Klassenkampf - der Schulratgeber:Gleichheit gibt es nur in der Theorie

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Können Lehrer überhaupt alle Schüler gleich behandeln und betreuen? (Foto: Illustration: Jessy Asmus / SZ.de)

Manche Schüler werden besonders gefördert, andere weniger beachtet: Ist es normal, wenn Lehrer ihre Aufmerksamkeit unterschiedlich verteilen? Und wie sollten Eltern reagieren?

Von Matthias Kohlmaier

Die Leserfrage

Unsere älteste Tochter besucht jetzt im vierten Jahr eine private Montessori-Grundschule. Insgesamt sind wir mit ihrer schulischen Entwicklung zufrieden. Wir haben allerdings den Eindruck, dass die Lehrer dort nicht allen Kindern die gleiche Aufmerksamkeit widmen. Viel Energie wird für die Integrationskinder aufgewendet - was verständlich ist -, der Rest kommt großteils Kindern zugute, deren Eltern die Schule finanziell weit überdurchschnittlich fördern oder anderweitig der Schulleitung nahestehen. Der Rest der Schüler hat das Pflichtprogramm zu bearbeiten und "in der Spur zu laufen".

Die Schulleitung hat bisher schon auf dezente Kritik mit vehementer Abwehr reagiert. Wir fragen uns nun, ob wir auch unsere jüngere Tochter dort einschulen sollten. Ist es normal, dass die Aufmerksamkeit der Lehrer so ungleich eingesetzt wird und Kinder ohne Problem und/oder "Vitamin B" deutlich weniger individuelle Förderung erhalten? Was kann man dagegen tun?

Die Antwort

Von Lehrern wird grundsätzlich Objektivität erwartet. Jeder Schüler soll die gleiche Förderung erhalten, keiner zurückbleiben. Das hat die Kultusministerkonferenz in einer gemeinsam mit den Bildungs- und Lehrergewerkschaften verfassten Erklärung postuliert.

Aber, und das vergessen Politiker, Schüler und auch deren Eltern in der Diskussion oft: Lehrer sind tatsächlich auch nur Menschen, mit Launen, Sym- und Antipathien für ein Gegenüber und privaten Problemen. Von alldem sollte möglichst wenig in den Unterricht einfließen - gelingen kann das aber nicht jederzeit.

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Natürlich versuche sie, immer gegenüber allen Schüler objektiv und fair und im Bedarfsfall nachsichtig zu sein, sagt dazu eine langjährige Realschullehrerin aus Bayern, die ihren Namen hier nicht lesen möchte. Sie merkt aber auch an: "Es wäre aber doch unfair, jeden Schüler gleich zu behandeln, weil eben jeder anders ist, andere Bedürfnisse und Talente hat." So bekomme ein schwächerer Schüler für die korrekte Beantwortung einer einfachen Frage viel Lob von ihr, um sein Selbstbewusstsein zu stärken. Ein ohnehin Leistungsstarker brauche dieses Lob bei einer 0815-Antwort meist gar nicht.

Ja, es ist normal, dass Lehrer ihre Aufmerksamkeit ungleich verteilen. Im Idealfall aus den beschriebenen pädagogischen Gründen. Im weniger idealen, aber menschlich bisweilen nachvollziehbaren Fall, kann das auch mit persönlichen Befindlichkeiten zu tun haben. Die kann auch der professionellste Lehrer nicht immer unter Kontrolle halten.

Werden Kinder tatsächlich nur bevorzugt, weil ihre Eltern finanzielle Gönner der Schule sind, und/oder gute Beziehungen zum Rektorat haben, muss das thematisiert werden. Der Klassenelternsprecher oder der Elternbeirat der Schule können erste Ansprechpartner vor einem Gespräch mit der Schulleitung sein. Machen Sie hier Ihre Vorwürfe, die ja durchaus schwer wiegen, an konkreten Beispielen fest und bleiben Sie konstruktiv. Ist von Schulseite keinerlei Einlenken oder wenigstens das Bemühen zu erkennen, Ihre Vorwürfe ernst zu nehmen, ist die Frage, ob das eigene Kind an dieser Schule wirklich perfekt betreut wird, eigentlich schon beantwortet - und auch die nach der möglichen Einschulung eines weiteren Kindes.

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Für Ihre kleinere Tochter könnte es, wenn Sie am Montessori-Konzept festhalten wollen, eine ähnliche Schule in der Nähe geben. Falls nicht, schauen Sie auch die Regel-Grundschulen im Umkreis an. Auch dort wird immer mehr, wie das bei Montessori der Fall ist, Möglichkeit zur Freiarbeit eingeräumt und der seinerzeit alternativlose Frontalunterricht seltener.

Unproblematischer Wechsel an die Regelschule

Bei der älteren Tochter steht nach der vierten Klasse in den meisten Bundesländern der Wechsel an eine weiterführende Schule an. Nur wenige arbeiten aber nach den Vorgaben von Maria Montessori. Falls mit dem Schul- gleichzeitig auch ein Konzeptwechsel im Raum steht: Es ist ein Klischee, dass es beim Übertritt eines Montessori-Kindes an eine Regelschule immer zu Problemen kommt.

"Praktiker sehen hier keine anderen Anpassungsschwierigkeiten, so es überhaupt welche gibt, wie bei anderen Kindern auch", sagt Harald Ludwig, emeritierter Professor für Erziehungswissenschaften an der Uni Münster und Experte für die Montessori-Pädagogik. Er hört von Lehrern an weiterführenden Schulen eher, " dass ehemalige Montessori-Kinder selbstständiger arbeiten und mehr Fragen stellen". Da der Lehrplan an Montessori-Grundschulen weitgehend mit dem von Regel-Grundschulen übereinstimme, sei ein Wechsel auch aus diesem Grund meist unproblematisch.

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