Sektenführer in Franken:Guru wegen schwerer Misshandlung angeklagt

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Am Tisch sitzen der Guru der "Neuen Gruppe der Weltdiener", seine Partnerin und die Familie, die sich ihm angeschlossen hat. (Foto: WDR)

15 Jahre alt, 30 Kilo leicht und schwer krank: Die vergangenen drei Jahre hat Kilian beim Guru von Lonnerstadt gelebt. Ohne die notwendigen Medikamente, ohne Behandlung. Nun erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den 54-jährigen Sektenführer.

Von Katja Auer

Wenn er die Meditationen gut mitmache, habe der Guru gesagt, dann sei er mit 18 Jahren geheilt. Vielleicht sogar schon früher. Wenn er besonders gut mitmache. Stattdessen wurde Kilian mit 15 Jahren und gerade 30 Kilo in die Klinik eingeliefert. Weil seine Mukoviszidose, eine unheilbare Stoffwechselkrankheit, offenbar nicht behandelt wurde.

Vorher hatte er drei Jahre bei dem Mann gelebt, der inzwischen als Guru von Lonnerstadt bekannt geworden ist. Kilians Mutter war mit ihm (damals zwölf), und seinen zwei Geschwistern, die elf und 14 Jahre alt waren, 1999 zu dem Guru in den Landkreis Erlangen-Höchstadt gezogen, der sich als Lehrer der "Neuen Gruppe der Weltdiener" versteht. Kurz danach soll die Mutter die Medikamente für Kilian entsorgt und seine Krankenversicherung gekündigt haben.

Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Anklage gegen die 48-jährige Mutter Kilians und den 54-jährigen Guru, bei dem sie immer noch lebt, erhoben. Wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen. Nicht nur, dass der Bub nicht ärztlich versorgt wurde. Darüber hinaus hätten die beiden "den Jungen trotz seiner schweren Erkrankung immer wieder zum Nahrungsverzicht angehalten", teilte die Staatsanwaltschaft am Freitag mit.

Dem Jungen sei es immer schlechter gegangen und den Erwachsenen sei bewusst gewesen, "dass dies zu erheblichen Schmerzen und Leiden führte". Die Mutter und der Guru bestreiten das. Sie erklärten nach Angaben der Staatsanwaltschaft, dass der Junge jederzeit selbständig zum Arzt oder in eine Klinik hätte gehen können. Er habe dies aber nicht gewollt und habe auch nicht mehr krankenversichert sein wollen.

Wenn die Anklage zugelassen wird, müssen sich die beiden vor Gericht verantworten. Bei einer Verurteilung drohen dem Guru und seiner Partnerin Freiheitsstrafen von einem bis zu 15 Jahren.

Kilian hat seine Geschichte vor anderthalb Jahren der Filmemacherin Beate Greindl erzählt, die mit einer Dokumentation im WDR die Aufmerksamkeit auf die Sekte um den Guru von Lonnerstadt lenkte. Die drei Kinder seiner Lebensgefährtin waren da längst geflüchtet, sie sind inzwischen erwachsen und erheben in dem Film schwere Vorwürfe.

Sektenführer in Franken
:Der Guru von Lonnerstadt

Es gibt weder Dusche noch Wanne, nur spärlich zu essen, und Arztbesuche sind nicht erwünscht: Ein Guru diktiert in Mittelfranken einer Familie mit drei Kindern den Alltag - und die folgt ihm kompromisslos. Die Behörden schreiten jedoch nicht ein.

Olaf Przybilla, Erlangen

Inzwischen hatte der Mann neue Anhänger gefunden. Eine fünfköpfige Familie lebte in Armut in einem baufälligen Haus in Lonnerstadt, ohne Arbeit, ohne Krankenversicherung, nach einem strengen und möglichst genussfreien Tagesablauf. Ihr Geld hatten sie dem Guru vermacht. So offenbarte es der Film und löste großen öffentlichen Protest aus. Es formierten sich Mahnwachen vor dem Haus der Familie, im Internet gründete sich eine Gruppe, die "die Sektenkinder von Lonnerstadt" retten wollte. Das Jugendamt musste sich fragen lassen, ob die Kinder dort tatsächlich gut aufgehoben seien.

Keine Kooperation "im Sinne der Kinder"

Das bejahte Landrat Eberhard Irlinger lange, unter anderem in einer denkwürdigen Pressekonferenz als er die "wohlige und mollige Wärme" des Holzofens im Wohnzimmer der Familie lobte und das herzliche Verhältnis der Eltern zu den Kindern. Der WDR-Film dagegen sei "etwas tendenziös" gewesen.

Ein halbes Jahr später entzog das Amtsgericht Erlangen den Eltern weite Teile des Sorgerechts. Das war im Juli 2013. Die zwei Jungen und das Mädchen leben seitdem nicht mehr in dem unverputzten Haus in Lonnerstadt. Das Sorgerecht liegt beim Jugendamt. Das Amtsgericht hatte damals ein Gutachten bei einem Jugendpsychiater eingeholt.

Nach mehrfachen Besuchen sei der Familienrichter zu der Überzeugung gelangt, die Eltern seien "zu einer Kooperation im Sinne der Kinder nicht in der Lage". Dazu habe es "keine revidierende Entscheidung" gegeben, sagte am Freitag der Sprecher des Nürnberger Oberlandesgerichts. Die Kinder bleiben von den Eltern getrennt. Und vom Guru.

© SZ vom 18.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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