Deutscher Computerspielpreis:Wer wird denn hier erwachsen sein ...

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Wenn in Deutschland die besten Computerspiele ausgezeichnet werden, preist auch schon mal ein Bundesminister das neue Kulturgut. Doch die Politik hat sich bei der Vergabe des Deutschen Computerspielpreises ein seltsames Vetorecht sichern lassen. Das sorgt für Ärger.

Von Pascal Paukner

Alexander Dobrindt ist gut drauf. Er betritt die Bühne nicht einfach. Nein, der Minister spurtet. Drei große Sätze und schon fast hat er das Rednerpult erreicht.

Dann legt er los. Dobrindt eröffnet die Gala zur Verleihung des Deutschen Computerspielpreises. Und wer von dem Konservativen nun eine abwägende Rede über Chancen und Gefahren des Videospielens erwartet hat, irrt. Der Minister gibt sich ganz und gar begeistert. Es soll ja kein Zweifel aufkommen: Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, die Bundesregierung - sie stehen hinter diesem Preis.

Hätte Dobrindt einen solchen Auftritt bei irgendeiner anderen Preisverleihung abgeliefert, es wäre vermutlich alles dazu gesagt. Da es aber um den Deutschen Computerspielpreis geht, ist die Sachlage wieder einmal etwas komplizierter. Der Preis hat einen Makel. Noch immer wird er von weiten Teilen der Gamer-Szene nicht anerkannt, sechs Jahre nachdem die Auszeichnung vom Bundesministerium und zwei großen Industrieverbänden ins Leben gerufen wurde.

Auch in diesem Jahr tobt wieder ein erbitterter Streit um die Vergabekriterien: Nur wenige Tage vor der Preisverleihung gaben zwei Redakteure angesehener Spielezeitschriften ihren Rücktritt aus der Jury bekannt. Der Vorwurf der Protestierenden an die Veranstalter lautet, der Preis würde "die Behandlung von Spiele als Kulturgut zweiter Klasse befördern, oder zumindest tolerieren".

Man könnte meinen, die Videospiele wären aus dem Gröbsten raus

Das klingt hart, fast schon aus der Zeit gefallen. In den meinungsbildenden Feuilletons der Zeitungen haben die Meisterwerke der Branche doch längst ihren Platz, meint man. In der gesellschaftlichen Debatte um die Wirkung von Gewaltdarstellungen haben kluge Empiriker die Meinungsführerschaft übernommen. Und war nicht die ganze mit 345 000 Euro hochdotierte Veranstaltung eigentlich als Friedensangebot der Politik an Industrie und Szene gedacht? Die Videospiele sind doch aus dem Gröbsten raus, könnte man meinen.

Offensichtlich nicht. Die neuen Vergabekriterien sind in der Tat ungewöhnlich. Darin ist festgelegt, dass schon drei Jurymitglieder ausreichen, um die Vergabe eines Preises zu verhindern. Es ist ein Vetorecht für die Politik: In der Jury sitzen neben Wissenschaftlern, Branchen- und Pressevertretern auch mehrere Politiker. Wird ein Spiel auf diese Weise blockiert, wandert es in eine neu geschaffene Sonderkategorie "Jurypreis". Bemerkenswert dabei: Das Preisgeld in dieser Kategorie wird alleine von der Industrie aufgebracht, die Politik beteiligt sich daran nicht. Damit ist es der Politik möglich, sich von unliebsame Spielen zu distanzieren.

Sonderpreis an Serious Games

Zwar gilt die Neuregelung in diesem Jahr noch nicht. Viel Fantasie braucht man aber auch vor dem Hintergrund kontroverser Vergabeentscheidungen der letzten Jahr nicht. Zumal sich die Jury auch in diesem Jahr offenbar nicht auf einen Preisträger in der Rubrik Serious Games einigen konnte. Das Genre fiel in diesem Jahr unter den Tisch, es wurde nur ein Sonderpreis vergeben.

Wer am Veranstaltungsort im Münchner Postpalast am Donnerstagabend nach Hinweisen auf diese Meinungsverschiedenheiten suchte, wurde natürlich nicht fündig. Das Ambiente war gehoben, der Teppich rot. Es gab Sekt und Brezn. In Bayern geht das als erstklassige Verpflegung durch. Minister Dobrindt lobte die deutsche Games-Branche für ihre "Wirtschaftskraft, die sich international messen lassen" könne und den Preis dafür, dass er "auf einer Ebene mit dem Deutschen Filmpreis oder dem Echo" stehe.

Weder Dobrindt noch die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner oder Dobrindts Staatssekretärin Dorothea Bär sprachen die Kritiker in ihren Reden an. Die Anerkennung unter den Gamern dürfte das trotz der warmen Worte wohl kaum vergrößert haben.

Die Preisträger im Jahr 2014

Bestes Deutsches Spiel The Inner World (Studio Fizbin, Headup Games) Bestes Kinderspiel Malduell (Cribster) Bestes Jugendspiel Beatbuddy: Tale of the Guardians (THREAKS) Bestes mobiles Spiel CLARC (Golden Tricycle / Hahn Film AG) Bestes Browser Game ANNO Online (Blue Byte, Ubisoft) Bestes Nachwuchskonzept Scherbenwerk - Bruchteil einer Ewigkeit (HAW Hamburg) Sonderpreis The Day the Laughter Stopped (Hypnotic Owl)

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