Referendar über ersten Unterrichtsversuch:Mein Stündlein schlägt

Kolumne "Der Referendar"

Erkenntnis seiner ersten Unterrichtsstunde? Es gibt noch viel zu lernen - für Referendar Pascal Grün.

(Foto: SZ.de/Katharina Bitzl)

45 Minuten, eine elfte Klasse, "Die Eroberung Mexikos durch die Spanier" und nur Pascal Grün. Es läuft super für den Referendar. Nun ja, bis zur Nachbesprechung mit der Seminarlehrerin. Ein Drama in fünf Akten.

Kolumne "Der Referendar"

Pascal Grün ist 27 Jahre alt und unterrichtet als Referendar an einem bayerischen Gymnasium die Fächer Französisch und Spanisch. Auf SZ.de berichtet er regelmäßig über seine Erlebnisse als Referendar. Pascal Grün ist ein Pseudonym - zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz der Personen, über die er schreibt. Ansonsten ist "Der Referendar" aber maximal offen und ehrlich.

Ich hatte meinen ersten offiziellen Lehrversuch: 45 Minuten, nur ich, die Schüler und die wachsamen Augen meiner Seminarlehrerin (dazu später mehr). Nach den Eindrücken, die die Seminarlehrer während dieser Lehrversuche von den Referendaren sammeln, werden später die Klassen verteilt. Nette und leistungsstarke Klassen sind bei Junglehrern besonders begehrt - schon aus strategischen Gründen. Denn am Ende unseres zweijährigen Referendariats haben wir in allen Jahrgangsstufen eine Lehrprobe zu absolvieren. Und spätestens dann sind wir dankbar für nett und leistungsstark. Eine Lehr-Premiere in fünf Akten - in Anlehnung an das klassische Drama.

1. Exposition: Vorbereitung ist gut, Pedanterie besser

Klar, dass ich bei der Vorbereitung meiner ersten Unterrichtsstunde ganz besonders akribisch ans Werk gehe. Ich stürze mich für das Anschauungsmaterial in Unkosten (siehe 3. Akt), schnipsle und klebe das perfekte Vokabelmemory und schlage mich mit der Formatierung der selbst entworfenen Arbeitsblätter herum. 45 Minuten machen acht Stunden Arbeit. Das dauert zum einen so lange, weil man sich außerordentlich kreativ zeigen und alles perfekt machen möchte. Zum anderen fehlt bei nahezu allem die praktische Erfahrung: Material- und Themensuche, Aufgabenerstellung, Zeitmanagement. Wie lange habe ich noch mal studiert?

2. Komplikation: Lehrer? Panik-Rocker!

Ein selbstsicheres Auftreten, ohne dabei herrisch, arrogant oder gekünstelt zu wirken, ist im Lehrerberuf das A und O. Das weiß jeder Referendar, und sei es aus der eigenen Schulzeit. Unsere Gespräche vor dem ersten Lehrversuch drehen sich deshalb hauptsächlich um Stresspusteln, spontane Schweißausbrüche (mit verschiedensten Körperregionen als Epizentrum) und eine zittrige Stimme. Gegenmittel? Keine, zumindest keine nichtoperativen, lautet das niederschmetternde Fazit nach ausgedehnter Diskussion.

Während sich einige meiner Kollegen vor dem Unterrichten an sich fürchten, bekomme ich Schnappatmung beim Gedanken an das technische Equipment. Ob sich meine eigenen Lehrer im Angesicht von CD-Player und Overhead-Projektor wohl ähnlich hilflos fühlten? Klar weiß ich mit meinem Smartphone umzugehen - aber mit 28 abgestürzten Tablet-Computern? Luft. Weg.

3. Peripetie: Mein Stündlein schlägt

7.50 Uhr: Grüppchenweise trudeln die Elftklässler zum Spanischunterricht ein. Zeit für Nervosität bleibt nicht. Ich versuche, mir in zehn Minuten so viele Schülernamen wie möglich ins Kurzzeitgedächtnis zu pressen. Es funktioniert - die namentlich Angesprochenen sind kurze Zeit später angemessen beeindruckt, erste Sympathien gesichert. (Da sage noch mal einer was gegen Bulimie-Lernen.)

Um den Schüler den Einstieg ins Thema ("Die Eroberung Mexikos durch die Spanier") zu erleichtern, habe ich beim Gemüsehändler meines Vertrauens allerlei Lebensmittel besorgt, die aus Lateinamerika stammen. Die Schüler müssen Avocados, Tomaten und Erdnüsse ertasten und bei ihrem spanischen Namen nennen. Selbst die notorisch Unmotivierten in den hinteren Bankreihen arbeiten aktiv mit (so aktiv, dass die Avocado nach der Stunde zu Guacamole zerdrückt ist).

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