine Gruppe von Forschern um den Informatiker Yan Michalevsky von der Stanford University hat nun gezeigt, dass die kleinen Bauteile, die in fast jedem Smartphone stecken, so empfindlich sind, dass sie auch die Erschütterungen registrieren können, die entstehen, wenn in einem Raum jemand spricht. In einem Aufsatz beschreiben Michalevsky und Kollegen, wie sie aus den Daten von Gyroskopen und einer Menge angewandter Mathematik tatsächlich interessante Bruchstücke einer Konversation rekonstruieren konnten. Am besten funktioniert das Verfahren ihrer Darstellung nach, wenn man sich auf eine festgelegte Zahl von akustischen Mustern beschränkt.

Jede App kann auf das Gyroskop zugreifen

Genau das tut der Algorithmus, den die Forscher entwickelt haben. Er sucht in dem zunächst völlig ungeordneten Datenwust nach Mustern, vor allem den akustischen Mustern, das Zahlen abgeben, wenn man sie ausspricht.

Warum gerade das besonders interessant sein könnte, wird dann klar, wenn man weiß, wie die Daten aus dem Gyroskop eigentlich zu einem potenziellen Lauscher kommen. Dazu könnte nämlich im Prinzip jedes beliebige Handyprogramm dienen. Während die Zugriffe auf Kamera oder Mikrofon bei der Installation wenigstens eigens abgefragt werden, ist der Zugriff auf den Bewegungssensor bis jetzt überhaupt nicht beschränkt. Die App müsste nur so oft wie möglich auf das Gyroskop zugreifen und die Rohdaten übers Internet verschicken. Den Rest würde man mit potenten Rechnern erledigen, zum Beispiel um durchgegebene Kreditkartennummern abzufangen.

Andere Forscher hatten gezeigt, wie sich aus per Video aufgenommenen Vibrationen einer Chipstüte akustische Informationen rekonstruieren lassen. Das Tipp-Geräusch von Tastaturen kann verräterisch sein, das mechanischer Schreibmaschinen und Nadeldrucker ebenso. Die Aufnahmegeräte reagieren eben sensibler als die menschlichen Sinne, und die Rechenmethoden und -kapazitäten sind enorm.

© SZ vom 19.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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