Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft:Fall Mollath - die Liste der Zweifel

Verfahren gegen Gustl Mollath

Gustl Mollath sitzt seit sieben Jahren in der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrie.

(Foto: SWR)

Eine unglaubwürdige Zeugin, ein seltsames Attest und offensichtlich falsche Anschuldigungen: Der Antrag der Staatsanwaltschaft zur Wiederaufnahme des Verfahrens im Fall Mollath führt zahlreiche Fehler auf.

Von Olaf Przybilla und Uwe Ritzer

Edward Braun kann sich nicht nur gut erinnern, er hat es sogar aufgeschrieben. Der Zahnarzt aus Bad Pyrmont notiert sich wichtige Vorkommnisse in seinem Kalender. So auch am 31. Mai 2002. Da findet sich in seiner Kladde ein handschriftlicher Eintrag über einen erbosten Anruf von Gustl Mollaths Ehefrau.

Was sie am Telefon gesagt haben soll, hat Braun, langjähriger Freund des Ehepaars, in einer Eidesstattlichen Versicherung geschildert und vor kurzem der Staatsanwaltschaft Regensburg bestätigt. Die Angaben sind ein Grund, weshalb das Verfahren gegen Mollath nun neu aufgerollt werden soll. Er sitzt seit sieben Jahren in der Psychiatrie, unter anderem wegen angeblich wahnhafter Schwarzgeldvorwürfe.

Neue Tatsachen verlangt die Strafprozessordnung für Wiederaufnahmeverfahren, und zwar solche, die zugunsten des Angeklagten gewertet worden wären, hätte man sie zum Zeitpunkt des Prozesses schon gekannt. Der Zeuge Braun und der von ihm geschilderte Anruf sind solche neuen Fakten, denn als Mollath vom Landgericht Nürnberg 2006 in die Psychiatrie eingewiesen wurde, kannte keiner Brauns Geschichte. Zeige Mollath den Arbeitgeber der Ehefrau und diese selbst an, dann mache sie ihn fertig, soll Mollaths damalige Frau zu Braun gesagt haben.

Sie war zu der Zeit Vermögensberaterin bei der HypoVereinsbank. Gustl Mollath warf ihr und einigen ihrer Kollegen illegale Geldgeschäfte für reiche Kunden in der Schweiz vor. Immer wieder drohte er deswegen mit Anzeigen. Gustl sei verrückt, und sie werde ihm etwas anhängen, wenn er keine Ruhe gebe, soll Frau Mollath am Telefon gesagt und sich ihrer guten Beziehungen gerühmt haben. Halte ihr Mann aber den Mund, so könne er 500 000 Euro von seinem Vermögen behalten.

Die Staatsanwaltschaft glaubt dem Zahnarzt. Umgekehrt sind die Strafverfolger nach mehrmonatigen Ermittlungen davon überzeugt, dass die Glaubwürdigkeit von Mollaths früherer Frau nicht nur durch Brauns Aussage schwer erschüttert sei. Dies geht aus dem Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft hervor.

Demzufolge zweifeln die Ermittler auch daran, ob tatsächlich alles richtig war, was Frau Mollath im Zuge der Verfahren gegen ihren früheren Mann behauptet hatte. Neue Tatsachen und Beweismittel belegten, dass die Angaben der Zeugin unglaubhaft und die Zeugin selbst unglaubwürdig gewesen sei, heißt es. Bislang hat die Justiz offiziell keine Angaben zum Inhalt der rund 150 Seiten gemacht.

Eine keinesweg wahnbedingte Einschätzung

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht der einzige Grund für eine Wiederaufnahme. Mollath stand 2006 vor Gericht, weil er 2001 seine Ehefrau schwer misshandelt haben soll. Als Beleg legte diese Monate später ein Attest ihrer Hausärztin vor. Es trägt die Unterschrift einer Nürnberger Ärztin. Tatsächlich aber hat es deren Sohn ausgestellt und unterschrieben, der damals noch Assistent war.

Allein das sei ein Grund, das Verfahren gegen Mollath wieder aufzurollen, befindet die Staatsanwaltschaft. Denn eine Wiederaufnahme ist dann zulässig, wenn in einem Prozess ein gefälschtes Dokument zu Lasten des Angeklagten verwendet wurde. Das Nürnberger Landgericht hatte sich beim Prozess gegen Gustl Mollath nicht die Mühe gemacht, das Attest zu hinterfragen oder die Ärztin als Zeugin zu vernehmen.

Auch andere Fehler machte die Kammer. So wertete sie Aussagen Mollaths als wahnhaft, in denen er einem psychiatrischen Gutachter vorgeworfen hatte, zu den "Schwarzgeldverschiebern" zu gehören. Objektiv war das zwar falsch. Doch sei diese Einschätzung keineswegs wahnbedingt, sondern eine logisch erklärbare Schlussfolgerung Mollaths aus realen Begebenheiten gewesen.

So weit wie Mollaths Anwalt Strate, der dem Vorsitzenden Richter Otto Brixner zehn Fälle von Rechtsbeugung vorwirft, will die Staatsanwaltschaft nicht gehen. Zu einigen von Strates Vorwürfen heißt es, sie müssten vom Gericht überprüft werden.

Einen Widerspruch sieht die Staatsanwaltschaft im Sonder-Revisionsbericht der Hypo-Vereinsbank. Dort heißt es als Fazit, alle nachprüfbaren Behauptungen Mollaths hätten sich als zutreffend herausgestellt. Das sei durch den Bericht selbst nicht gedeckt. Nicht alle, sondern nur die nachprüfbaren Behauptungen hätten sich als wahr erwiesen. Man habe den namentlich beschuldigten Bankern Schwarz- oder Bargeldtransfers in die Schweiz nicht konkret nachweisen können.

Ein Beweis dafür, dass es keine Verschiebungen gab, ist das aber nicht. Es sei allgemein bekannt, so die Staatsanwaltschaft, dass gerade um 1990 von deutschen Anlegern immense Bargeldbeträge in die Schweiz verbracht worden sind, um sie der Besteuerung zu entziehen. Dass es sich dabei um Schwarzgeld gehandelt habe, hätten die Strafverfolgungsbehörden nahezu täglich in ihrer Ermittlungsarbeit feststellen können.

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