Stichwahl in Regensburg:Slapstick-Wahlkampf der CSU

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Der Regensburger Oberbürgermeister-Kandidat der CSU, Christian Schlegl. (Foto: dpa)

Chaos in Regensburg: Erst hat die CSU jahrelang gestritten, dann hat sie sich überraschend versöhnt, um sich im Kommunalwahlkampf erneut genüsslich zu demontieren. Das ist selbst konservativen Wählern zu viel.

Von Wolfgang Wittl

Der Wahlabend war bereits fortgeschritten und Christian Schlegl, der geschlagene CSU-Kandidat, begann sich gerade wieder zu sammeln. Als er mit seinem Kontrahenten Joachim Wolbergs für das Handschüttel-Foto posiert, sieht es sogar aus, als hätte nicht er den ersten Durchgang der Regensburger Oberbürgermeisterwahl krachend verloren, sondern der SPD-Mann. Tatsächlich kam Schlegl nur auf gut 32 Prozent der Stimmen, Wolbergs dagegen auf 49,97 Prozentpunkte. 18 Stimmen fehlten Wolbergs zur absoluten Mehrheit - und das bei einer Wahl, vor der jeder mit einem Patt gerechnet hatte.

Schlegl also zählte tapfer auf, dass er politisch schon öfter totgesagt gewesen sei, dass er analysieren, kämpfen und vielleicht trotzdem noch siegen werde. Bis ihn der nächste Tiefschlag erreichte: Aus dem Rathaus sickerte durch, dass die CSU nach vier Jahrzehnten auch die Stadtratsmehrheit an die SPD verloren hatte. Da kriege er doch einen kleinen Schock, stammelte Schlegl. Ein Trost immerhin blieb ihm: Am OB-Kandidaten alleine lag es nicht, der Wähler strafte die CSU insgesamt ab.

Überraschendes Ergebnis

Nach Nürnberg, wo die Wähler Ulrich Maly (SPD) ein Denkmal setzten, dürfte Regensburg das überraschendste Ergebnis dieser Kommunalwahlen vom 16. März geliefert haben. Auch wenn die SPD noch alle Glückwünsche abwehrt, so glauben wohl nicht einmal mehr CSU-Zweckoptimisten ernsthaft daran, dass der Oberbürgermeister künftig anders als Joachim Wolbergs heißen könnte. Ungewinnbar sei eine solche Ausgangslage, sagt ein CSU-Mann vor der Stichwahl am Sonntag. Es gehe nur noch um Schadensbegrenzung. Und um die Frage, wie es zu diesem Debakel für die Christsozialen kommen konnte.

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Etwa 20 Prozent verlor das bürgerliche Lager mitsamt Freien Wählern im Vergleich zur Wahl 2008 - in einer Stadt, die wirtschaftlich blüht wie kaum eine andere. Wo die Stimmen bis Sonntag plötzlich herkommen sollen, weiß niemand bei der CSU, zumal sich Grüne, FDP und Linke bereits offen für Wolbergs ausgesprochen haben. Da half es auch nichts, dass die CSU das halbe Kabinett inklusive Ministerpräsident Horst Seehofer zur Unterstützung entsandt hatte. Der Wähler hat offensichtlich nicht vergessen, welche Kämpfe sich die Partei in Regensburg jahrelang lieferte.

Ein Jahr lang demonstrierte die CSU ihre Einigkeit auf eine Weise, die mitunter an Slapstick-Kino erinnerte. Plötzlich lobten Menschen einander über den grünen Klee, die sich unlängst noch mit Gerichtsverfahren überzogen hatten. Wie brüchig der Friede ist, zeigte sich im Wahlkampf. Als Hans Schaidinger, der nach 18 Jahren als OB aus Altersgründen ausscheidet, seinen politischen Ziehsohn Schlegl brüskierte und dessen Idee von einem Altstadttunnel verspottete, brachen die Gräben wieder auf. Kreischef Franz Rieger, Landtagsabgeordneter und Schaidinger in ebenso inniger Feindschaft verbunden wie umgekehrt, knöpfte sich wiederum den OB vor. Und mittendrin der Kandidat Schlegl, der alle Kräfte bündeln wollte - und stattdessen von ihnen zerrieben wurde. Dem Wähler musste dies alles doch recht bekannt vorkommen.

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Doch auch Schlegl machte Fehler. Er ließ sich kurz vor der Wahl dazu hinreißen, der SPD die seit sechs Jahren ordentlich arbeitende große Koalition aufzukündigen. Die Wahlkampf-Regie hatte zu diesem Zeitpunkt offenbar längst Peter Kittel übernommen, ein stadtbekannter Veranstalter, Organisator des Papstbesuches und erklärter Wolbergs-Gegner. Schlegl sei von Schaidinger zwar im Stich gelassen worden, sagt ein CSU-Mann, der nah dran ist. Den Wahlkampf verloren habe jedoch "die Kittel-Connection um Rieger und Vanino".

Hermann Vanino brachte es vor 13 Jahren als Staatsanwalt zu bundesweiter Aufmerksamkeit, weil er ein Verfahren so lange liegen ließ, bis mutmaßliche Straftäter wieder auf freien Fuß gelangten. Ein anderes Ermittlungsverfahren soll er verzögert haben. Vom Justizministerium wurde er damals als Richter nach Kelheim versetzt, von seinem Amt als CSU-Fraktionschef im Regensburger Stadtrat trat er zurück. Nur einen Tag nach der Wahl erlebte der Rieger-Vertraute Vanino nun überraschend sein Comeback als Fraktionschef, als Beweis für die neue Einheit der CSU, wie es heißt.

Schlegl hat kritische Positionen inzwischen geräumt. Die Wähler hätten ihm gezeigt, dass sie eine Fortsetzung der großen Koalition wünschten, sagt er. Dafür könnte es aber zu spät sein. Zwar beteuert SPD-Kandidat Wolbergs, dass er nichts ausschließen wolle, doch insgeheim sollen die Verhandlungen mit Grünen und FDP weit gediehen sein. Die Regensburger Genossen strotzen derzeit vor Kraft, auch wenn Wolbergs den Rat Malys nur teilweise beherzigt hat. "14 Tage lächeln und die Waffel halten", hatte der Nürnberger OB empfohlen. Das mit dem Lächeln habe durchaus geklappt, sagt Wolbergs. Allerdings habe er den Wählern doch erklären müssen, wie er sich künftig die Stadt vorstelle.

© SZ vom 28.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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