Schule:Was beim Abitur 2017 schiefgegangen ist

Abiturprüfungen in Bayern

Beim Abitur kann einiges schiefgehen.

(Foto: dpa)

Geknackte Schultresore, falsche Angaben, unvorbereitete Schüler: Eine Auswahl der diesjährigen Abi-Pannen.

Von Matthias Kohlmaier

Um ein bisschen was geht es ja schon, im Zweifel gar um die Zukunft. Wer zum Beispiel Jura studieren will, braucht für einen der begehrten Plätze einen sehr ordentlichen Notendurchschnitt im Abitur. Auch bei angehenden Medizinern sollte auf die Eins vor eine recht niedrige Ziffer nach dem Komma folgen, um Chancen auf einen Studienplatz zu haben.

Umso wichtiger ist es, dass bei den Prüfungen nichts misslingt. Dass die Schüler das nicht immer selbst in der Hand haben, zeigt sich in der aktuellen Abiturphase deutschlandweit. Eine unvollständige Liste von Versäumnissen und Schlampereien:

Matheabitur in Brandenburg

Die Aufgabe lesen und absolut keine Ahnung haben, was zu tun ist - für Schüler im Matheabitur dürfte das eine Horrorvorstellung sein. Umso schlimmer, wenn sie für ihre Ahnungslosigkeit nicht einmal etwas können. So geschehen in Brandenburg, wo ein Gutteil der 6000 Abiturienten in der Mathematikprüfung zum ersten Mal in ihrer Schulkarriere mit der natürlichen Logarithmusfunktion konfrontiert wurde.

Die steht zwar seit 2014 im Lehrplan, viele Lehrer haben sie im Unterricht aber offenbar dennoch ignoriert. Die Konsequenz: Nach der Abiturprüfung gingen beim zuständigen Ministerium zahlreiche Beschwerden ein. Auf Nachfrage gaben von 137 Schulen der gymnasialen Oberstufe immerhin 23 zu, die Funktion nicht behandelt und ihre Schüler folglich schlecht auf das Abitur vorbereitet zu haben.

Das Ministerium reagierte kulant, alle betroffenen Schüler dürfen die Prüfung wiederholen, wenn sie es wünschen. Der zuständige Minister Günter Baaske (SPD) lässt die Sache nun von externen Fachleuten prüfen und sagt: "Wir müssen sicherstellen, dass sich so ein Fall nicht wiederholt." Den Schülern aus dem aktuellen Jahrgang wird das leider nicht mehr helfen.

Falsche Kopien in Bonn

Nicht nur für Schüler, auch für Lehrer ist das Abitur eine stressige Zeit. Bevor die Aufgaben den Schülern vorgesetzt werden, müssen die Lehrkräfte sie erst mal selbst durcharbeiten. Ein Mathelehrer am Rhein-Sieg-Gymnasium in St. Augustin bei Bonn hat das sehr gewissenhaft erledigt, bei der Bearbeitung hatte er sogar zwei kleine Hilfslinien auf die Angabe gezeichnet. Dumm nur, dass ausgerechnet diese Angabe wenig später kopiert und den Prüflingen ausgeteilt wurde.

"Diese Linien waren für die Schüler keinerlei Hilfestellung", sagte Schulleiterin Birgit Fels dem WDR. Dennoch entschied die zuständige Schulaufsicht: Dieser Teil der Klausur muss wiederholt werden. Der betroffene Mathe-Grundkurs trat also ein zweites Mal an. Groll hegen die Schüler aber keinen gegen ihren Mathelehrer - wenngleich "die neue Aufgabe etwas schwieriger war", wie ein Abiturient im Nachhinein befand.

Falsche Jahreszahl in Baden-Württemberg

In Christoph Meckels Kurzgeschichte "Auf der Felsenkuppe" geht es, neben anderen großen Fragen, um das Unvermögen von Menschen, ordentlich miteinander zu kommunizieren. Das ist wichtig, weil die Geschichte Thema im baden-württembergischen Deutschabitur war - und es hier offenbar an ein paar Schulen Kommunikationsprobleme gegeben hat.

Über Lehrer, Tresore und die CSU

Auf den vorgedruckten Angaben war versehentlich als Publikationsjahr des Textes 1949 angegeben worden; korrekt ist 1960. Da der Fehler nicht mehr zu beheben war, wies das Kultuministerium alle Schulen an, ihre Schüler explizit auf die falsche Jahreszahl hinzuweisen. Das hat bei vielen geklappt, an zwei Gymnasien in Heidelberg und Östringen leider nicht.

Betroffene Schüler dürfen nun auch hier entscheiden, ob sie die Prüfung wiederholen wollen. Für manche dürfte das unabdingbar sein. Denn wer sich bei der Interpretation wegen der falschen Jahreszahl zu sehr auf eine Nachkriegsthematik konzentriert hat, hat das eigentliche Thema der Aufgabe mit großer Wahrscheinlichkeit verfehlt. Und wer an die Anstrengungen eines Deutschabiturs - fünf Stunden handschriftliche Ausführungen - denkt, der kann die Wut der beteiligten Abiturienten gut verstehen.

Geknackter Tresor in Stuttgart

Nachdem Einbrecher im Stuttgarter Solitude-Gymnasium nicht nur den Tresor geknackt, sondern auch die versiegelten Kuverts mit Abituraufgaben der Fächer Englisch und Mathematik geöffnet hatten, hatte plötzlich ganz Deutschland ein Problem. Denn was vor ein paar Jahren ein baden-württembergisches Ärgernis gewesen wäre, war aufgrund des Zentralabiturs plötzliches ein bundesweites.

2017 können sich erstmals alle Länder aus einem gemeinsamen Aufgabenpool bedienen, unter anderem in den Fächern Englisch und Mathe. Zwar waren in Stuttgart keine Aufgaben geklaut worden, aber die Täter hätten diese zum Beispiel abfotografieren können. Die Folge: Alle Länder wurden informiert, damit die nun möglicherweise vorab im Umlauf befindlichen Aufgaben nirgends verwendet werden. Schließlich wurden neue Aufgaben gedruckt und verteilt.

Die Causa rief übrigens auch Kritiker zentral gestellter Abituraufgaben auf den Plan. Ihnen entgegnete Kultusministerin Susanne Eisenmann via Deutschlandfunk: "Der Weg, das Niveau des Abiturs und auch die Abiturnoten in allen Bundesländern näher aneinander zu führen, bleibt trotzdem richtig. Da sollte man sich durch so einen Einbruch von einem guten Weg nicht abbringen lassen."

Falsche Englisch-Angaben in Sandhausen

Noch einmal Baden-Württemberg, diesmal Sandhausen, Englischabitur: Nach dem Einbruch in Stuttgart wurden landesweit die Englischabituraufgaben ausgetauscht. Das hat an 377 Schulen funktioniert. Nur ein Gymnasium in Sandhausen hat die neuen - laut Kultusministerium mit großen bunten Aufklebern gekennzeichneten - Angaben offenbar nicht als solche erkannt. Die Schüler wurden dort deshalb mit den alten Aufgaben geprüft.

Immerhin soll den Jugendlichen kein Schaden aus dem Versäumnis ihrer Lehrer entstehen, wie eine Sprecherin des Kultusministeriums in der Rhein-Neckar-Zeitung klarstellte: "Da die Schüler nichts für den Fehler können, sollen sie dafür auch nicht bestraft werden und keine zusätzliche Belastung haben." Zwar wurde den Abiturienten die Möglichkeit eingeräumt, die Prüfung zu wiederholen, weil das Abitur sonst anfechtbar wäre. Es sieht aber nicht so aus, dass einer der Sandhäuser Schüler tatsächlich ein zweites Mal zum Test antreten wird.

CSU grüßt mit Bild aus Magdeburg

Abschließend eine kleine Posse aus Bayern (und Sachsen-Anhalt): Zum Auftakt der Abiturprüfungen wünschte die CSU, ganz Volkspartei, auf ihrer Facebookseite "unseren bayerischen Schülern" ein frohgemutes "Toi, Toi, Toi".

Das beigefügte Bild zeigte Schüler, die in einer Turnhalle offensichtlich ihre Prüfungsaufgaben bearbeiten. Doof nur, dass es keine bayerischen Jugendlichen waren. Der Sohn von Sachsen-Anhalts SPD-Landeschef Burkhard Lischka erkannte sich selbst und sein Magdeburger Gymnasium auf dem Bild wieder. Und sein Papa erklärte, dass man doch gern in Bilderfragen helfe: "Selbst der CSU."

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