Lehrer-Blog:Die Eltern sind los

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Von der Lehrerin zur Therapeutin: Manchmal muss Catrin Kurtz auch Tränen trocknen - von aufgelösten Eltern.

(Foto: Illustration: Katharina Bitzl)

Als hätte sie mit ihren Schülern nicht schon genug zu tun, muss sich Catrin Kurtz auch regelmäßig mit deren Müttern und Vätern rumschlagen. Die nutzen Elternabende gerne mal als Partnerbörse - oder reden beim Elternsprechtag lieber über sich als über ihre Kinder.

Nach jedem Elternabend bin ich froh, dass ich normalerweise mit Kindern arbeite. Die kann ich wenigstens ermahnen, wenn sie sich nicht ordentlich benehmen. Bei schwätzenden Erwachsenen darf ich keinen Wutschrei loslassen und sie fragen, ob sie gerne an meiner statt vorne an der Tafel weitermachen möchten. Professionelles Zusammenreißen ist angesagt - so wie beim letzten Elternabend, als die blondierte Mutter mit den Gelfingernägeln in der zweiten Reihe versuchte, mit einem hinter ihr sitzenden Vater Kontakt aufzunehmen.

Ich habe mich dann freundlich erkundigt, ob es irgendwelche Fragen oder Probleme gäbe, die ich gerne bereit wäre zu klären. Das darauffolgende betretene Schweigen war leider nur von kurzer Dauer. Die sehr laut getuschelten Flirtversuche zogen sich noch den ganzen Elternabend über, bis eine andere Schülermutter aus der letzten Reihe erbost nachfragte, ob man jetzt mal endlich leise sein könne. Vielen Dank!

Als Lehrer sondiert man bei Elternabenden erst einmal vorsichtig die Lage, wie denn die teilweise bis zu 40 Mann/Frau starke Elternschaft, die einem gegenübersitzt, so drauf ist. Da gibt es immer Eltern, die dieses Forum mit Vorliebe nutzen, um zu lamentieren und zu stänkern: Der Stundenplan geht so gar nicht und muss geändert werden, der Schulranzen ist viel zu schwer, das Kind, neben dem der eigene Filius sitzt, unmöglich, die Mathelehrerin eine Zumutung. Der Pausenhof ist zu klein, der Weg zur Sporthalle zu lang und die Wartezeit nach der Schule auf den Schulbus ebenfalls.

Wie das Futtertier im Löwengehege

Lassen sich andere Eltern davon mitreißen, kommt man sich als Lehrer mitunter vor wie im Löwengehege. Man versucht zu beschwichtigen, alle Probleme zu klären, um des Überlebens willen auch die, auf die man eigentlich keinen Einfluss hat - wie etwa Busfahrzeiten. Und ist zu vorgerückter Stunde heilfroh, wenn die Meute von einem ablässt. Bis zum nächsten Elternabend.

In der Zwischenzeit gibt es die allseits beliebten Elternsprechtage. Gespräche im Fünf-Minuten-Takt, das reicht gerade, um schwerwiegende Probleme anzureißen. Nimmt man sich mehr Zeit, gerät die Massenabfertigung ins Stocken, die Schlange vor der Tür wird immer länger und die anstehenden Mütter und Väter werden immer ärgerlicher. Die Stimmung sinkt endgültig in den Keller, wenn man fälschlicherweise vom Nachnamen des Schülers auf den der Mutter schließt - dann gehen die angedachten fünf Minuten gerne mal für einen Vortrag über Emanzipation und neue Familienformen drauf.

Überhaupt ist das mit den Namen eine verzwickte Sache. Mit das Unangenehmste ist, wenn man überhaupt nicht weiß, von welchem Kind überhaupt die Rede ist. Am ersten Elternsprechtag nach den Sommerferien kann das schon mal passieren - bei Dutzenden neuer Schüler, deren Vor- und Nachnamen behalten werden wollen. Da hilft nur noch Schema F: Ich versichere den Eltern, was für ein nettes Kind sie haben, fast schon zu ruhig, und gebe ihnen mit auf den Weg, den Sprössling zu mehr mündlicher Mitarbeit zu animieren.

Schwierig wird es, wenn Eltern das Gespräch mit der Religionslehrerin ihres Kindes mit einer Therapiestunde verwechseln, mir ihre Lebensgeschichte erzählen oder unter Tränen von ihren Problemen berichten - um dann mit roten Augen, immer noch leise schluchzend, das Klassenzimmer zu verlassen. Wenn ich in die entsetzten Mienen der wartenden Eltern blicke, tröstet mich ein Gedanke: Morgen warten wieder meine Schüler.

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