Rede der Kanzlerin auf dem CSU-Parteitag:Merkel gibt der CSU die Pkw-Maut - unter Bedingungen

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Kanzlerin Merkel zu Gast beim CSU-Parteitag: Sie will der Schwesterpartei die Pkw-Maut zugestehen. (Foto: dpa)

Die Pkw-Maut wird kommen, hat CSU-Chef Seehofer vor dem Parteitag gesagt. Offenbar kann er sich auf die Unterstützung der Kanzlerin verlassen, die in München ein Grußwort an die CSU richtet. Ihr Auftritt ist der Höhepunkt des Tages: Die Stimmung steigt auf nicht mehr für möglich gehaltene Höhen - auch wegen eines Versprechers.

Von Sebastian Gierke und Oliver Klasen

"Mein lieber Horst Dobrindt", so begrüßt Kanzlerin Angela Merkel den CSU Parteitag. Ihr Auftritt am Abend soll der Höhepunkt des ersten Tages sein. Und tatsächlich: Mit ihrem Versprecher steigt die Stimmung nach einem langweiligen Beginn in nicht mehr für möglich gehaltene Höhen.

Und die Stimmung wird sogar noch besser: Denn Merkel sichert in ihrer kurzen Rede der CSU die Einführung der Pkw-Maut zu: "Wir werden auch auf den Wunsch der CSU hin an einer europarechtskonformen Lösung für eine Mitbelastung der nicht-inländischen Kraftfahrzeughalter hinarbeiten", so drückt sich Merkel reichlich kompliziert aus. Zwei Bedingungen stellt die Kanzlerin: Die Maut müsse europarechtlich unbedenklich sein. Und es müsse sichergestellt sein, dass kein deutscher Autofahrer stärker belastet wird. Sie habe sich nicht gegen Steuererhöhungen ausgesprochen, um sie durch die Hintertür doch einzuführen, sagt sie.

Merkel ist aber auch hier, um bei der CSU für die große Koalition zu werben: "Es muss geschaut werden, wo liegt das Gemeinsame, nicht das Trennende." Die Union habe klare Vorstellungen von dem, was sie wolle, dennoch müsse man auch Kompromisse eingehen.

Merkel wirkt selbstbewusst, zuversichtlich, ironisch. Falls sie ein wenig verstimmt darüber ist, dass Horst Seehofer Peter Gauweiler zu einem der CSU-Vizechefs machen will - einen, der sie in den vergangenen Jahren oft geärgert hat, dann lässt sie sich das nicht anmerken. Sie ist zum Scherzen aufgelegt. "Ich war kein Freund des Betreuungsgeldes", sagt sie. "Das hat mir Edmund Stoiber abgepresst. War so." Die richtigen Knöpfe drücken bei der CSU, das kann sie.

Als Merkel ihre Rede beendet, bedankt sich Horst Seehofer auf seine ganz eigene Art und Weise. Merkel hatte gelobt, dass die CSU zuletzt ein "schnurrendes Kätzchen" gewesen sei. Er wüsste jetzt nicht, warum die CSU das ändern sollte, sagt Seehofer. Und schiebt dann nach: "Kann sich aber auch wieder ändern."

Merkel und Seehofer demonstrieren mit gegenseitigen ironischen Anspielungen Nähe. Die Koalitionsverhandlungen haben der Beziehung in keiner Weise geschadet. Seehofer sagt sogar: "Wir sind 1000-prozentig einig." Und dann verabschiedet er die Kanzlerin in den Delegiertenabend: "Aber die Maut bleibt hier."

  • Gauweiler soll Vizechef werden: Er ist quasi über Nacht zu einer der zentralen Figuren der CSU geworden. Am Mittwoch hat Horst Seehofer ihn angerufen und gefragt, ob er statt Beate Merk einer der vier Vizechefs werden will. Bedenkzeit habe er nicht gebraucht, sagt Peter Gauweiler. Die Genugtuung über Seehofers Pläne ist ihm anzusehen. "Ich werde meinen Beitrag leisten", sagt er. Vor zwei Jahren war Gauweiler noch an innerparteilichen Widerstaänden gescheitert beim Versuch, neuer CSU-Vizechef zu werden. Jetzt ist Gauweiler wieder da, der Quälgeist ist zurück im Zentrum der Partei. Gauweiler, der sich in den vergangenen Jahren als Euro-Kritiker profiliert hat, auf diese Position zu befördern, das ist ein deutliches Signal an die Schwesterpartei. Manche sagen sogar ein Affront gegen Merkel. Gauweiler hatte im Bundestag gegen Rettungsschirme und Bankenhilfe gestimmt, zog gemeinsam mit anderen Euro-Kritikern sogar vor das Bundesverfassungsgericht und machte damit der eigenen Regierung das Leben schwer. Wie das denn zusammengehen könne, er und das, was da gerade in Berlin verhandelt wird? Ob er sich damit jetzt arrangieren könne? Gauweiler kommt aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus: "Die müssen sich damit arrangieren."

MeinungSeehofer vor CSU-Parteitag
:Der Über-Bayer

Erst kommt Horst Seehofer, dann lange nichts. Der CSU-Chef gibt den großen Volksversteher, der das Programm seiner Partei entrümpelt und modernisiert. Mit dem Slogan "Bayern. Das Land" hat der gnadenlose Populist triumphale Wahlergebnisse im Freistaat und im Bund eingefahren. Seitdem arbeitet Seehofer nur noch an sich und seinem Machtfundament.

Ein Kommentar von Mike Szymanski
  • Europaministerin Merk zieht sich aus Parteispitze zurück: Beate Merk ist seit der Landtagswahl Europaministerin im Kabinett von Horst Seehofer. Man darf das durchaus als Degradierung ansehen. Denn damit hat sie kaum mehr etwas zu sagen. Um die wichtigen Entscheidungen in der Europapolitik kümmert sich der Chef meist selbst, unterstützt von Generalsekretär Alexander Dobrindt. Und jetzt wird Merk nicht einmal mehr CSU-Vizechefin. Wie sie sagt, auf eigenen Wunsch. Doch eigene Wünsche zählen in dieser CSU nur noch wenig. Horst Seehofer ist wohl nicht zu Merk gegangen und hat sie zum Rückzug aufgefordert, aber Merk wird bewusst gewesen sein, dass ihr Rückhalt innerhalb der Partei im Moment nicht besonders groß ist. Schon vor der Landtagswahl geriet sie unter Druck, vor allem wegen ihres unglücklichen Agierens im Fall Mollath. Als Seehofer gefragt wird, ob er denn überrascht gewesen sei von Merks Rückzug, sagt er: "Ein bisschen. Aber man muss das verstehen. Ich verstehe es auch."
  • CSU erwartet schwierige Verhandlungen in Berlin: Das Bündnis mit CDU und SPD ist das erklärte Ziel Seehofers, auch wenn er zuletzt Neuwahlen ins Spiel gebracht hat. Auf dem Parteitag sagt er, in Berlin stünden "ganz extrem schwierige Tage" bevor. Es ist dem CSU-Chef ein Anliegen, den kanpp 1000 Delegierten zu erklären, "wie der Stand der Dinge" bei den Koalitionsverhandlungen ist. "Wir können nicht einen Koalitionsvertrag machen, wo die SPD die Handschrift bestimmt", sagt Seehofer. Die Pkw-Maut für Ausländer? Wird kommen! Genau wie die höhere Mütterrente. Die SPD-Forderung einer generellen doppelten Staatsbürgerschaft? Wird nicht kommen, sagt Seehofer. Der Ministerpräsident bereitet seine Partei auch auf einige bei der CSU-Basis ungeliebte Entscheidungen vor: Die Einführung bundesweiter Volksentscheide hat die CSU in Berlin zum Beispiel nicht durchgebracht. Die Delegierten verabschieden trotzdem einstimmig und ohne Diskussion den Leitantrag, in dem die Volksentscheide nicht mehr enthalten sind.
  • Seehofer fordert Landwirtschaftsministerium: Auch zum Personal äußert sich Seehofer. Ausdrücklich beansprucht er das Landwirtschaftsministerium für die CSU. Am Rande des Parteitages herrscht die Erwartung, dass die CSU auch das Innen- und das Verkehrsministerium behalten wird. Als sicher gilt, dass Generalsekretär Dobrindt einen Ministerposten bekommt. Außerdem werden dem bisherigen Verkehrsminister Peter Ramsauer und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich die besten Chancen auf eine Berufung eingeräumt. Ob sie allerdings ihre Ministerien behalten, ist unklar. Seehofer selbst hält sich bedeckt, als er nach seinen konkreten Plänen gefragt wird: "Man muss immer die Entscheidungen treffen, die für den Augenblick die richtigen und notwendigen sind."

Was am Samstag auf dem Parteitag ansteht

Nachdem die CSU bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit zurückerobert und auch bei der Bundestagswahl ein sehr gutes Ergebnis eingefahren hat, ist Seehofer auf dem Zenit seiner Macht angekommen. Die Delegierten werden ihm wohl keine Probleme bereiten - im Gegenteil: Er dürfte am Samstag bei seiner Rede als der große Integrator der Partei gefeiert werden und mit einem guten Ergebnis - alles unter 90 Prozent gilt in der CSU als Dämpfer - wiedergewählt werden.

Drei der vier Stellvertreter Seehofers treten ebenfalls noch einmal an: Landtagspräsidentin Barbara Stamm, der amtierende Verkehrsminister Peter Ramsauer sowie Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt.

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