Architektur im Silicon Valley:Auf die äußeren Werte kommt es an

Architect Frank Gerhy to design Facebook Menlo Park campus

Zwei Jungs, die XXL-Lego spielen: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg (links) und Architekt Frank Gehry

(Foto: AFP)

Ausgerechnet der Gehry, ausgerechnet dem Zuckerberg! Der Stararchitekt entwirft dem Facebook-Gründer ein neues Gebäude. Das soll das Image stärken - und im Silicon Valley versuchen sie gerade, sich darin gegenseitig zu übertreffen. Was Architektur über Kultur und Geltungsdrang aussagt.

Von Gerhard Matzig

Zwei Jungs spielen eine Art XXL-Lego. Der im schwarzen T-Shirt sitzt mit verschränkten Armen am Ende des Basteltisches, auf dem ein großes Modell ruht. Der Bausatz erinnert an eine gigantische Lagerhalle ohne Dach. Der andere Junge, der im grauen T-Shirt, deutet mal hierhin, mal dorthin. Dann verschränkt auch er die Arme vor der Brust. Die beiden gucken etwas grimmig. Dann lachen sie wieder. Scheint letztlich doch einigermaßen lustig zu sein, das Spiel.

Es heißt "Corporate Architecture", oder schlicht CA, und ist natürlich alles andere als ein unterhaltsames Spiel für Kinder. Schließlich geht es um ernsthaft viel Geld. Und um die Zukunft sowieso. Weshalb hier auch nicht zwei Jungs am Basteltisch herumlümmeln, sondern zwei Männer, die sich nur als Jungs verkleidet haben. Wobei der eine, Frank Gehry, einer der berühmtesten Architekten der Gegenwart und mittlerweile 84 Jahre alt ist.

Der andere heißt Mark Zuckerberg und ist 28 Jahre jung. Er ist der Mann, der Facebook erfunden hat - somit dürfte er noch etwas berühmter sein als der Architekt. Über Zuckerbergs Leben gibt es bereits ein hollywoodeskes Biopic fürs Kino; und wenn Gehry die Architektur-Biennale in Venedig besucht, dann bitten ein paar japanische Architekturstudentinnen immerhin kichernd um ein Autogramm.

Seit bekannt geworden ist, dass ausgerechnet der Gehry ausgerechnet dem Zuckerberg am kalifornischen Facebook-Firmensitz Menlo Park ein neues Bürogebäude für einige tausend Mitarbeiter plant, gehen Fotos um die Welt, die die Geschichte der architektonischen Imagestrategie bereichern.

Ein Haus transportiert ein Image

Das Phänomen ist besser bekannt als Corporate Architecture. Etabliert wurde der Begriff gegen Ende der Achtziger-Jahre: Neben der Unternehmenspersönlichkeit einer Firma als soziales Gebilde (Corporate Personality), neben der entsprechenden Kommunikation (Corporate Communication) und dem Erscheinungsbild insgesamt (Corporate Design) wurde seither verstärkt auch die Architektur herangezogen, um die Identität des Unternehmens wie auch die Markennamen zu stärken beziehungsweise zu verfestigen. Das ist das Wesen der Corporate Architecture.

Mit anderen Worten: Bekannte Firmen arbeiten gerne mit bekannten Architekten zusammen, weil das Unternehmen mit Hilfe möglichst aufsehenerregender Bauten noch etwas bekannter werden möchte. Weil die Bauten das Wesen der Produkte, die darin erdacht, verwaltet oder hergestellt werden, ausdrücken - und letztlich den Charakter des Konzerns illuminieren sollen.

Manche Firma will eher seriös erscheinen, manch ein Unternehmen lieber kreativ wirken; manch eine Company verweist auf ihre lange Vergangenheit - während die andere bevorzugt die eigene Zukunftsfähigkeit herausstreichen möchte. In jedem Fall bietet sich die Architektur an. Die Baukunst war und ist seit jeher ein Produzent ikonischer Bedeutung. Häuser sind Images. Was auch immer die Firma sonst noch herstellt: Die Firmenarchitektur lässt auf jeden Fall Bilder entstehen. In der Wirklichkeit wie auch im Kopf.

Das gilt auch umgekehrt. Bekannte Architekten entwerfen den bekannten Unternehmen nur zu gerne neue Filialen und Hauptquartiere, Lagerhallen und Werksgebäude, weil diese Zusammenarbeit auch die eigene, nämlich die architektonische Marke stärkt. Ah, Coop Himmelb(l)au baut die neue Zentrale der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, schau, schau.

Und oh, sieh an, der neue Prada-Store in Tokio wurde also von Herzog & de Mauron aus Basel realisiert. Das sind doch die, die auch dem FC Bayern ein Stadion in München errichtet haben, von dessen Fassade seither auch die Allianz profitiert; immerhin bezahlt das Versicherungsunternehmen den Fußballern viel Geld dafür, die Star-Architektur-Kulisse, die zumindest an jedem Bundesliga-Samstag ausdrucksstark und telegen in die Wohnzimmer übertragen wird, mit dem eigenen Namen versehen zu dürfen. Und so weiter und so fort. Es dürfte sich um eine Situation handeln, von der beide etwas haben. Wenn auch manchmal die Baukultur zum einzigen Verlierer dieses großen, in letzter Zeit immer häufiger gespielten Spiels zu rechnen ist.

Bessere Büros für bessere Ideen

Erstmal darf man sich etwas wundern, dass der junge Zuckerberg ausgerechnet den seit Jahrzehnten etablierten Gehry als Architekten der neuen Zentrale erwählt hat. Gehry ist natürlich eine Ikone seiner selbst, ein Genie - und war einmal einer der großen Utopisten der Architektur. Aber das ist lange her. Für die Abteilung Innovation wären längst andere, noch nicht so namhafte Planer zuständig. Es wirkt ein bisschen so, als ob man sich bei Facebook weniger für das tatsächlich Neue interessieren würde, als stattdessen lieber auf das bewährte Alte zu setzen. Insofern passen Facebook und Gehry dann tatsächlich gut zusammen - Facebook ist mittlerweile ja auch nicht mehr gerade der Hotspot im Silicon Valley.

Und Gehry hat immerhin den Bilbao-Effekt erfunden. Er hat nämlich einst, bis 1997, die Guggenheim-Filiale in der nordspanischen Stadt Bilbao geplant und verwirklicht. Daraus wurde ein staunenswertes Gebilde, mehr Hingucker denn Museum, worüber man sich streiten kann. Aber entscheidend ist: Das Museum wurde mit Hilfe seiner architektonischen Hülle dermaßen bekannt, dass Bilbao seither prächtig von den Touristenströmen leben kann. Und auch das Museum kann eindrucksvolle Besucherzahlen nennen. Die teure Architektur hat sich als renditeträchtiges Investment erwiesen.

Kein Wunder also, dass auch Steve Jobs auf die Corporate Architecture verfiel. Vor seinem Tod im Oktober 2011 initiierte er noch ein neues Apple-Hauptquartier in Cupertino. Nach den Plänen von Norman Foster - auch er ein Garant für Architektur, die von sich reden macht - sollen in einigen Jahren 12.000 Mitarbeiter in einem Komplex untergebracht werden, der, so das Magazin Businessweek, fünf Milliarden Dollar kosten wird.

Auch dieses Projekt hat alles, was zum Wesen der CA zählt: eine möglichst spektakuläre Großform (in diesem Fall: die ringförmige, nein, nicht apfelförmige Form eines Ufos); ein innovatives Raumkonzept ohne hierarchische Büroraumstrukturen, das möglichst viel Kommunikation ermöglicht; ein "Grün"-Prädikat für ressourcenschonendes Bauen, für die Stromversorgung mit Hilfe eines eigenen, ökologisch gemeinten Kraftwerks (das dann aber doch vom Gas lebt) - und für einen Park mit vielen, vielen Bäumen (für den dann aber doch 3400 Bäume erst mal gefällt werden mussten); und letztlich: jede Menge PR.

Wobei es den klügeren Gebäuden der Corporate-Architecture-Ära nicht nur um äußere Werte geht. Sie beherbergen auch Räume, die so mitarbeiterfreundlich angelegt sind, dass die Arbeit darin um einige Grad effektiver von der Hand geht. Es gibt mehrere Studien, die die Effektivität von Arbeit in einen Zusammenhang mit der Qualität der Arbeitsstätten stellen.

In besseren Büros kann man nun mal auf bessere Ideen kommen. Das hat kein Unternehmen so verinnerlicht wie Google, in dessen europäischem Entwicklungszentrum in Zürich vor einigen Jahren das reinste Mitarbeiter-Paradies entstanden ist. Die Googlianer sollen sich hier dermaßen wohlfühlen, dass sie am besten gar nicht mehr heimgehen. Was einerseits die perfekte Corporate Architecture nach innen bedeutet - und andererseits eine ganz schön perfide Idee ist.

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