Urwahl:Spitzenduo reloaded

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Ludwig Hartmann und Katharina Schulze sind noch jung und dennoch schon eingespielt im politischen Betrieb. Und würden gerne mal regieren. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Die Fraktionschefs der Grünen sollen die Partei auch in die Landtagswahl führen. Die CSU wollen sie thematisch stellen

Von Wolfgang Wittl, München

An der Wand ein paar Fotos der Kandidaten, vor der Bar vier Stehtischchen, natürlich grün dekoriert, daneben ein Banner mit der Aufschrift: "Zwei für Bayern." Welche zwei das sein werden, ist am späten Dienstagvormittag keine Überraschung mehr. Katharina Schulze und Ludwig Hartmann werden die Grünen in die Landtagswahl führen. Gleich laufen sie gemeinsam über den Rainer-Werner-Fassbinder-Platz zur Münchner Freiheizhalle. Kameraleute hasten ins Freie, so ein entschlossener Schritt verspricht ja immer schöne Bilder. Landeschefin Sigi Hagl spendiert den beiden Hoffnungsträgern eine Umarmung, einer aus der Partei stößt einen lauten Juchzer aus. Besser hätte auch der große Regisseur Fassbinder den Auftritt kaum inszenieren können.

Wie hoch die Erwartungen der bayerischen Grünen an ihr Spitzenduo sind, lässt sich am Resultat der Urwahl ablesen. Schulze erhält 89,3 Prozent - "ein überragendes Ergebnis", wie Landeschefin Hagl lobt. Zwar trat Schulze als einzige Frau an, doch bei den Grünen weiß man ja nie. Hartmann setzt sich mit 65,9 Prozent gegen Thomas Gehring (29,9) durch, den Geschäftsführer der Landtagsfraktion. Der bleibe "einer der herausragenden Köpfe" und "extrem wichtig", dankt der Landesvorsitzende Eike Hallitzky. Gekommen ist Gehring aber nicht. Die Bühne am Dienstag gehört allein den Siegern. Sie sollen den derzeitigen Umfrage-Höhenflug mit 14 Prozentpunkten bis zur Wahl im Oktober konservieren.

Mit Schulze, 32, und Hartmann, 39, setzen die Grünen auf ihre Fraktionschefs im Landtag, ein frisches und doch eingespieltes Team, wie Hagl sagt. Beide führen die Oberbayernliste an, nun sollen sie Bayerns Grünen die Richtung im Landtagswahlkampf weisen. Wofür sie stehen, haben sie in ihrer jungen Laufbahn gezeigt. Schulze und Hartmann lassen sich keinem der klassischen Parteiflügel zuordnen, sie konzentrieren sich auf Sachfragen. Und beide lassen keinen Zweifel daran, dass sie nach gut 30 Jahren Opposition die Zeit für gekommen halten, in Bayern endlich Regierungsverantwortung zu übernehmen.

Ihren Hauptgegner, die CSU, wollen sie thematisch stellen. Er habe gelernt, "durch Draufhauen gewinnt man keine Wahl", sagt Hartmann. Die Wähler erwarteten eigene Ideen. Ob Chancen der Digitalisierung oder Kampf gegen Flächenfraß, ob soziale Gerechtigkeit oder gesunde Landwirtschaft - die Grünen wollen sich nicht mehr in eine Nische schieben lassen, sondern ein breit gefächertes Zukunftsprogramm vorlegen, ohne ihre Herkunft zu verleugnen. Von der CSU als "Bevormundungspartei" geschmäht, soll auch dieses Klischee widerlegt werden. Das Verhältnis zur konventionellen Landwirtschaft gilt nicht immer als spannungsfrei, Bauern fühlen sich von den Grünen mitunter gegängelt. Am Dienstag sagte Hartmann plötzlich, er habe noch nie einen Landwirt erlebt, der sich beim Aufstehen frage: "Wie vergifte ich mein Grundwasser heute? Wie quäle ich meine Tiere?" Das klang fast nach Charmeoffensive.

Beim Wohnungsbau, der derzeit wohl wichtigsten sozialen Frage, setzen die Grünen allerdings auf Regulierung: "Ein starker Staat muss da durchgreifen", fordert Hartmann. Staatliche Grundstücke müssten für den Bau von Mietwohnungen genutzt werden, die Laufzeit von Sozialwohnungen will Hartmann verlängern - mit Zuschüssen durch den Freistaat. "Das hilft den Mietern, den Eigentümern und auch dem Staat." Auch in der Bildung, Frauen- und Kinderpolitik sehen die Grünen Nachholbedarf: "Wir wollen Chancengerechtigkeit für alle", sagt Schulze. Und: "Das wird eindeutig ein Haltungswahlkampf."

Der Start hat sich für die Grünen schon jetzt gelohnt. Mehr als die Hälfte der 9300 Mitglieder haben sich an der Urwahl beteiligt, seit Mitte Dezember habe der Landesverband 700 Zugänge verzeichnet. Politikmüdigkeit? Von wegen, findet Hagl: "Wir sind bereit wie nie zuvor, Verantwortung zu übernehmen."

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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