Stimmen zum Rauchverbot:"Alles wird immer schlimmer"

Zigarette ja oder nein? Horst Seehofer, Verena Bentele, ein Festwirt und andere erzählen, was sie vom strikten Rauchverbot halten.

M. Ruhland, A. Schubert und K. Stroh

1 / 11
(Foto: ddp)

Horst Seehofer, Ministerpräsident: "Unsere Lösung ist besser, weil sie vernünftig abgewogen ist, Interessen ausgleicht und in der Praxis funktioniert. Ich werde, wenn ich unterwegs bin, auf vieles angesprochen, was die Leute bewegt, aber bei diesem Punkt erlebe ich eine im großen und ganzen zufriedene Bevölkerung. Es schimpft niemand mehr, auch die nicht, die vor einem Lokal stehen und rauchen. Unser Kompromiss hat befriedend gewirkt. Auch in meinem Freundeskreis sagen die meisten: Das passt doch jetzt so, wie es ist. Ich kritisiere nicht, dass es das Volksbegehren gab; in einer lebendigen Demokratie, wie wir sie in Bayern pflegen, gehört das dazu. Es ist sicher gut, wenn das Volk nun die endgültige Entscheidung trifft. Das sehe ich ganz gelassen. In den vergangenen fünf Jahren habe ich alles erlebt: Das Rauchverbot wurde für Wahlniederlagen verantwortlich gemacht und für Wahlsiege; es wurde totale Liberalität gefordert und ein totales Verbot; und manche haben gesagt: Finger weg von dem Thema! Jede Position wurde vertreten, und zwar mit großen Emotionen. Vor diesem Hintergrund sollte jetzt die Bevölkerung in aller Ruhe darüber abstimmen - ohne eine Kampagne der Regierung oder der Parteien. Und was immer die Bürger entscheiden, wird von der Bayerischen Staatsregierung akzeptiert und respektiert. Und diese Regelung bleibt dann auch so. Das hat eine befriedende Wirkung. Ich selber rauche nicht. Früher mal Pfeife, in den achtzigerJahren, als Gelegenheitsraucher, bis ich dann gemerkt habe, dass es mir ohne Rauchen besser geht. Das war im Übrigen noch bevor ich in Bonn Gesundheitsminister wurde - ich habe mein persönliches Verhalten noch nie daran ausgerichtet, was ich gerade politisch tue. (Lacht.) Wissen Sie, ich bin für eine vernunftgeleitete Lebensführung. Rauchen ist sicher gesundheitsschädlich - keine Frage. Aber ich habe nie etwas davon gehalten, in allen Lebensbereichen immer nur mit Verboten zu arbeiten. Der nächste Schritt wäre doch: Trinkt keinen Alkohol! Und so weiter... Wie es am 4. Juli ausgeht, traue ich mich nicht vorherzusagen. Vor Wahlen horcht man ja in die Bevölkerung hinein und fragt die Leute: Wie geht's denn aus, was meinen Sie? Diesmal frage ich kaum einen, nicht einmal meinen Fahrer, der viel raucht. Ich weiß nur eines: Ich werde zum Volksentscheid gehen."

2 / 11
(Foto: region.lks)

Moritz Radnoti, Abiturient aus Neubiberg: "Ich finde es gut, dass die Menschen gefragt werden und nicht einfach über ein Rauchverbot entschieden wird. Mich selbst hat Rauchen nie interessiert. Ich weiß, wie teuer und ungesund das ist. Außerdem stört es mich, wenn man in einem Club war und hinterher alles nach Qualm riecht. Am 4. Juli gehe ich auf jeden Fall zur Abstimmung - wie ich da entscheide, brauche ich nicht wirklich noch zu sagen, oder? Prinzipiell habe ich aber kein Problem damit, wenn Freunde von mir rauchen - die sind aber in der Minderheit."

3 / 11
(Foto: ag.dpa)

Werner Lorant, Fußballexperte aus Dorfen: "Alles wird immer schlimmer in Deutschland. Aber wenn ich das sage, sagen alle: Der ist bescheuert. Als wenn wir sonst nix zu tun hätten, reden wir jetzt über ein Rauchverbot. In einem Restaurant, wo gegessen wird, da habe ich kein Problem damit. Oder wo Kinder und Jugendliche sind: Rauchverbot. Fertig. Aus. Aber in anderen Gaststätten bin ich strikt dagegen. Oder in einer Disco - warum soll ich da nicht rauchen? Das soll doch jeder für sich selber entscheiden, wenn er volljährig ist. Ich versteh's langsam nimmer.Ich rauche nur da, wo es möglich istMit 25 war ich so doof, mit dem Rauchen anzufangen. Heute rauche ich immer so 20 Zigaretten am Tag, Marlboro Medium. Man muss ja auch die kleinen Wirte mal verstehen. Im Sommer, im Biergarten - da setzen sich die Raucher draußen hin. Aber bei schlechtem Wetter, im Winter: Da ist es doch unnormal, dass sich einer den Arsch abfriert. Das finde ich einfach nicht richtig. Mal gucken, ob ich am 4. Juli da bin. Wenn ja, stimme ich ab, sonst nicht. Deswegen Briefwahl? Ach, das mach ich net."

4 / 11
(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Verena Bentele, Goldmedaillengewinnerin aus München: "Eigentlich bin ich kein Freund von großen staatlichen Kontrollen à la 'big brother is watching you'. Ich habe aber den Eindruck, dass die Regelungen zum Rauchverbot bislang sehr leger gehandhabt werden. Es gibt kaum Kontrollen, und keiner kennt sich aus, was nun erlaubt ist. Manche Gaststätten sind ab 22 Uhr plötzlich Raucherclubs, man wundert sich schon, wie das geht. Ich bin dafür, das Rauchen in öffentlichen Gaststätten weitestgehend einzuschränken. Ich will keine Missionarin sein, doch sollte man den Nichtraucherschutz konsequenter umsetzen. Ich werde für den Gesetzentwurf stimmen, weil ich, wie viele andere Leute auch, schlechte Erfahrungen mit der jetzt gültigen Regelung gemacht habe."

5 / 11
(Foto: region.frs)

Sepp Braun, Biobauer aus Freising: "Für mich ist Rauchen genauso eine Sucht wie Alkoholabhängigkeit. Der Gesetzgeber steht also in der Pflicht, die Bürger zu schützen - das jetzige Nichtraucherschutzgesetz ist mir nicht konsequent genug. Grundsätzlich bin ich ein Freund des Leitsatzes 'Leben und leben lassen'. Der greift aber beim Rauchen nicht, weil die Nichtraucher den giftigen Qualm ertragen müssen. Außerdem hoffe ich, dass mit einer rigiden Regelung vielleicht der eine oder andere das Rauchen aufgibt. Ein Onkel von mir ist an Lungenkrebs gestorben, das ist mir damals ganz schön nahegegangen. Er hatte geraucht wie ein Schlot, die Ursache war also klar. Ich bekam mit, welches Leid er durchmachen musste. Irgendwann konnte er keine Nahrung mehr zu sich nehmen, er ist elendiglich verhungert."

6 / 11
(Foto: region.mue)

Zeljka Djuric, Bedienung aus München: "Mich stört der Rauch in der Kneipe überhaupt nicht, weil ich ja selbst rauche. Ein Verbot ist für mich Bevormundung. Wem die Luft zu schlecht ist, der muss ja nicht kommen. Und das Argument, dass Angestellte zwangsläufig Qualm ausgesetzt sind, zählt für mich nicht. Man kann ja auch woanders arbeiten. Wenn das Rauchverbot kommt, gibt's erst richtig Ärger. Wenn die Leute ständig zum Rauchen nach draußen gehen müssen, stört das die Nachbarn."

7 / 11
(Foto: region.wor)

Peter Rank, Gastwirt aus Kirchbichl: "Ich stimme auf jeden Fall für das Rauchverbot. Wir haben bei uns in der Dorfwirtschaft schon lange das Rauchen abgeschafft. Seitdem ist die Luft besser, das Personal gesünder - und die Mehrheit unserer Gäste genießt es richtig. Für den Stammtisch, der sich ab und zu am Sonntag trifft, mag es vielleicht ein Problem sein. Aber großartig was gesagt hat bisher auch niemand. Ich will eine klare Linie ohne Ausnahmen. Betriebe, die keinen Raucherraum anbieten können, sollen nicht benachteiligt werden."

8 / 11
(Foto: region.frs)

Gerhard Widmann, Festwirt aus Freising: "Von einem generellen Rauchverbot ohne Ausnahmen halte ich überhaupt nichts. Für uns Festwirte bedeutet das doch nur: Die Kosten steigen, weil wir mehr Sicherheitspersonal anstellen müssen; gleichzeitig sinkt der Umsatz, weil die Leute weniger konsumieren. Auch für die Kommunen ist es schlecht, weil die Abgabe, die wir zahlen, sich nach der ausgeschenkten Menge richtet. Außerdem gibt es nur Ärger, wenn alle zum Rauchen nach draußen gehen, zum Beispiel, wenn die Musik eine Pause macht. Mit der jetzigen Regelung bin deshalb ich sehr zufrieden. Als Festwirt setze ich mich selbstverständlich dafür ein, dass sie auch so erhalten bleibt. Beim nächsten Volksfest in Freyung werden wir unter anderem Flyer gegen das totale Rauchverbot in unserem Festzelt auslegen."

9 / 11
(Foto: region.dah)

Björn Mensing, Pfarrer aus Dachau: "Ich halte den Volksentscheid nicht für einen Status Confessionis. Deshalb bin ich als Christ nicht genötigt, so oder so abzustimmen. Weder die evangelisch-lutherische Kirche noch die römisch-katholische haben bisher zur Raucherfrage Stellung bezogen, nur die relative kleine Freikirche der Adventisten hat dazu aufgerufen, für das neue Gesundheitsschutzgesetz zu stimmen. Für mich als Familienvater mit drei schulpflichtigen Kindern war es eine ganz große Erleichterung, als der Landtag 2007 mit einer breiten Mehrheit den strengeren Nichtraucherschutz verabschiedete. Wir atmeten im wahrsten Sinne des Wortes auf. Vorher beschäftigte uns die Frage, ob wir überhaupt eine Gaststätte mit einem Nichtraucherraum finden. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als es in Zügen der Deutschen Bahn Großraumabteile gab, in denen eine Hälfte per Glasscheibe als Raucherbereich abgetrennt war. Der Qualm zog dennoch rüber. In der Gastronomie wurde leider das Gesetz weidlich ausgenützt, überall entstanden Raucherclubs. Selbst der Grieche im Stadtviertel erklärte sich plötzlich zum Raucherclub, ohne dass dies irgendwer kontrollierte. Meiner Meinung nach sollte der Schutz vor Passivrauchen absoluten Vorrang haben. Als Staatsbürger werde ich an der Abstimmung teilnehmen und dafür stimmen."

10 / 11
(Foto: STA)

Jürgen Sklarek, Chirurg aus Gauting: "Ich begrüße ein Rauchverbot absolut. In anderen Ländern funktioniert es ja auch, nur bei uns nicht. Wer dauerhaft Tabakqualm ausgesetzt ist, dessen Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, erhöht sich um acht bis zehn Prozent.

11 / 11
(Foto: sz.lokales)

Christoph Süß, TV-Moderator aus München: "Ich fand die Zeiten, wo überall geraucht wurde, okay. Offenbar glauben die Leute, sie würden ewig leben, wenn sie nicht rauchen. Ich weiß, dass ich nicht ewig lebe und irgendwann in so ein Kisterl kommen werde. Mir scheint, bei der ganzen Debatte geht es weniger um die Gesundheit, als um die generelle Angst vor der Endlichkeit. Es ist ja auch schmerzlich, das kann man verstehen. Wenn sich Leute belästigt fühlen und Angst vor einer homöopathischen Vergiftung haben, respektiere ich das als Raucher natürlich. Das ewige Hin und Her der Politik hat auch damit zu tun, dass man sich nicht zu sagen traut: Wer in ein Bierzelt geht und Gesundheit sucht, ist fehl am Platz. Hendl, Schweiners, Bier - alles ungesund. Es geht um die Gaudi, sonst nichts. Ich gehe zum Entscheid und werde dagegen stimmen. Es ist aber zu erwarten, dass die Abteilung Raucher nicht hingeht, weil es ihnen entweder wurscht ist oder sie es nicht wissen, weil sie keine Zeitung lesen. Die Abteilung Nichtraucher wird dagegen komplett aufscheinen, es geht ja ums Überleben. Aber auch wenn das neue Gesetz kommt, werde ich deshalb nicht das Land verlassen."

© SZ vom 21.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: