Sparforderung der Krankenkassen:Hausärzte sollen weniger krankschreiben

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Der Streit um Ärztehonorare tobt weiter: Nun fordern die Krankenkassen von den Medizinern, weniger Patienten krankzuschreiben. Doch die Ärzte wehren sich vehement gegen überzogenen Sparforderungen. Die Auseinandersetzung wird zunehmend auf dem Rücken der Patienten ausgetragen.

Dietrich Mittler

Der Streit zwischen Bayerns Hausärzten und den großen Krankenkassen wird zunehmend auf dem Rücken der Patienten ausgetragen. Wie Dieter Geis, der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes, erklärte, fordern die Kassen als Gegenleistung für einen neuen Hausarztvertrag erhebliche Einsparungen - und das nicht nur bei Medikamentenverschreibungen und Krankenhausüberweisungen. Geis zufolge sollen die Hausärzte künftig dazu beitragen, die Länge der Krankschreibungen spürbar zu senken. "Diese Forderung kann von uns Hausärzten aber nur kategorisch zurückgewiesen werden", sagte Geis vor den etwa 400Teilnehmern des 19. Bayerischen Hausärztetages in Bad Gögging.

Der Streit zwischen Bayerns Hausärzten und den großen Krankenkassen geht in die nächste Runde: Nun sollen die Mediziner zu Sparzwecken weniger Patienten krankschreiben. (Foto: dpa)

So sehr Bayerns Hausärzte einen neuen Vertrag anstrebten, in diesem Punkt seien sie zu Zugeständnissen nicht bereit. "Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wird hier aufs Äußerste tangiert, wenn der Patient davon ausgehen muss, dass sein Hausarzt seine Arbeitsunfähigkeit an den eigenen Verdienst koppelt", sagte Geis.

Auf Nachfrage betonte er, diese Forderung sei von den Kassen nicht schriftlich, sondern lediglich in den laufenden Gesprächen formuliert worden - mit dem Tenor, krankgeschriebene Patienten "frühzeitig" zu Fachärzten zu überweisen, "um eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden". Die Kassen waren am Sonntag für Stellungnahmen nicht zu erreichen.

Damit erreichen die seit einem halben Jahr andauernden Verhandlungen um einen Hausarztvertrag einen neuen Höhepunkt. Die Kassen hatten die alten Verträge im Dezember vergangenen Jahres fristlos gekündigt - als Reaktion darauf, dass der Bayerische Hausärzteverband seine etwa 7000 Mitglieder dazu aufgerufen hatte, geschlossen ihre Kassenzulassung zurückzugeben.

Die Ärzterevolte scheiterte zwar, weil nicht genügend Hausärzte diesen Schritt wagten, die Kündigung der Hausarztverträge blieb jedoch bestehen. Auch die Neuverhandlungen gestalten sich zäh - insbesondere mit der AOK und den Ersatzkassen, obwohl Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder die Kassen erneut zu einem raschen Vertragsabschluss drängte.

Der Wegfall der - im Vergleich zu den früheren Honoraren - gut dotierten Hausarztverträge stellt viele Praxen derzeit offenbar vor große wirtschaftliche Probleme. In Bad Gögging outeten sich Hausärzte öffentlich, dass sie vor dem Konkurs stünden, einige flehten den Vorstand förmlich um Hilfe an.

"Ohne Beistand kann ich meine Praxis maximal noch zwei, drei Monate offenhalten", sagte eine Ärztin, "ich will aber nicht schließen." Einige Ärzte berichteten, sie hätten seit dem Wegfall der Hausarztverträge Honorarverluste in Höhe von gut 80.000 Euro hinnehmen müssen.

Angesichts der sich zuspitzenden Situation forderten die Delegierten in Bad Gögging ihren Vorstand dazu auf, öffentlich darzustellen, was mit "dem derzeitigen Kassenhonorar von durchschnittlich 13,75 Euro pro Patient im Monat" noch machbar ist. Patienten, deren Kassen noch keinen neuen Hausarztvertrag abgeschlossen haben, müssen sich einem am Samstag gefassten Beschluss zufolge auf "beschränkte Praxisöffnungszeiten" gefasst machen.

Auch ist für sie nicht mehr gesichert, dass ihr Hausarzt noch außerhalb der Behandlungszeiten für Hausbesuche zur Verfügung steht. Künftig wollen Bayerns Hausärzte - nach dem Beispiel ihrer holländischen Kollegen - Patienten früher in Krankenhäuser überweisen. "Für die Kassen wird das teuer", sagte Geis. Eines stellte er jedoch klar: Aktionen wie vorübergehende Praxisschließungen werde es mit ihm nicht geben - auch wenn ihn einige Kollegen dafür als "Weichei" beschimpften.

© SZ vom 11.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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