Protest gegen Berlusconi-Gesetz:Italienische Wikipedia geht offline

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Ein neues Gesetz erbost Italiens digitale Aktivisten: Weil Internetseiten zur Löschung kritischer Inhalte gezwungen werden sollen, sehen Blogger und Diskussionsforen ihre Existenz bedroht. Die italienische Wikipedia zieht nun drastische Konsequenzen.

Italiens Politik hat ein ganz besonderes Verhältnis zum Internet: Bereits seit 2001 müssen Blogger ihre Website offiziell bei den örtlichen Behörden registrieren, schon seit Jahren diskutieren konservative Parteien darüber, die Meinungsäußerung im Netz strenger zu regulieren.

Wikipedia-Seite (Symbolbild): "inakzeptable Einschränkung der Freiheit und Unabhängigkeit." (Foto: Robert Schlesinger/dpa)

Das Resultat dieser Diskussion ist ein Gesetz, das sich "DDL intercettazioni" nennt und gerade von der Berlusconi-Regierung verabschiedet wurde. Tritt es in Kraft, kann jeder, der sich in einem elektronischen Medium falsch dargestellt oder beleidigt fühlt, eine Richtigstellung und Löschung der entsprechenden Aussagen erwirken. Folgt der Seitenbetreiber diesem Wunsch nicht innerhalb 48 Stunden, muss er eine Strafe von 12.000 Euro zahlen.

Die Brisanz des Gesetzes wird noch dadurch verschärft, dass kein Gericht und keine Behörde die Vorwürfe prüfen - ein einziger Hinweis des vermeintlich Beleidigten genügt, um die Löschung durchzusetzen.

Weil das Gesetz nicht nur Online-Seiten und Blogs, sondern auch die Web-Enzyklopädie Wikipedia betrifft, greifen die italienischen Wiki-Verantwortlichen nun zu drastischen Mitteln: Das digitale Lexikon ist erst einmal aus dem Internet verschwunden.

"Warum wollt Ihr uns neutralisieren?"

Einzig eine Stellungnahme ist zu lesen, in der es heißt: "Die Verpflichtung, auf unsere Seite eine Korrektur veröffentlichen zu müssen (...), ohne überhaupt das Recht zu besitzen, die Aussagen zu diskutieren und zu verifizieren, ist eine inakzeptable Einschränkung der Freiheit und Unabhängigkeit der Wikipedia." Wie lange das Lexikon offline bleibt, ist nicht bekannt.

Internet-Aktivisten befürchten, dass sich manche Personen der Zeitgeschichte des Gesetzes bedienen, um unliebsame Einträge über sich löschen zu lassen. Eines der höchsten Gebote der Wikipedia ist aber die korrekte Darstellung der Fakten und die Neutralität der eigenen Artikel - die damit womöglich nicht mehr gewährleistet wäre. Am Ende der Wiki-Protestnote steht deshalb in fetten Lettern: "Wir sind schon neutral - warum wollt Ihr uns neutralisieren?"

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