Bezahlen mit NFC-Chip:Smartphones als digitaler Geldbörsenersatz

Kontaktlose Bezahlen mittels Nahfeld-Technologie war in Deutschland bislang kaum möglich. Doch das ändert sich: Bis Jahresende wollen allein die Sparkassen 16 Millionen NFC-Karten ausliefern. Es bleiben Sicherheitsbedenken.

Peter Stelzel-Morawietz

Kein Bargeld? Kein Problem. Zahlt man eben mit Karte. Doch das Kassenterminal will mal wieder nicht, und in der Schlange hinter einem werden schon die Ersten nervös. Dabei gäbe es gerade für kleinere Summen auch einfachere Lösungen, zum Beispiel per NFC. Die Abkürzung steht für Near Field Communication, zu Deutsch Nahfeldkopplung oder Nahfeldkommunikation. NFC regelt den Austausch von Daten per Funk über kurze Entfernungen von höchstens zehn Zentimeter. Eine der möglichen Anwendungen von NFC ist das berührungslose Bezahlen. Dabei genügt es, das NFC-Telefon oder die Karte auf ein Lesegerät zu legen, schon wird der Bezahlvorgang ausgeführt und das Geld abgebucht.

Die Technik dahinter ist ausgereift, Firmen setzen sie längst für Zugangskontrolle oder zum Bezahlen des Kantinenessens ein. Wo das NFC-Modul dabei steckt, in einer Karte, in einem Schlüsselanhänger oder in einem Handy, ist unerheblich.

Doch das berührungslose Bezahlen hat sich in Deutschland bisher nicht durchsetzen können - auch weil es kaum Möglichkeiten gab, per NFC zu bezahlen. Das aber könnte sich in Kürze ändern. Für das kontaktlose Kassieren gibt es zwei Möglichkeiten: entweder über eine NFC-fähige EC-, Bank- oder Kreditkarte oder mit einem Smartphone, das mit einem NFC-Chip ausgestattet ist. Dazu hat die deutsche Kreditwirtschaft Ende Mai im Großraum Hannover sowie in Braunschweig und Wolfsburg ein zwölf Monate laufendes Pilotprojekt gestartet. Zum Start erhielten mehr als eine Million Kunden neue Bankkarten mit Girogo-Chip. So nennen Banken und Sparkassen ihr System zum Bezahlen ohne PIN und Unterschrift. Dahinter steckt nichts anderes als NFC.

16 Millionen NFC-Bankkarten bis Jahresende

Die Beträge sind bei Girogo zunächst auf 20 Euro beschränkt, bezahlt werden kann unter anderem bei Edeka, McDonald's, den DM-Drogeriemärkten, der Parfümerie Douglas, beim Buchhändler Thalia sowie an Esso-Tankstellen. Bis zum Ende dieses Jahres wollen die deutschen Sparkassen insgesamt rund 16 Millionen NFC-fähige Bankkarten ausliefern, bestätigt Michaela Roth, Pressesprecherin beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband.

Aber auch Visa und Mastercard bringen unter den Bezeichnungen Visa PayWave und Mastercard PayPass Kreditkarten mit NFC-Modul in den Verkehr. Einige deutsche Banken liefern neue Kreditkarten schon in der PayWave- beziehungsweise PayPass-Variante aus. Beträge bis 25 Euro laufen damit per Funk ohne PIN-Abfrage. Mastercard-Kunden zeigt der PayPass Merchant Locator im Internet, in welchen Geschäften berührungslos bezahlt werden kann.

So wie im Geschäft berührungslos bezahlt werden kann, ist dies auch an Fahrschein-, Park- oder Zigarettenautomaten möglich. Die Deutsche Bahn setzt NFC derzeit als eine von mehreren Optionen zur Standortbestimmung für das Handy-Ticket Touch & Travel ein, nicht aber zum Bezahlen. Die Abrechnung erfolgt ganz traditionell monatlich per Lastschrift.

Datenschützer protestieren gegen NFC

Nur für eigene Kunden hat das Mobilfunkunternehmen O2 im Oktober das NFC-Bezahlsystem mpass eingeführt. Kontaktlos bezahlt werden kann zunächst an den Star-Tankstellen im Großraum Hamburg, bis zum Jahresende sollen die O2-Shops und Conrad Elektronikmärkte bundesweit folgen. Statt mit einer speziellen Bankkarte lässt sich auch per Handy mit integrierter NFC-Funktion bezahlen.

Abgesehen vom im September vorgestellten neuen iPhone 5 verfügen insbesondere die hochwertigen Smartphones anderer Hersteller bereits über NFC: unter anderem das Galaxy S3 von Samsung, die neuen Nokia-Modelle Lumia 820 und 920 mit Windows Phone 8, das HTC One X und viele weitere. Insgesamt haben derzeit rund 50 Handys NFC integriert, darunter auch einige preiswertere Modelle für etwa 100 Euro.

In Deutschland sind Smartphones allerdings noch bei keinem Anbieter, Händler oder Dienstleister zum kontaktlosen Bezahlen zugelassen. Deutsche Telekom und Mastercard haben angekündigt, in der ersten Hälfte des nächsten Jahres gemeinsam eine Bezahloption mit NFC-Handys zu starten. In den USA dagegen bietet Google Besitzern von Smartphones mit dem firmeneigenen Betriebssystem Android schon die Möglichkeit, über die Applikation Google Wallet mit dem Handy zu bezahlen.

Bezahlt wird berührungslos und vollautomatisch, einen Knopf zum Bestätigen der Transaktionen oder eine optische Kontrolle wie bei den QR-Codes für Flug- und Bahntickets gibt es nicht -, schließlich soll der Bezahlvorgang ja schnell abgewickelt sein. Genau daran regt sich Kritik. Sicherheitsexperten fürchten, dass Diebe die elektronische Geldbörse von Kunden leer räumen, wenn sie nur nah genug an den NFC-Chip gelangen. Sich dem Geldbeutel oder dem Handy in der Hosentasche auf wenige Zentimeter zu nähern, ist zumindest theoretisch möglich.

Schadcode auf Smartphones als Gefahr

Noch schlimmer scheint das Szenario, die Handys über spezielle NFC-Befehle mit Schadcode zu infizieren und damit zu übernehmen, so wie dies bei Computern möglich ist. Im Sommer haben Sicherheitsspezialisten demonstriert, dass dies funktioniert. Schließlich gibt es Kritik an der Verschlüsselung und an den Daten, die bei jedem Bezahlvorgang übertragen werden. Weil die Girogo-Karten die letzten 15 Bezahlvorgänge unverschlüsselt speichern, lassen sich diese Daten auch per Funk auslesen. Dass dabei Datum, Uhrzeit, Betrag und die Händlerkennung hinterlegt sind, findet der Deutsche Sparkassen- und Giroverband unbedenklich.

Der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, dagegen hält dies für "unprofessionell und unverantwortlich". Seiner Ansicht nach ist es ohne großen Aufwand möglich, diese Daten bestimmten Kunden und Läden zuzuordnen. Wer der Bequemlichkeit halber NFC nutzen, sich aber vor dem Auslesen seiner Bank- oder Kreditkarte schützen möchte, kann diese in eine metallüberzogene Hülle stecken.

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