Der Referendar über die Lehrprobe, Teil zwei:Sagt endlich, was Sache ist!

Kolumne "Der Referendar"

Die erste von drei Lehrproben hat Referendar Pascal Grün hinter sich gebracht.

(Foto: SZ.de/Katharina Bitzl)

Trotz aller Coolness ist auch Referendar Pascal Grün vor seiner ersten Lehrprobe schrecklich aufgeregt. Seine Stunde läuft fast beängstigend gut - aber am Ende muss er doch noch zittern.

Kolumne "Der Referendar"

Pascal Grün ist 27 Jahre alt und unterrichtet als Referendar an einem bayerischen Gymnasium die Fächer Französisch und Spanisch. Auf SZ.de berichtet er regelmäßig über seine Erlebnisse als Referendar. Pascal Grün ist ein Pseudonym - zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz der Personen, über die er schreibt. Ansonsten ist "Der Referendar" aber maximal offen und ehrlich.

"Pfft, pfft, pfft..." Eifrig versprühe ich Reinigungsmittel, das die Whiteboards in neuem Glanz erstrahlen lassen soll. Die monotonen Bewegungsabläufe beruhigen meinen Herzschlag. Wenn ich auch die letzten Tage über Ruhe bewahrt habe, so bin ich - eine halbe Stunde vor meiner ersten Lehrprobe - doch sehr aufgeregt. Egal wie gut die Planung sein mag, für die perfekte Unterrichtsstunde braucht man etwas Glück. Trotz meiner raumpflegerischen Aktivität geht mir allerhand durch den Kopf und das Grübeln hat erst ein Ende, als meine Schüler die Bühne betreten.

Auch sie sind nervös. Viel schweigsamer als gewöhnlich setzen sie sich an ihre Plätze und kramen ihre Spanisch-Materialien hervor. "Wo bleiben die denn?", fragt Maria aus der ersten Reihe. Ja, noch ist sie nicht da, die Prüfungskommission, bestehend aus Seminarlehrern, Direktor und Betreuungslehrerin. "Alles gut, die kommen gleich", versuche ich meine Schäfchen (und mich selbst) auf Spanisch zu beruhigen.

Da ich ausblenden will, worum es heute geht, treibe ich fehlende Klausuren ein, als die Tür aufgeht und die Kommission endlich den Raum betritt. Der Direktor schreitet auf mich zu und wir reichen uns die Hand. "Buenos días", sage ich grinsend und versuche, gelassen zu wirken. Freundlich lächelnd entgegnet er dasselbe - wenn auch etwas holprig, denn Spanisch spricht er nicht. Dann begrüße ich den Rest der Kommission und zum Schluss meine Spanisch-Seminarlehrerin, die mir viel Erfolg wünscht. Ich verrücke die zurechtgelegten Unterlagen auf dem Pult noch einmal um zwei Millimeter nach links, dann um drei Millimeter nach rechts, blicke in die erwartungsvollen Gesichter meiner Schüler und los geht's: GONG!

Ich atme tief durch, die Nervosität ist wie weggeblasen. Die Jugendlichen ertasten zum Auftakt der Reihe nach mit verbundenen Augen Smartphone, Tablet, Laptop und wir halten die spanischen Begriffe an der Tafel fest (seit meinem ersten Lehrversuch weiß ich, dass ein haptischer Einstieg zieht). Zuletzt befühlt eine Schülerin erst das Gesicht ihrer Klassenkameradin, dann ein Buch und schafft das "Um-die-Ecke-Denken" zum englischen Begriff Facebook. Denn das Thema meiner Showstunde sind soziale Netzwerke. Wortschatzarbeit: check!

Mit dem Beamer präsentiere ich meinen Schülern einen Cartoon, aus dem sie die Nutzungsmöglichkeiten und Risiken von social media herausfiltern sollen. Es funktioniert: An der Tafel tragen wir Aspekte wie Kommunikation, Datenaustausch, Suchtgefahr und Datenschutz zusammen. Hörsehverstehen: check, Ergebnisse gesichert.

Für das folgende Stationengespräch bitte ich die Schüler, die bislang super mitarbeiten, ihre Namensschilder umzudrehen, denn die Symbole verschiedener sozialer Netzwerke auf deren Rückseite weisen sie einer bestimmten Gruppe zu. Die Zuordnung läuft reibungslos - gut, dass wir diese Aufgabenform in der Vorstunde geübt haben. An verschiedenen Stellen des Klassenzimmers stoßen die Schüler auf themenbezogene Gesprächsimpulse: provokante Zitate, verblüffende Statistiken, knifflige Schätzfragen, Fotografien von Kunstausstellungen. Vorbildlich beteiligen sich alle Schüler (auch die schwächeren) an den Diskussionen in Kleingruppen, sprechen ausschließlich Spanisch und wechseln auf Kommando die Station. Das läuft ja fast schon beängstigend gut.

"Nos vemos la semana que viene"

Einmal ertappe ich mich dabei, wie ich kurz zu den VIPs in einer Ecke des Raums hinüberschiele - aber ich konzentriere mich schleunigst wieder auf das Wesentliche. Mir ist etwas warm, also kremple ich die Ärmel meines Hemdes hoch. Als ein Umlauf voll ist, kehren die Schüler an ihre Plätze zurück und wir sichern die Ergebnisse, indem die Diskussionen der einzelnen Stationen resümiert werden. Das Tafelbild ist komplett, Sprechfertigkeit: check!

Bleibt noch der riskanteste Teil der Lehrprobe: Ohne Bedenkzeit müssen vier Schüler spontan ein Rollenspiel aufführen, in dem die besorgten Eltern ihren Kindern die Nutzung sozialer Netzwerke verbieten wollen. Aber aller Sorgen zum Trotz: Was die Jugendlichen abliefern, ist unglaublich; ein offener Schlagabtausch mit starken Argumenten, pfiffig dargeboten und gespickt mit Lachern. Alles en castellano! Als die Zeit knapp wird, nähere ich mich vorsichtig der Szenerie, die Kontrahenten verstehen meinen Wink und finden einen Kompromiss. Umwälzung des Lernstoffes: check!

Die Mitschüler applaudieren und nennen im sogenannten Blitzlicht wie erbeten rasch die verwendeten Argumente, die zu Hause in einem schriftlichen Kommentar ausgearbeitet und abgewogen werden sollen. Schreiben: check!

Ich blicke ein letztes Mal auf die Uhr und weiß, es passt. "Nos vemos la semana que viene. Adiós (Wir sehen uns nächste Woche. Tschüss!)." GONG! Meine Betreuungslehrerin lächelt angesichts der Punktlandung. Wenn das nicht für eine Eins reicht, dann weiß ich es auch nicht.

"Wir haben nun alles besprochen"

Meine Referendarskolleginnen betreten den Raum, um den Abbau von Beamer, Stationengespräch etc. zu übernehmen, denn ich muss der Prüfungskommission ins Büro des Direktors folgen und Stellung nehmen. "Es hat Spaß gemacht und die Schüler haben prima mitgearbeitet. Spontan würde mir nichts einfallen, was anders gelaufen wäre als geplant", sage ich selbstbewusst. Die Kommission hat keine weiteren Fragen (ist das ein gutes oder schlechtes Zeichen?) und zieht sich zurück. Ich gehe in den Seminarraum, wo mich viele Kollegen bereits erwarten. Toll, dass sie da sind, ihre herzlichen Umarmungen lassen mich die Aufregung vergessen.

Aber was haben die Prüfer denn so lange zu besprechen? Die Warterei kommt mir ewig vor, ich versuche dennoch, zuversichtlich zu bleiben. Endlich holt mich der Direktor ab. In seinem Büro setze ich mich zur Prüfungskommission an den Tisch und warte gebannt. "Wir haben nun alles besprochen." Oh Gott, bitte sag schon, was Sache ist! "Wir sind einhellig der Meinung, dass das eine sehr gute Stunde war. Wir geben Ihnen eine eins." Innerlich raste ich komplett aus, äußerlich lächle ich bescheiden. Der Direktor begründet kurz die Entscheidung, dann gratulieren mir alle. Nur meine Seminarlehrerin und ich bleiben für die intensive Nachbesprechung im Raum.

Ihr Feedback ist durchweg positiv. Die Reflektiertheit der einzelnen Unterrichtsschritte, die hohe Schüleraktivität, das Zeitmanagement, mein sicheres Auftreten und die Ergebnissicherung lobt sie besonders. Die vergangenen Wochen über kam immer mal wieder ein nettes Wort von ihr, was mich nach ihrer Strenge zu Schuljahresbeginn überrascht hat.

"Das Einzige, was man eventuell kritisieren könnte, ist das Hochkrempeln Ihrer Ärmel. Früher wäre das nicht gegangen", sagt sie zum Schluss. "Ja, früher", entgegne ich, "aber heute zieht sogar der US-Präsident während einer Ansprache sein Sakko aus und krempelt die Ärmel hoch." "Ich sehe, Sie wollen hoch hinaus, lieber Pascal."

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