Regensburg:Seehofers Eisenbahn und alte Chianti-Flaschen

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Mehr als 20 Städte hatten sich als Standort für das Museum beworben: Regensburg hat den Zuschlag für das Geschichtsmuseum bekommen. Nach der Vertragsunterzeichnung sind nun die Bürger gefragt.

Wolfgang Wittl

Horst Seehofer steht auf dem Deck der Kristallkönigin und kneift die Augen zusammen. Da hinten, nur ein paar Kilometer donauabwärts, befinde sich die Walhalla, erklären ihm seine Gastgeber. "Und die ist bei gutem Wetter wirklich zu sehen?", fragt Seehofer. Vermutlich schweifen jetzt mehr als nur seine Blicke in Richtung Ruhmeshalle, in der ja die Büsten der bedeutendsten Bayern ausgestellt sind.

Der Ministerpräsident gönnt sich einen Moment des Innehaltens, bis ihn das Rumpeln eines Baggers in die Gegenwart zurückholt. Seehofer steht auf einem Passagierschiff im Regensburger Hafen, von hier aus hat er eine gute Sicht auf den Platz, auf dem gerade Gebäude abgerissen werden - damit dort in sechs Jahren so etwas wie sein eigenes Denkmal eröffnet werden kann.

In seiner Regierungserklärung 2008 hatte Seehofer den Bau eines Museums der Bayerischen Geschichte als Ziel ausgerufen. Am Montag ist er nach Regensburg gekommen, um der Unterzeichnung der Verträge beizuwohnen. 61,5 Millionen Euro soll das Prestigeobjekt kosten, das "diesen atemberaubenden Weg Bayerns zur blühenden Gemeinschaft nachzeichnen" soll, wie Seehofer sagt. "Ein Juwel" werde hier entstehen, schwärmt der Ministerpräsident, eine "Liebeserklärung an unsere bayerische Heimat".

Das Konzept soll in diesem Sommer vorgestellt werden, sagt Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte. Erste Eindrücke sind seit Montag im Internet zu finden ( www.museum.hdbg.de). Schon jetzt stehe fest: Die Besucher dürften sich auf ein modernes Mitmachmuseum mit multimedialer Aufbereitung freuen, eine Dauerausstellung auf 2500 Quadratmetern Fläche soll "das moderne Bayern" anschaulich machen.

Die Themenkomplexe reichen von der Erschließung durch die Eisenbahn bis zum Protest gegen der Bau der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf. Die Bevölkerung wird ermuntert, die Ausstellung durch Exponate zu bereichern: Das könne die angeschossene Pickelhaube aus dem Ersten Weltkrieg ebenso sein wie die Flasche Chianti eines Italien-Urlaubers aus den fünfziger Jahren, sagt Loibl. Horst Seehofer kann sich sogar vorstellen, seine legendäre Modelleisenbahn zu stiften, die markante Stationen seines Lebens abbildet. Doch darauf festlegen will er sich lieber noch nicht.

Mehr als 20 Städte hatten sich als Standort für das Museum beworben. Dass Regensburg den Zuschlag der Fachjury zu Recht bekam, davon sind Seehofer und Kunstminister Wolfgang Heubisch nach ihrer Visite mehr denn je überzeugt. Die Stadt atme europäische Geschichte, sagt Seehofer. Die Regensburger geben sich am Montag Mühe, diesen Eindruck zu festigen: Die Unterschriften werden im Historischen Reichssaal geleistet, wo sich Gesandte von Herzögen und Kaiser versammelten, der Weg dorthin führt durch Römergassen und über den Alten Kornmarkt, das ehemalige Zentrum des ostfränkischen Reiches.

Die wirtschaftliche Potenz der Stadt tat wohl ein Übriges. Strategisch klug habe Oberbürgermeister Hans Schaidinger verhandelt, sagt der Ministerpräsident feinsinnig. 20 Millionen Euro lässt sich Regensburg das Projekt kosten, das eine jahrzehntelange Diskussion in der Stadt beendet. Mehrmals ist auf dem Donaumarkt der Bau einer Stadthalle gescheitert, derzeit wird die Anlage als Parkplatz und Wochenmarkt genutzt. Durch das Museum werde eine offene Wunde der Stadt geschlossen, sagt Schaidinger.

Die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs sollen in diesem Jahr vorliegen, im April 2018 soll das Haus zum hundertjährigen Bestehen des Freistaats fertiggestellt sein. Die Eröffnung werde er natürlich selbst vornehmen, sagt Seehofer.

© SZ vom 24.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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