Typologie des Campers:Hauptsache mobil

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Der Familien-Camper schläft in einem Palast aus Planen. (Foto: Illustrationen Franziska Hartman)

Zelt oder Luxuswohnmobil? Die einen lieben den Komfort eines Wohnwagens mit eigener Dusche und WC, andere schlafen einfach im Freien. Doch die Bewohnern von Campingplätzen unterscheiden sich nicht nur in der Wahl ihres Nachtlagers.

Von Andreas Schubert, Christina Warta und Karl Forster

Die Familie

"Ja, verreck, wo is er denn scho wieder hi, der Hundskrüppel, der elendige?" Die Schimpftirade des wütenden Vaters nebenan ist nicht zu überhören. Schon wieder ist sein Hund ausgebüxt, hindurchgeschlüpft durch den schmalen Schlitz des Vorzelts - oder besser: des großzügigen Eingangsbereichs.

Die Familie, sie könnte Meier heißen, besteht aus fünf Personen samt Haustier und residiert in einem kleinen Palast aus Plane, an dem auch Muammar al-Gaddafi Gefallen gefunden hätte. Schon der Name des Zeltes, "Badawi", klingt ja auch ein wenig nach dem früheren libyschen Diktator. Solch mobile Palazzi sind nicht billig. Dafür sparen sich Meiers für alle Zeiten die Kosten fürs Hotel. Und der Urlaub sollte nicht zu sehr ins Geld gehen. Schließlich will man ja was von der Welt sehen und muss deshalb in den Oster-, Pfingst-, Sommer- und Herbstferien verreisen.

Die zeltende Familie mag es bequem. Zur Innenausstattung gehören deshalb zwei Schlafabteile und Doppel-Luftmatratzen, die mit einem eigens mitgebrachten Minikompressor aufgeblasen werden. Dazu kommt ein zwei Mal zwei Meter großer Fleckerlteppich, der den empfindlichen Zeltboden schonen soll - schließlich wischt sich der Hund nach seinen Ausflügen nicht die Pfoten ab.

Schon morgens, wenn man noch im Schlafsack liegt, hört man ein wischendes Geräusch: Scht, scht, scht. Das ist der benachbarte Dauercamper, der seine Veranda mit dem Besen von Laub und Sand reinigt. Ordnung muss schließlich auch im Urlaub sein. Wenn andere Zeltplatzbewohner später mit strubbeligen Haaren und dem Handtuch über der Schulter zum Duschen wanken, sitzt der Dauercamper schon längst herausgeputzt vor seinem Wohnwagen in der Sonne, trinkt Kaffee aus der geblümten Kaffeetasse und beißt herzhaft in die gebutterte Semmel.

Der Dauercamper liebt seine Veranda vor dem Wohnwagen. (Foto: Illustrationen Franziska Hartman)

Der Dauercamper ist der heimliche Herrscher eines Campingplatzes: Er weiß, welcher Duschkopf nur tröpfchenweise Wasser abgibt und welcher Abfluss schnell verstopft, er hat alle Biersorten im Minimarkt längst durchprobiert und positioniert sich nach dem Frühstück gegen acht Uhr früh auf seinem Liegestuhl, von dem aus er nichts verpassen kann.

Tatsächlich besitzt der Dauercamper manchmal die viel zitierten Gartenzwerge, viel häufiger aber pflegt er eine angemessen hohe, akkurat geschnittene Hecke um seine Ländereien. Nur am nahegelegenen Seeufer trifft man den Dauercamper nie. Alles schon gesehen, alles erlebt. Zum See? Muss er nicht mehr.

Hach, ein Trip durch den Südwesten der USA. Hier fühlt man sich frei: Route 66, Grand Canyon, die Nationalparks, Monument Valley, Big Sur. Und überall auf der Strecke wohlausstaffierte Motels, in denen man spontan und ohne lästiges Buchen jederzeit einchecken kann. Und doch fühlt sich der Spontancamper nur wohl, wenn er als letzte Sicherheit noch sein kleines Zelt dabei hat. Es könnte ja vorkommen, dass alle Herbergen in Reichweite ihre No-Vacancy-Leuchtschrift eingeschaltet haben.

Der Spontancamper hat ausreichend finanzielle Mittel, sich auch längere Reisen leisten zu können. Dabei will er auf einen Mindestkomfort aber nicht verzichten. Auf einem Campingplatz wird nur übernachtet, wenn es gar nicht mehr anders geht - oder wenn der Platz wirklich so schön ist, dass man es halt gemacht haben muss. So sind die Camp-Grounds in den US-amerikanischen Nationalparks meist sehr idyllisch gelegen und sehr gepflegt.

Weil der Spontane aber wenig Erfahrung mit Übernachtungen im Zelt hat, macht er sich auch nur wenig Gedanken über etwaige Gefahren. Wenn er schon abends zuvor das Schild "Bärenangriffe in den letzten sieben Tagen: 3" am Eingang des Areals gesehen hätte, wäre er ziemlich sicher weitergefahren.

Sie stellten sich als "Mary and Larry from Atlanta, Georgia" vor und klagten bitterlich über diesen "tiny little car". Dabei lenkten die beiden Amerikaner ein wahres Wohnmobilmonster über den Peloponnes. Man sieht, Größe wird auch hier regional unterschiedlich empfunden.

Auf Europas Straßen aber gelten Wohnwagen jenseits der neun Meter zumindest als groß, Kühlschrank mit Gefrierfach, Vierflammenherd mit Dunstabzugshaube, ein Kingsize-Bett und beheizbare Wasser und Abwassertanks adeln es ebenso zum Luxusgefährt wie das temperierte Fach für den Rotwein. Luxuscamper, die vor Ort gerne mobil sind, ziehen einen Smart hinterher oder parken diesen im Heck des Wohnbusses.

Aus den Staaten drängt der sogenannte "Fifth Wheeler" auf den deutschen Markt, ein Wohnsattelauflieger, vom Pickup gezogen, eine Art abstellbares mobiles Zwei-Zimmer-Appartement. Der Luxuscamper muss meist nicht (mehr) arbeiten, trifft sich deshalb winters gerne auf den WoMo-Stellplätzen des südlichen Portugals, etwa in Sines, wo gut 100 Monster Platz finden. Einst nannte man das "Hymer-Town", heute hat Hymer nicht mehr diesen namengebenden Marktanteil. Und noch eines zeichnet den Luxus-Wohnmobilisten aus: Er hat Zeit, unendlich viel Zeit.

Auf einem Campingplatz gibt es unausgesprochene Hierarchien. Wer in diesen ganz oben steht, hängt jedoch von der jeweiligen Perspektive ab. Wohnmobilisten etwa blicken auf Campingbusbesitzer hinab, Campingbusbesitzer auf Zeltbesitzer. Umgekehrt halten viele "Zeltler" wenig von jenen Plastikkisten auf Rädern, die ihnen die Aussicht auf die grüne Natur verstellen.

Der Hardcore-Minimalist dagegen hat prinzipiell für jeden nur ein verächtliches Schnauben übrig. Wohnwagen? Da kann man ja gleich eine Villa durch die Gegend schleppen. Auto? Was für eine Umweltverpestung. Zelt? Ist im Grunde was für überempfindliche Städter.

Der Hardcore-Minimalist schläft auf einer dünnen Matte in einem dünnen Schlafsack, er spannt an schönen Tagen eine dünne Plane über sein Haupt und stellt an schlechten ein kniehohes Zelt, vulgo Hundshütte, auf. Ein Auto braucht er für seine Ausrüstung nicht, er packt alles in einen Rucksack, den er beim Radfahren auf dem Rücken trägt.

Geschirr hat er längst abgeschworen, nur einen Kaffeebecher hat er noch dabei. Und auch eine Beleuchtung braucht er nicht. Wenn er abends lesen will, stellt er sich mit seinem Buch in die Sanitäranlagen. Da ist es hell und trocken - was will man mehr?

Für ihn ist das Kürzel 4WD eine conditio sine qua non. Vierradantrieb ist das mindeste, was ein Abenteuer-Camper braucht, um als solcher zu bestehen. Fast ebenso wichtig sind die Sandbretter auf dem Dach, neben Wüstensandschaufeln, riesigen Reservekanistern und einer aufrichtbaren Funkantenne für den Fall, dass das Satellitentelefon den Geist aufgibt.

Die Reifen des Abenteurer-Gefährts haben schreckengebietende Stollen, Spezialstoßdämpfer hieven die Karosse noch einen halben Meter höher, damit die Felsen des Himalaja oder die reißenden Fluten des Ganges keinen Schaden anrichten. Letztere zu überwinden, ragt auch der Auspuff weit über die Fahrerkabine in die Höhe. Innendrin ist alles recht spartanisch eingerichtet. In einer Ecke sind die Tauchflaschen festgezurrt, in der anderen die Gleitschirme, die Kletterausrüstung ist in einer Dachbox untergebracht, direkt neben dem zusammengeklappten Faltboot mit Spezialbeschichtung gegen scharfe Steine im Flussbett.

Im Kleiderschrank hängen atmungsaktive Goretex-Jacken und Hosen, eine Fliegenfischerhose, der Neoprenanzug, die Helly Hansen-Schwerwettersegelklamotten, Boots- und Bergstiefel, Wander-, Lauf- und Kletterschuhe. Als Basis dient dem Abenteuer-Wohnmobilisten meist ein ausgedienter Bundeswehr-Lkw.

© SZ vom 27.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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