Regensburg:"Hier ist etwas sehr tragisch verlaufen"

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Innenminister Herrmann fordert die schnelle Aufklärung des Regensburger Polizeieinsatzes, bei dem ein Student von 16 Kugeln getroffen wurde.

A. Ramelsberger

SZ: Herr Herrmann, in Regensburg haben zwei Polizisten insgesamt 16 Schüsse auf einen Studenten abgegeben, der einen Mitbewohner mit dem Messer bedroht hat. Am Ende war der Student tot. Die Obduktion hat nun ergeben, dass sieben Schüsse den jungen Mann von hinten getroffen haben. Ist es in Bayern üblich, dass die Polizei Menschen von hinten erschießt?

Zwei Polizisten haben in Regensburg insgesamt 16 Schüsse auf einen Studenten abgegeben (Foto: Foto: dpa)

Herrmann: Nein, selbstverständlich nicht. Auch mir ist es unbegreiflich, wie der Einsatz in Regensburg so eskalieren konnte. Nach den mir vorliegenden Informationen war der Mann durch den Einsatz von Pfefferspray nicht zu stoppen, auch nicht durch Schüsse in die Beine. Spätestens nach dem dritten Schuss fällt ein Angreifer normalerweise hin. Aber der Student Tennessee Eisenberg war nicht zu stoppen und hatte drohend ein Messer in der Hand.

SZ: Über die Schüsse in den Rücken berichten die Beamten nichts?

Herrmann: Wir können den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht vorgreifen. Bis zu einem Ergebnis können wir über den Ablauf des Einsatzes nur spekulieren. Eine abschließende Beurteilung ist daher nicht möglich.

SZ: Dass die Beamten ihr ganzes Magazin leer geschossen haben, gehört zumindest nicht zum Einsatzverhalten, wie man es in der Ausbildung lernt.

Herrmann: Mir wird berichtet, die Beamten seien in einer besonderen Bedrohungssituation gewesen.

SZ: Zunächst hieß es auch, der Student sei möglicherweise im Drogenwahn gewesen und habe sich deshalb nicht aufhalten lassen. Auch das sieht nun anders aus.

Herrmann: In Eisenbergs Blut sollen sich kein Alkohol und keine Rückstände von Drogen befunden haben. Es ist uns bis jetzt unbegreiflich, was da passiert ist. Herr Eisenberg wird bis zum Vorfall von allen als friedfertiger Mensch geschildert.

SZ: Bisher war immer von Notwehr und Nothilfe die Rede, die die Polizisten einem bedrängten Kollegen geleistet hätten. Lässt sich das noch halten?

Herrmann: Wie gesagt: Wir können der Staatsanwaltschaft nicht vorgreifen. Die Öffentlichkeit muss jetzt baldmöglichst eine vernünftige Darstellung des Ablaufs erhalten. Bisher gibt es nur Spekulationen. Es wäre gut, die Öffentlichkeit nun umgehend zu informieren. Doch das muss die Staatsanwaltschaft tun.

SZ: Die will jetzt noch bis Mitte August warten. Dann erst kommt der von der Familie Eisenberg aus eigener Tasche bezahlte Gutachter aus dem Urlaub zurück, der die Leiche des Studenten ein zweites Mal obduziert hat. Sehr eilig scheint man es in Regensburg mit der Aufklärung nicht zu haben.

Herrmann: Mir ist jedenfalls an einer schnellen Aufklärung gelegen.

SZ: Die Kollegen bei der Polizei sind offensichtlich sehr schnell zu business as usual übergegangen. Die Polizisten, die die Schüsse abgegeben haben, machten sogar gleich wieder Dienst.

Herrmann: Es darf keine Vorverurteilung geben. Es gibt auch keinerlei Anlass, die Beamten vom Dienst zu suspendieren.

SZ: Aber Sie selbst haben doch nun verfügt, dass die Polizisten nur im Innendienst eingesetzt werden dürfen.

Herrmann: Es handelt sich hierbei vor allem um eine Fürsorgemaßnahme für die betroffenen Polizisten. Sie sollen bis zum Abschluss der Ermittlungen nicht mit neuen, möglicherweise brenzligen Konflikten konfrontiert sein. Die Situation ist bei einigen Leuten in Regensburg derzeit emotional sehr schwierig.

SZ: So kann man das beschreiben. Junge Leute sagen zu Polizisten, die sie überprüfen, sie könnten sie doch gleich erschießen - so wie Tennessee Eisenberg. In Regensburg herrscht nicht mehr viel Vertrauen in die Polizei.

Herrmann: Wir sollten jedenfalls die betroffenen Polizisten einer solchen Situation jetzt nicht aussetzen. Nicht dass jemand sagt, das sind die, die Eisenberg erschossen haben. Eine solche Konfrontation muss man vermeiden.

SZ: Die Regensburger Polizei hat erst auf Ihren Wunsch hin die beiden Polizisten in den Innendienst versetzt. Haben die Verantwortlichen das Geschehen zu sehr auf die leichte Schulter genommen?

Herrmann: Nein, niemand nimmt so etwas auf die leichte Schulter. Hier ist ein Mensch getötet worden.

SZ: Welche Konsequenzen muss die Polizei ziehen?

Herrmann: Es liegt auf der Hand, dass hier etwas sehr tragisch verlaufen ist. Der Einsatz muss nachbearbeitet werden, sobald das Ermittlungsergebnis vorliegt. Die Polizei kam sehr schnell - das war gut. Es ist klar, dass die Eigensicherung Vorrang hat. Und es muss klar sein, dass hier nichts vertuscht wird. Wir wollen diesen Fall grundlegend aufklären.

© SZ vom 28.7.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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