Microsoft:Angst vor der Wolke

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Microsoft-Chef Satya Nadella in Berlin: Kurzer Auftritt, klare Botschaft - die deutschen Kunden sollen bekommen, was sie verlangt haben. (Foto: Gregor Fischer/dpa)
  • Seit der NSA-Affäre gibt es viele Vorbehalte gegenüber digitalen Diensten aus der Cloud. Vor allem bei Anbietern aus den USA.
  • Microsoft präsentiert nun eine Antwort und kündigt eine "deutsche Cloud" an.

Von Helmut Martin-Jung, Berlin

Der Auftritt war so, wie man Satya Nadella kennt: kein langes Vorgeplänkel, pragmatisch, auf den Punkt. Die Deutschen, darauf lässt sich die kurze Ansprache des Microsoft-Chefs in Berlin an diesem Mittwoch reduzieren, wollten ihre Daten am liebsten in Deutschland speichern. Also bekommen sie eine deutsche Cloud. Ein bisher einzigartiges Modell sieht vor, dass das Telekom-Tochterunternehmen T-Systems in zwei deutschen Rechenzentren eine Treuhänder-Funktion für die Daten der Kunden übernimmt.

Microsoft liefert lediglich die Infrastruktur und die Software. Die Rechenzentren werden damit unter deutschem Recht betrieben - das soll gewährleisten, dass amerikanische Behörden etwa bei strafrechtlichen Ermittlungen auch mit einem Durchsuchungsbefehl keinen Zugriff auf die Daten erhalten.

Denn dieses Risiko gab es bisher: Da Microsoft ein US-Unternehmen ist, verlangten die Behörden auch den Durchgriff auf Rechner der Firma im Ausland. Damit würden Firmen, die solche Daten ihrer Kunden speichern, sich nach deutschem Recht strafbar machen. Microsoft führt zwar in New York einen Prozess gegen diese Vorgehensweise, wollte aber dessen Ausgang ganz offenbar nicht abwarten: "Deutschland ist einer unserer wichtigsten Märkte", sagte Firmenchef Nadella, "er ist entscheidend für unseren Erfolg."

"Nicht ob, sondern wann"

Das Thema Cloud, die Speicherung von Daten und Nutzung von Software-Dienstleistung in externen Rechenzentren also, ist für viele deutsche Unternehmen noch immer eine Technologie, die sie eher beargwöhnen - besonders nach den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden. Auch wenn den meisten klar ist: "Die Frage ist nicht ob, sondern wann und wie Cloud-Technologie in Unternehmen eingesetzt wird", sagt die Cloud-Expertin des Beratungsunternehmens IDC, Lynn-Kristin Thorenz. Immerhin gäben mehr als 60 Prozent der deutschen Unternehmen inzwischen an, dass sie bereits Cloud-Dienste nutzten oder dabei seien, sie einzurichten.

Schon bisher hatte Microsoft für seine europäischen Kunden angeboten, die Daten lediglich auf den Rechnern in Dublin und Amsterdam, den beiden bisherigen Rechenzentrums-Standorten in Europa, abzulegen. Da aber Microsoft der Betreiber ist, blieb die Frage offen, ob US-Behörden, sich nicht dennoch Zugriff verschaffen können. Mit dem neuartigen Treuhänder-Modell soll dies nun ausgeschlossen werden. Damit fiele eine wichtige Hürde weg, die besonders für viele kleine und mittlere Unternehmen ein Argument gegen die Cloud und die damit verbundenen Vorteile wie Sicherheit, Kosteneinsparung und bessere Online-Verfügbarkeit von Daten war.

Ungeklärt bleibt aber auch hier, ob das neue Modell wirklich juristischen Auseinandersetzungen standhalten wird. Denn Microsoft nimmt zwar für sich in Anspruch, man habe gar keinen Zugriff mehr auf die Daten in den deutschen Rechenzentren, wie Dirk Bornemann, Microsoft-Justiziar für Deutschland, argumentiert.

Das aber, sagt der Cloud-Experte des Beratungsunternehmens Forrester, Paul Miller, könnte sich am Ende als "hohles Versprechen" herausstellen: Um wirklich sicher zu sein, müsse man die erste Klage dagegen abwarten und auch noch die nächsten Instanzen in diesem möglichen Verfahren. Damit Europa im globalen Wettstreit der Digitalisierung vorankomme, brauche es vor allem erheblich stärker vereinheitlichte Gesetze, so Miller. Ein erster Schritt könnte die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung sein, die womöglich bereits im Frühjahr nächsten Jahres verabschiedet wird. Sollte sich das Treuhändermodell als juristisch haltbar erweisen, wären auch die Bedenken deutscher Datenschützer ausgeräumt, die bisher befürchten, dass personalisierte Daten durch Rechtsstreitigkeiten in den USA offengelegt werden könnten.

Was viele, vor allem größere, Unternehmen nicht davon abgehalten hat, massiv in die Cloud zu investieren. "Ohne Cloud geht es nicht", sagt etwa Arthur Kaindl, der bei Siemens für digitale Gesundheitsdienste verantwortlich ist. "Viele medizinische Geräte erfassen tagtäglich eine Menge an Daten, doch die meisten davon bleiben ungenutzt." Nur über eine Cloud-Plattform könnten die Daten für eine vertiefte Analyse zur Verfügung gestellt werden. Wer etwas in dieser Art anbieten wolle, müsse aber schnell handeln, sagt Kaindl, "als Zweiter hast du keine Chance."

Deutschland ist in Sachen Cloud und Digitalisierung bisher eher zögerlich gewesen. In wichtigen Branchen wie etwa dem Fahrzeugbau hängt man einer Erhebung von TNS Infratest zufolge im internationalen Vergleich weit zurück, Ähnliches gilt für das Gesundheitswesen. Technologieberater erwarten aber, dass durch die Digitalisierung bis 2018 ein Drittel der Marktführer durch den digitalen Wandel in Schwierigkeiten geraten oder sogar untergehen. "Ganze Branchen transformieren sich", sagt Beraterin Lynn-Kristin Thorenz.

Für Microsoft und besonders für T-Systems könnte die deutsche Cloud ein gutes Geschäft werden. Wenn der Dienst von der zweiten Jahreshälfte 2016 an in Rechenzentren in Frankfurt und Magdeburg an den Start geht, soll er nämlich etwa 25 Prozent teurer sein als bisherige Angebote von Microsoft.

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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