SPD-Landrat Michael Adam:Warum ein Genosse die CSU wählt

Michael Adam, SPD Landrat Regen

Der Regener Landrat Michael Adam sorgt für Aufsehen: Er habe seine Zweitstimme der CSU gegeben, sagt er.

(Foto: dpa)

Er ist evangelisch, schwul und bei der SPD - im tiefsten Niederbayern. Regens Landrat Michael Adam ist in Bayern bekannt wie ein bunter Hund - und sorgt jetzt nochmal für Aufsehen: Bei der Bundestagswahl habe er die CSU gewählt. Nun erklärt er, warum.

Von Mike Szymanski und Wolfgang Wittl

Wie es sich für einen vorbildlichen Demokraten gehört, hatte der Regener Landrat Michael Adam auf seiner Homepage einen Aufruf zur Bundestagswahl platziert. Und er selbst ging natürlich mit gutem Beispiel voran. Seitdem befindet sich seine Partei, die niederbayerische SPD, in einer Schockstarre.

Noch am Wahlabend hat Adam, Kreischef der Regener SPD, verkündet, dass er seine Zweitstimme zum ersten Mal der CSU gegeben habe. Am Montag nannte er seine Gründe - sie bedeuten eine weitere Abrechnung mit Landeschef Florian Pronold. Ein "verheerendes Bild" habe die bayerische SPD-Führung zuletzt abgegeben, die führenden Köpfe der Landesliste halte er "persönlich für nicht wählbar". Das enttäuschende Abschneiden bei den Landtagswahlen, "eine klare Niederlage", sei totgeschwiegen worden, der leichte Stimmenzuwachs allein dem Spitzenkandidaten Christian Ude zu verdanken gewesen. "Diese Schönrederei kann und will ich nicht mehr mittragen", führt Adam aus. Er habe ein Zeichen setzen wollen.

"Der spinnt doch"

In der SPD ist das Signal angekommen, allerdings nicht gut. Selbst Parteifreunde, die Adam wohlgesinnt sind, äußern sich entsetzt: "Der spinnt doch", "das macht mich ratlos", "nicht nachvollziehbar", "mehr als traurig" - so lauten erste Reaktionen. Enge Unterstützer sind der Ansicht, Adam bleibe auf eine ungute Art im Gespräch. Wenn er schon ein Problem mit der Landesleitung habe, dann hätte er halt gar nicht wählen oder schweigen sollen. Die am häufigsten gestellte Frage: "Warum tut er das?"

Um die Partei wachzurütteln, versichert Michael Adam. Er verhehle aber nicht, dass es persönliche Differenzen mit Pronold gebe. Vor zehn Monaten hatte Adam den Landesvorsitzenden bereits als "Ballast" für den Wahlkampf beschimpft, als einen, der sich mit "Ja-Sagern und Speichelleckern" umgebe. Der Burgfriede von damals trat nie richtig in Kraft: Adam verweigerte eine Entschuldigung, Pronold rief vor einem Wahlkampfauftritt mit Ude im Regener Landratsamt an, um zu sicherzustellen, dass Adam nicht dabei sein werde. Im Stil könnten beide nicht unterschiedlicher sein: Hier der Technokrat, der Strippenzieher Pronold; dort der Volkstribun und Pragmatiker Adam, der sich in seiner Partei offenbar nur noch bedingt wohlfühlt.

Zwar behauptet Adam, die Zusammenarbeit auf lokaler SPD-Ebene sei "hervorragend". Zugleich könne er der von "der SPD so hochstilisierten rot-grünen Koalition nichts mehr abgewinnen". Als Landrat hält er die grüne Politik für destruktiv, sie führe dazu, "dass Projekte verzögert, blockiert und teilweise auch verhindert werden". Arbeitet da einer am Abschied aus der eigenen Partei?

Rüge für den Stil, nicht für den Inhalt

Adam widerspricht dem, doch in SPD-Kreisen werden seine Ausführungen argwöhnisch verfolgt. Adam, 28, agiere zwar impulsiv, sei aber ein politisches Ausnahmetalent. Als er im vergangenen Jahr Pronold attackierte, rügten ihn die Genossen für seinen Stil, die wenigsten aber wegen des Inhalts. Adam sei klug genug, um die Wirkung seiner Aussagen zu kennen.

Nach der Landtagswahl lobte er explizit Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) aus Regen, der viele Türen geöffnet habe. Frühere Vertraute wollen bemerkt haben, dass Adam Verbindungen kappe, sich nur noch sparsam bis gar nicht melde. Nach dem Angriff auf Pronold gratulierten ihm vergangenes Jahr niederbayerische CSU-Granden für seine Standhaftigkeit. Den Adam, sagen Christsoziale, könne man schon brauchen.

Für die ohnehin an Hoffnungsträgern arme bayerische SPD müssen solche Sätze wie ein Stich ins Herz wirken. Adam verkörperte wie kein anderer Aufbruchstimmung, wurde mit 23 Bürgermeister in Bodenmais, mit 26 Landrat von Regen, zeigte, dass die CSU sogar im vermeintlich so konservativen Bayerischen Wald angreifbar ist. Vergangene Woche wählten ihn die Niederbayern ohne Stimmkreis vom letzten Listenplatz aus in den Bezirkstag. Und so einer soll nun mit der CSU flirten?

Es gebe eine Schmerzgrenze, warnt der niederbayerische SPD-Chef Christian Flisek. Sich auf Kosten der Partei zu profilieren, sei "dauerhaft keine gute Strategie". Diesen Dienstag wollen sich SPD-Funktionäre aus dem Bayerwald zum Krisengipfel mit Adam treffen. Sie wollen Adam zu mehr Solidarität ermahnen, sagen aber auch: Es habe keinen Sinn, sich gegenseitig zu quälen. Notfalls müsse man sich wie in einer schlechten Ehe trennen. Die CSU stünde als neuer Partner wohl mit offenen Armen bereit: Er habe Adam "als unheimlich starken, beeindruckenden und auch hintersinnigen Politiker kennengelernt", sagt Horst Seehofer.

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