Zivilprozess:Gutachterstreit um Tonbandaufnahme

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Dieses Tonband soll der Entführer von Ursula Herrmann für seine Botschaften benutzt haben. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Vor dem Landgericht Augsburg steht das wichtigste Beweisstück im Mordfall Ursula Herrmann wieder im Mittelpunkt

Das Zeitalter der analogen Tonbandaufnahmen ist lange vorbei, doch in dem neuen Prozess um den Tod der zehnjährigen Ursula Herrmann im Jahr 1981 haben sich zwei Experten noch einmal mit längst vergangenen akustischen Phänomenen beschäftigt. So ging es in dem Verfahren vor dem Landgericht Augsburg am Donnerstag fast vier Stunden lang beispielsweise darum, welche Geräusche an einem alten Spulengerät beim "Drücken der Pause-Taste im Play-Modus" entstehen.

Hintergrund ist, dass Michael Herrmann den rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilten Kidnapper seiner Schwester Ursula auf 20 000 Euro Schmerzensgeld verklagt hat. Da der im Gefängnis sitzende 68-Jährige bis heute bestreitet, das Mädchen vor 37 Jahren verschleppt und getötet zu haben, rollt die Zivilkammer die Beweisaufnahme aus dem früheren Strafprozess zum Teil noch einmal auf.

In dem Strafverfahren war ein bei dem Entführer sichergestelltes Tonbandgerät das Hauptindiz. Mit diesem aus den 1970er Jahren stammenden Gerät hatte der Mann nach Überzeugung der Strafkammer damals das Erkennungssignal des Radiosenders B3 als Jingle für die Erpresseranrufe bearbeitet. Die Verurteilung beruhte weitgehend auf dem Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA) zu dem Spulengerät. In dem Zivilprozess stellte die LKA-Phonetikexpertin deswegen nun noch einmal dieses Gutachten vor. Walter Rubach, der Verteidiger des 68-Jährigen, zweifelt die Arbeit des LKA an und hatte sich deswegen einen Physiker als eigenen Experten mitgebracht.

Zwischen beiden kam es dann zum Schlagabtausch. Bei einer Diskussion über Lautstärkeunterschiede betonte der Physiker: "Das ist das Problem, dass wir unterschiedlicher Meinung sind!" Die LKA-Mitarbeiterin konterte postwendend: "Das werden wir auch bleiben." Von den langen Fragenlisten, die die Anwälte ihr schon vor dem Verhandlungstag vorgelegt hatten, ließ sich die 60-Jährige nicht aus der Ruhe bringen. Doch auch Michael Herrmann, als Musiker mit Studioerfahrung ebenfalls vom Fach, äußerte Bedenken. Ihm ging es beispielsweise um die Raumakustik bei der Aufnahme des Erpressertonbands, doch auch bei der Frage einer möglichen "Phasenauslöschung" durch falsche Platzierung des Mikrofons blieb die Gutachterin gelassen. "Es ist nicht wirklich überzeugend", meinte Herrmann später über das Gutachten. Auch Gegenanwalt Rubach sagte, dass ihm einige Antworten weiterhin nicht einleuchteten.

Der Fall Ursula Herrmann gehört zu den spektakulärsten Verbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Schülerin war damals am Ammersee in einer vergrabenen Kiste eingesperrt worden, sie erstickte darin. Erst 2010 war der Täter in Augsburg verurteilt worden. Doch nach der langen Zeit blieben viele Zweifel an diesem Schuldspruch. Beide Seiten hoffen, in dem seit Jahren laufenden Zivilverfahren nun noch offene Fragen klären zu können. "Es ist nach wie vor nicht klar, ob der richtige Mann in Haft sitzt", sagt Herrmann. Am 2. August setzt das Gericht das Verfahren fort, möglicherweise wird dann das Urteil verkündet.

© SZ vom 22.06.2018 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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