Rena Tangens:Die Tüftlerin und der Parteisoldat

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Rena Tangens, Gründerin von Digitalcourage e.V., erhält den deutschen Verbraucherschutz-Preis. (Foto: N/A)

Rena Tangens kämpft seit Jahrzehnten gegen Überwachung. Jetzt wird sie dafür ausgezeichnet - von einem, dem ihr Engagement eigentlich ein Dorn im Auge sein müsste.

Von Varinia Bernau

Rena Tangens, Künstlerin und nimmermüde Kämpferin gegen die dunklen Seiten der Technik, wird, endlich, für ihren Einsatz geehrt - und das auch noch von einem, gegen den sie zuletzt ordentlich gewettert hatte. Tangens , die ihr Alter nicht verrät, ist Vorsitzende des Vereins Digitalcourage, der Ende der Achtzigerjahre in Bielefeld aus einem losen Treff von Leuten entstanden ist, die neugierig auf Computer waren. Anfangs hockte sie da mit Freunden vom Chaos Computer Club in einer Galerie, ein Modem zwischen den Kaffeebechern, bastelte ein bisschen rum - und auf einmal konnte sie Nachrichten der Washington Post mitlesen. Die Macht, die sie auf einmal erlangt hatte, war ihr unheimlich. Und je weiter die Technik immer neue Bereiche des Alltags durchdrang, desto stärker machte sie es sich zur Aufgabe, das Machtgefälle zwischen denen, die sich mit Technik auskannten, und denen, die davon keine Ahnung hatten, zu überwinden.

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Während des Bosnienkriegs baute sie mit Mitstreitern für 5000 Menschen im belagerten Sarajevo mit einem E-Mail-System einen verlässlichen Kommunikationsweg. Seit 2000 verleiht ihr Verein die Big-Brother-Awards, die sie selbst "die Oscars für die Überwachung" nennt - in diesem Jahr unter anderem an Mattel für eine mit Mikrofon und Wlan ausgestattete Barbie. Die verwickelt Kinder in ein Gespräch und sendet deren Wünsche vom Kinderzimmer an die Konzerne.

Und 2003 zwang der Verein den Handelskonzern Metro in die Knie: Der hatte in einem Supermarkt Payback-Karten mit Funkchips ausgestattet, die aufzeichneten, durch welche Regale sich die Kunden bewegten - und zwar ohne dass diese darüber informiert wurden. Nach einer Demo des Vereins und einem Bericht in den ARD-Börsennachrichten zog Metro die Karten aus dem Verkehr. Für Tangens sind solche Erfolge von unschätzbarem Wert. "Wir versuchen, den Leuten zu zeigen, welche Macht man entfalten kann", sagt sie. "Es ist gefährlich, wenn sich Resignation und das Gefühl von Ohnmacht breitmachen." Damals hatte der Verein nur 60 Mitglieder, heute sind es mehr als 1000. Aus deren Spenden finanziert Tangens die Aufrüttelaktionen.

Von Justizminister Maas wünscht Tangens sich mehr Mut

Kürzlich war sie mit einigen wieder mal demonstrieren. Vor der SPD-Zentrale. Gegen die von Justizminister Heiko Maas unterstützte Vorratsdatenspeicherung. Schon vor Jahren hat Tangens dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Erfolgreich. Maas boxt das umstrittene Instrumentarium aber gerade auf Geheiß seines Parteichefs durch.

Und er überreicht Tangens nun für ihre Engagement in Berlin den Bundespreis der Deutschen Stiftung Verbraucherschutz. Sie hege keinen Groll gegen seine Person, sagt sie. Aber sie würde sich von ihm mehr Mut wünschen. "Es ist Aufgabe der Politik, die Grundrechte der Bürger zu verteidigen - anstatt in vorauseilendem Gehorsam den Überwachungswünschen von Geheimdiensten und Polizei zu entsprechen und vor der Datengier der Internetkonzerne zu kapitulieren", mahnte die streitbare Frau.

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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