SZ-Serie: "Made in Bayern":Kleine Züge auf großer Fahrt

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Die Firma City Train produziert in Regensburg Wegebahnen. Sie kutschieren, am liebsten im nostalgischen Lok-Look, in vielen Ländern Touristen über Stock und Stein, durch Stadt und Land. Angetrieben von PS-starken Zugmaschinen

Von Tim Sauer, Regensburg

Für viele ist es der Traum ewiger Kindheit, für andere der Inbegriff des Spießertums: Modellbahnbauen. Zu welcher Gruppe Armin Sendlbeck gehört, ist nicht bekannt. Fest steht aber: Er macht das Ganze im großen Stil. Seine Firma City Train in Regensburg stellt sogenannte Wegebahnen her, Fahrzeuge, die Touristen - am liebsten im nostalgischen Lok-Look - über Stock und Stein, durch Stadt und Land befördern. Und dabei schon mal an selbst gebastelte Miniaturzüge erinnern.

Zunächst organisierte Sendlbeck solche Fahrten nur, bevor er die Seite vom Dienstleister zum Produzenten wechselte. Sein Kommilitone Frank Venus leitete bereits ein Reisebüro, 2003 gründeten sie gemeinsam die Regensburger Stadtrundfahrten GmbH und schlossen eine Marktlücke: Vorher mussten Touristen die Altstadt mühsam zu Fuß besichtigen. Sie nutzten vorerst nur gebrauchte Bahnen, bis Venus und Sendlbeck einen Prototypen bestellten. Mit dem waren sie allerdings nicht zufrieden - zu viele Ausfalltage wegen technischer Defekte. Als der Zulieferer dann Insolvenz anmeldete, stand die Entscheidung fest: Die beiden Freunde übernahmen zwei Mitarbeiter und gründeten City Train. 2006 stellten sie dann ihr erstes eigenes Fahrzeug her: eine eher funktionell gestaltete Bahn mit drei Anhängern. Schon kurze Zeit später fragten Kollegen, erzählt Sendlbeck, ob es nicht möglich sei, ein Nostalgiemodell anzufertigen. So entstanden dann die heutigen Verkaufsschlager - der City Train 100 und 500.

Bei der Produktion gehe es aber um weit mehr als um das Design, klärt Sendlbeck auf. Fahrten durch Regensburg beanspruchen die Bahnen zum Beispiel sehr. Da wäre das Kopfsteinpflaster, das eine besondere Federung verlangt; einigermaßen steile Steigungen, die eine höhere Motorisierung nötig machen und zu guter Letzt: der Dom. Bei geschlossenem Dach können die Passagiere ihn nicht in voller Pracht bestaunen - also musste eine andere Lösung her: In Regensburg fährt deshalb eine Bahn mit Echtglasdach. "Jeder Auftrag ist verschieden", resümiert Sendlbeck.

Die Züge von City Train sind nicht nur in Deutschland unterwegs, auch in Norwegen, etwa bei Ålesund, können Touristen bequem die Aussicht genießen. (Foto: City Train)

Das hat auch seinen Preis: Bei 180 000 Euro beginnt die Preisspanne der Bahnen, sie endet etwa bei 450 000 Euro. Nicht günstig, aber City Train habe andere Vorzüge, erklärt Sendlbeck: "Wir gehen individuell auf die Wünsche der Kunden ein und produzieren komplett in Deutschland." Er will nicht den Fehler seiner Vorgänger machen: "Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie ärgerlich Tage sind, an denen kein Geschäft gemacht werden kann, weil die Bahn ausfällt." Also: Qualität vor Preis.

In der großen Halle ein Stück vor Regensburg, in der sie seit einem Jahr produzieren, steht das Herzstück einer der Bahnen: die Lok. Allerdings noch nicht verkleidet und deshalb gänzlich unnostalgisch. "Das kommt noch", verspricht Sendlbeck. Schließlich fertigen sie alles in den eigenen Räumen. Nur für das Lackieren wird ein benachbartes Unternehmen beauftragt.

Doch Sendlbeck kommt auch beim Anblick des unvollendeten City Train 500 ins Schwärmen. Es handelt sich um eine Zugmaschine von Fendt. Den Namen kennt man normalerweise nur von großen Traktoren, die auf etwa Bayerns Feldern unterwegs sind. Doch es funktioniert auch in verwinkelten Altstädten. "Man braucht nicht Schalten oder Kuppeln und kommt ruckelfrei vom Fleck. Es ist ein tolles Fahrgefühl", versichert Sendlbeck. Das Schwestermodell ist mit einer Maschine von Toyota ausgestattet. 144 oder gleich 171 PS, wenn die Berge steiler sind.

Bei guter Wartung bleiben die Toyota 15 bis 20 Jahre im Einsatz, die Fendt sogar bis zu 30 Jahre. Zeichen der guten Qualität, für Sendlbeck aber auch Anlass zur Sorge: Ist ein City Train erst ein Mal verkauft, wird so schnell kein neuer geordert. Das Geschäft mit den Stadtrundfahrten wird in den warmen Monaten gemacht. Im Frühjahr steigt die Nachfrage Jahr für Jahr. Von September an sind dafür kaum noch Bahnen im Einsatz. Seltene Ausnahmen sind da die Shuttle-Services, die auf verschiedenen Weihnachtsmärkten angeboten werden. Das ist ein Problem für City Train: Es gibt Phasen, in denen Stress herrscht, aber auch Zeiten, in denen das Oberpfälzer Duo kaum zu tun hat.

Die Fertigung der Züge findet in der Werkstatt nahe Regensburg statt. Dort werden auch die Zugmaschinen, etwa von Fendt, nach und nach verkleidet. (Foto: Tim Sauer)

In den vergangenen Jahren verkaufte das Unternehmen im Schnitt drei bis vier Bahnen pro Jahr, so Sendlbeck. Aktuell sind 20 in ganz Europa unterwegs. Damit sind sie schon Marktführer in Deutschland und europaweit ganz vorne dabei. Sie schlagen sich gut, aber der Markt ist nicht groß. Umso komplizierter ist das Tagesgeschäft, schließlich lassen sich die Bahnen nur bedingt vorproduzieren - jede ist speziellen Anforderungen ausgesetzt. "Mit Sicherheit hätte ich lieber ein geregeltes Geschäft", bestätigt Sendlbeck.

Und so beschäftigen sich die sechs Mitarbeiter je nach Auftragslage vor allem mit der Wartung der Bahnen, die sich im Betrieb befinden. Das gehört zum Angebot von City Train: Auf Wunsch des Kunden kümmert sich das Regensburger Team um die Pflege der Fahrzeuge. Vor allem nach der Hauptsaison, wenn die meisten Bahnen bis zum kommenden Jahr eingemottet werden. Dann gibt es einen Rundum-Service, bei dem alle Mängel behoben werden.

Mitunter haben die Mitarbeiter weite Wege - neben Regensburg findet man die City Trains auch an der Würzburger Residenz, vor dem großherzoglichen Palais in Luxemburg, an der Küste der Insel Norderney oder in den Weinbergen des beschaulichen Rüdesheim.

Doch trotz des Erfolgs über die Landesgrenzen hinaus ist Sendlbeck bodenständig: "Wir wollen auch in Zukunft klein und fein bleiben." Selbst die aktuelle Gemengelage macht ihm keine Sorgen. Im Gegenteil: Er glaube nicht, dass Touristen in Zukunft ausbleiben, weil sich keiner mehr vor seine Haustüre traut. Höchstens würden die Reisen im Landesinneren oder der näheren Umgebung zunehmen, während Übersee-Flüge abnehmen könnten. Und dort seien schließlich einige seiner Bahnen unterwegs. Bereit die Besucher durch die Gegend zu fahren.

Momentan warten sie übrigens auf zwei Aufträge. Die Kunden wollen gerne, können aber noch nicht. In einem Fall sei die Finanzierung noch in der Schwebe, im anderen fehle die Genehmigung. Es bleibt also unbeständig. Fast wie damals im Kindesalter, als man kaum erwarten konnte, den nächsten Bausatz zu bekommen, die Teile zusammenzubasteln und eine weitere Modellbahn auf die Reise zu schicken.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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