Forschung:Zeitverträge treiben die Wissenschaft ins Verderben

Die große Koalition wollte die Perspektive junger Wissenschaftler verbessern - geschehen ist nichts. Forscher müssen sich weiter nach der Laufzeit von Forschungsprojekten richten. Das ist unwürdig.

Kommentar von Roland Preuß

Es gab ihn mal, den Traumberuf Forscher. In diesem Traum entdeckt der einsame Tüftler grundlegende Naturgesetze, fahnden unbeirrte Wissenschaftlerinnen jahrelang nach sensationellen Dokumenten oder fördern Archäologen Pharaonen zutage. In diesen Geschichten, gerne im Kino erzählt, verkörpern Wissenschaftler die großen Persönlichkeiten, die Zeit haben, den Dingen auf den Grund zu gehen - und dafür belohnt werden. Die Wirklichkeit ist davon weit entfernt.

Ein großer Teil der Wissenschaftler hat weder Zeit für langwierige Untersuchungen noch bekommt er einen guten Lohn dafür. An deutschen Hochschulen bestimmt ein junges Wissenschaftsprekariat das Bild, Forscher, die sich von einem schlecht bezahlten Zeitvertrag zum nächsten Zeitvertrag hangeln. Der Traumberuf Wissenschaftler stirbt aus.

Eigentlich hatte die Koalition geplant, sichere Jobs zu schaffen

Die große Koalition war angetreten, dem entgegenzuwirken, so steht es jedenfalls im Koalitionsvertrag. Man wolle bessere Arbeitsbedingungen für Nachwuchsforscher schaffen, etwas gegen die große Unsicherheiten des Wissenschaftlerlebens unternehmen -das hatten Union und SPD vereinbart. Doch nun, nach monatelangen, mühsamen Verhandlungen, blockiert die Unionsfraktion nach Intervention der großen Forschungsorganisationen und Forschungsförderer überfällige Verbesserungen.

Dort will man auf die ach so praktische Rekrutierung des Fußvolks der Wissenschaft nicht verzichten. Die Menschen im Wissenschaftsbetrieb sollen ihr Leben nach der Laufzeit von Forschungsprojekten und Fördermitteln richten. Das ist unwürdig - und es kann nicht funktionieren: Gute Wissenschaft braucht gute Arbeitsbedingungen. Das heißt: Dauerstellen für Daueraufgaben und sichere Stellen während der Doktorarbeit oder Habilitation.

Die gängige Praxis von Befristungen und Billiglöhnen hat ihren Preis. Auf vielen Nachwuchswissenschaftlern lastet ein enormer Druck, in der kurzen Zeit, die ihnen ein Forschungsprojekt bietet, zu vorzeigbaren Ergebnissen zu kommen. Nur so haben sie eine Chance auf eine der wenigen Professorenstellen auf Lebenszeit. Dieser Druck verführt dazu, eigene Erkenntnisse zu übertreiben, unliebsame Ergebnisse wegzulassen - und manchmal sogar dazu, Daten zu fälschen. Der verschärfte Wettbewerb lässt so manchen Forscher tricksen. Die Wissenschaft schadet sich damit selbst. Der Druck hat aber auch Konsequenzen für das Leben der Wissenschaftler: Viele meinen, wegen der hohen Anforderungen auf Kinder verzichten zu müssen, was vor allem Frauen von einer Karriere in der Wissenschaft abschreckt.

Häufig gehen die Besten

Umso attraktiver erscheinen da Alternativen außerhalb einer deutschen Fakultät. Das können Stellen an renommierten Auslandsuniversitäten sein, wo deutlich besser gezahlt wird und bessere Perspektiven geboten werden als in Deutschland. Noch verlockender sind Angebote von Unternehmen, die für promovierte Physiker oder Maschinenbauer mitunter sechsstellige Jahresgehälter bieten. Solche Möglichkeiten locken auch diejenigen, die sich eigentlich der Forschung verschrieben haben, die aber die Unsicherheit scheuen, nach einer Ketten von Arbeitsverträgen mangels Professorenstelle als gescheitert zu gelten. Häufig gehen die Besten.

Mehr Geld allein löst diese Probleme nicht, das haben die vergangenen Jahre gezeigt. Ein Großteil des staatlichen Geldes wurde per Wettbewerb verteilt, befristet auf wenige Jahre - mit entsprechenden Jobs. Viele Professoren haben diese Vorgaben verschärft weitergegeben, sie halten ihre Mitarbeiter über Zeitverträge kurz und meinen, sie so zu Höchstleitungen anzustacheln. Es ist ein System, das für den einzelnen Professoren überaus bequem sein mag. Insgesamt aber führt es ins Verderben.

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